Rezension zu "Von dieser Welt" von James Baldwin
Mit diesem Roman aus der Feder des jüngst wieder »entdeckten« Autors James Baldwin reist der Leser in das Harlem der 1930er Jahre. Die Hauptfigur, ein kluger, unsicherer Heranwachsender namens John wächst im Schatten seines sich überaus fromm gebenden, gewalttätigen und die Familie beherrschenden Vaters aus, mit dem er sich in einem dauerhaften Konflikt befindet.
Baldwins Sprache und Fabulierkunst sind beeindruckend, auch in der sehr gelungenen deutschen Übersetzung. Bemerkenswert und oft beklemmend sind die Passagen über die Kirche und die ostentativ zu Schau getragene Frömmigkeit, die wie ein zu eng geschnürtes Korsett im Leben der Gläubigen wirkt. Ein menschliches Schwein bleibt ein Schwein, auch wenn es inbrünstig den Herrn anruft.
Nach einer Bluttat versammeln sich die Familienmitglieder zum Gottesdienst. Baldwin gibt jedem einen langen Abschnitt, den er mit »Gebet« überschreibt, voller Erinnerungen und Assoziationen. Der Weg, den sie zu diesem Punkt zurückgelegt haben, wird erzählt. Jeder hat seine Geschichte, die erklärt, woraus die haarsträubenden (Miss-)Handlungen der Mitmenschen, oft im Namen des »Herrn«, herrühren.
Natürlich spielt auch die Hautfarbe eine Rolle, Rassismus, wie er bis in die Gegenwart nicht wesentlich besser geworden ist, schlägt den Schwarzen entgegen, was wiederum in psychischer und physischer Gewalt gegenüber den eigenen Leuten münden kann. Ein wenig hat mit das an Die Farbe Lila erinnert, jene saufenden, hurenden Tunichtgute, die den Druck der weißen Gesellschaft an ihre Frauen und Kinder weitergaben.
Ein lesenswerter Roman, der zum Glück nichts verschweigt, eben auch nicht, wenn die Schwarzen einander als »Nigger« bezeichnen, verhöhnend, verspottend oder achtlos hingeworfen. Manche Abschnitte, in denen Baldwin wortmächtig die religiöse Verzückung seiner Protagonisten nachzeichnet, waren mir schwer erträglich, denn mein beherrschender Gedanke war, dass so fanatische Gotteskrieger geboren werden.