Rezension zu "Mission Titanic" von James Cameron
Das sagt James Cameron über seinen inneren Antrieb, das Schicksal der Titanic zu ergründen, die 1985 viele Jahre nach ihrem Untergang im April 1912 auf dem Meeresboden entdeckt wurde. Während ihres Abtauchens unter die Meeresoberfläche zerbrach das Schiff in zwei große Teile, die nun weit von einander entfernt zur Ruhe gekommen sind. Als Regisseur des erfolgreichsten Spielfilms über diese Katastrophe kannte Cameron die Titanic sehr genau. Teile des Schiffes wurden damals für den Dreh detailgetreu nachgebaut. Und Cameron war schon immer vom Tauchen fasziniert. Als er ein Schiff suchte, das eine Expedition mit Tauchgängen zum fast vier Kilometer unter der Meeresoberfläche liegenden Wracks erfolgreich durchführen kann, kam er fast zwangsläufig auf das größte Forschungsschiff der Welt, die russische Akademik Mstislav Keldysch, die über zwei leistungsfähige Tauchboote verfügt.
Dreimal fuhr Cameron mit seinem Team auf der Keldysch zur Titanic, 1995, 2001 und noch einmal 2005, als er mit dem Thema eigentlich schon abgeschlossen hatte, aber vom Discovery Channel um eine "Liveshow über die Titanic" gebeten wurde. Diese drei Expeditionen mit all ihren Vorbereitungen, technischen und konzeptionellen Details und natürlich den Bildern von den Tauchgängen sind der Ausgangspunkt für dieses großartige Buch. Wenn man also erfahren möchte, wie es da unten heute aussieht, dann kann man das mit diesem Buch auf einzigartige Weise vom Sofa aus erleben.
Neben den Bildern von den Tauchgängen und dazu gehörenden sehr gut geschriebenen Texten kann man auch zahlreiche Originalbilder von Details des Schiffes und einige Gemälde bewundern. Cameron wird nicht müde, immer wieder das Original oder eine Computerdarstellung mit den Bildern vom jetzigen Zustand zu vergleichen. Beim Betrachten solcher Vergleiche kann man schon in einen eigenartigen Gemütszustand verfallen. Man sieht, was aus den Kabinen und ihrer Ausstattung geworden ist, in denen sich namentlich bekannte Passagiere noch Stunden vor dem unerwarteten Untergang aufgehalten hatten. Man sieht die Überreste des damals hochmodernen Funkraums, aus denen die SOS-Rufe gesendet wurden. Oder man sieht, in welchem Zustand sich heute die großen Säle befinden, in denen die Passagiere der ersten Klasse speisten. Und vieles andere mehr.
Natürlich kann man sich bei all den seltsamen Gefühlen, die einen vielleicht dabei begegnen, schon fragen, welchen tieferen Sinn das alles haben soll. Ist es Neugier oder gar eine Art Voyeurismus? Vielleicht kann man auch Cameron einfach verstehen. Er hat eine besondere Beziehung zu diesem Schiff und seinem Schicksal, schließlich hat er sich damit extrem intensiv beschäftigt. Und er besitzt eine Leidenschaft fürs Tauchen und genug Geld, ihr auf diese weise nachzugehen. Und interessant ist es für den rest der Welt wohl auch irgendwie. Wie detailversessen und akribisch Cameron sein kann, sieht man auch an diesem Buch und den Beschreibungen seiner Planungen zu den Tauchgängen. Etwas überraschend fand ich die eingeklebten Zeichnungen auf einem völlig anderen Papier. Da kann man schon auch das Gefühl kriegen, Cameron hätte sie in diesem Buch vergessen.
Besonders interessant fand ich die letzten Kapitel, in denen sich Cameron allgemeine Gedanken macht. Beispielsweise vergleicht er die Aussagen von mehreren hundert Augenzeugen des Untergangs, von denen nur ein Bruchteil den Vorgang richtig in Erinnerung hat. Wie die Titanic tatsächlich untergegangen ist, zeigt ein ausklappbares Faltbild. Das ist nicht nur eindrucksvoll, sondern zeigt auch, dass sich die Mannschaft extrem bemüht haben muss, das Schiff sehr lange stabil senkrecht zu halten, denn eine Krängung hätte das Ablassen von Rettungsbooten verhindert. Im Übrigen, so Cameron, zeigt dieser Untergang auch, wie Menschen mit Risiken umgehen. Je erfolgreicher sie aus bisherigen Risiken (oft vielleicht nur durch Glück) herausgekommen sind, umso riskanter wird ihr zukünftiges Verhalten. Auch dieses immer wieder zu beobachtende Verhalten von Menschen wird einen Anteil am Untergang der Titanic haben.
Wenn man sich für das Schicksal der Titanic interessiert, ist dieses Buch ein einmaliges Erlebnis.