Cover des Buches Godfather of Soul (ISBN: 9783453405646)
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Rezension zu Godfather of Soul von James Brown

Rezension zu "Godfather of Soul" von James Brown

von Babscha vor 13 Jahren

Rezension

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Babschavor 13 Jahren
Mit lautem „Klapp“ schließt sich nach mehr als 450 Seiten quasi am Stück absolvierter Lektüre die 1986 geschriebene und von mehreren hochinteressanten Begleitworten einiger Freunde umrahmte Autobiografie einer der schillerndsten, interessantesten und widersprüchlichsten Musikerpersönlichkeiten des letzten Jahrhunderts. Erstmal durchatmen und sammeln. Als ob man von einer Anhöhe auf das tief unten ausgebreitete Leben eines Menschen blickt, von dem man jetzt so viel erfahren hat und wo man dennoch irgendwie ahnt, dass das alles nur ein Bruchteil von dem gewesen ist, was er wirklich alles erlebt hat. James Brown? Klar, das war doch dieser schwarze amerikanische Clown mit Schlaghosen und perfekt gestylter Föhnfrisur, der auf der Bühne die sex machine gab und selbst im hohen Alter noch schreiend und kreischend den Status des hardest working man in showbiz und des soulbrothers no. 1 für sich reklamierte. Ja, stimmt, ist aber nur der Bruchteil einer Biografie, die es wahrlich in sich hat: 1933 in einem Dreckloch in South Carolina geboren und als kleiner Knirps von Vater und Mutter verlassen, wächst James in Augusta bei seiner Tante auf, die dort ein Bordell betreibt. In einer Zeit unglaublicher Rassendiskriminierung lernt James somit sehr schnell alle Härten seines „schwarzen“ Daseins am eigenen Leib kennen. Mit gerade 16 wird er für Autodiebstähle, die er begeht, um sich „einfach nur anständige Kleidung kaufen zu können“, für mehrere Jahre in den Knast geschickt. Aber er lässt sich von nichts und niemandem unterkriegen. In geradezu exzessiver, manischer Art versucht der hochmusikalische und begnadete Sänger und Tänzer, in der Musikszene Fuß zu fassen, was ihm nach jahrelangen Misserfolgen und viel Lehrgeld als leader seiner legendären Band, den famous flames, endlich auch gelingen soll. Absolutes Markenzeichen werden seine rasend schnellen Bühnenshows mit selbstkreierten Tanzschritten, die Musikgrößen wie Prince und Michael Jackson maßgeblich beeinflusst haben, wie auch seine spezielle, seinerzeit revolutionär neue und bis heute unerreichte Funk-Music, mit der er vor allem das legendäre Apollo in Harlem regelmäßig zum Kochen brachte. Die folgenden Jahrzehnte seines Lebens sind ein einziges Auf und Ab von Phasen weltweiter Erfolge im Music-Business, die Brown ein riesiges Vermögen bescheren, wie auch niederschmetternder teils selbstverschuldeter Erfahrungen durch falsche Freunde und Berater, Betrug, Erfolgsneid anderer Musiker, diverser gescheiterter Ehen und Beziehungen, und den Tod vieler Freunde und Familienmitglieder. Ungeschicktes Agieren als Zugpferd republikanischer politischer Interessen in den angespannten 60/70er Jahren bescheren ihm zusätzlich massive Spannungen mit den eigenen schwarzen Leuten, die bis heute nicht vergessen sind. Wenige Jahre nach dem Verfassen seiner Autobiografie zieht sich Brown desillusioniert, ausgebrannt und von den amerikanischen Steuerbehörden gejagt aus dem Musikgeschäft zurück, verliert mehr und mehr die Bodenhaftung, wozu eine erneute mehrjährige Haftstrafe ab 1991 wegen einer Schießerei mit der Polizei und der Tod seiner vierten Ehefrau in 1996 das ihre beisteuern. Nach glücklosen letzten Jahren, krank und von Drogenmissbrauch gezeichnet, stirbt Brown allein und einsam Weihnachten 2006 in seiner Heimatstadt. Das Buch erzählt die mitreißende Lebensgeschichte eines wahrlich zwiespältigen Mannes, der sich einerseits sein Leben lang in jeder denkbaren Form für die Menschenrechte seiner schwarzen Mitbürger einsetzt, andererseits, ausgestattet mit Sturheit und übergroßem Ego, sein gesamtes Dasein und das seiner Freunde und Mitmusiker der Show und seiner eigenen Gesangs- und Tanzkarriere im Musikgeschäft bedingungslos unterordnet und, geprägt von seinem Aufwachsen in desolaten sozialen Verhältnissen ohne Eltern, sein Leben lang völlige Unfähigkeit zum Eingehen von Beziehungen bzw. Übernahme echter Verantwortung für seine diversen Ehefrauen und Kinder demonstriert. Auf rein musikalischer Ebene dürften nur wenige Musiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen solch massiven Einfluss auf die Entwicklung diverser musikalischer Stilrichtungen bis hin zum Rap und Hip-Hop genommen haben wie James Brown. Ich bin froh, dieses Ausnahmetalent vor vielen Jahren selbst live erlebt zu haben. Und wenn das jetzt leichte Züge einer Hommage annimmt: Genau das ist beabsichtigt! Get on the good foot, man! Ach ja, und das Buch? Absolute Leseempfehlung meinerseits.
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