Cover des Buches Perfidia (ISBN: 9783550088971)
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Rezension zu Perfidia von James Ellroy

Gewohnt intensiv in Tempo und Atmosphäre

von M.Lehmann-Pape vor 9 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 9 Jahren


Als würden die knapp 950 Seiten dieses ersten Bandes einer geplanten neuen Trilogie für James Ellroy nicht ausreichen, fühlt es sich an, als würde er noch einmal das Erzähltempo verschärfen.

Teils fast nur noch in Stichworten dahingeworfen, immer in maximal kurzen Sätzen „rast“ Ellroy von der ersten Seite mitten hinein (wieder einmal) in die Zeit der harten Cops, der kriminellen Seilschaften, der besonderen Atmosphäre in Amerika, in Los Angeles Anfang der 40er Jahre.

Wo der Leser alte Bekannte wie Ward Littel, Lee Blanchard, Dudley, Meeks und andere Figuren wieder trifft, die zu anderen Zeiten in den Thrillern Ellroys ihre wichtigen Rollen gespielt haben (werden).
Figuren, die Ellroy in Perfidia noch einmal mit anderen Nuancen und in andern Konstellationen zu schildern versteht, denn 1941 waren so manche der Hauptfiguren späterer Ereignisse noch am Anfang ihrer „Karriere“.

Was nicht bedeutet, dass die Härte, die Ellroys Figuren auszeichnet, diese ausgeprägte „Männer-Haltung“, die scharfen Witze über Schwarze, Juden und „Japse“, die offene Hand gegenüber Kriminellen durch manche der Cops, die Morde, die sie hier und da nebenbei begehen (im Austausch gegen persönliche Bereicherungen) nicht bereits einen gewichtigen Teil der Atmosphäre des Thrillers ausmachen würden.

Es gilt wie bei allen „Noir-Thrillern“ des Autors: Keiner ist ohne Schuld, keiner hat saubere Hände, jeder kocht sein Süppchen erst einmal für sich, geht teils verschlungene Wege im Leben.
Alkohol, Aufputschmittel, Morphium, Opium, alles gehört dazu in dieser harten, geschädigten, sich an Fällen festbeißenden Cop-Szene, die Ellroy vor den Augen des Lesers so unnachahmlich wie eh und je entfaltet.

Pearl Harbour.
Das Volk kocht, die Einberufungsbüros können die Masse der Freiwilligen kaum mehr bewältigen.
Kein Japaner ist seines Lebens mehr sicher, wenn er sich auf den Straßen blicken lässt. Und es gibt viele in Los Angeles. Die nun fast in einer Treibjagd verfolgt werden.

„Die Eingeborenen waren unruhig!“.

Und mitten drin diese japanische Familie.
Tot.

Ritueller Selbstmord, so sieht es aus. Und mehr würde die meisten der harten Jungs im Polizeidienst auch nicht interessieren, wenn nicht der forensische Spezialist der Truppe, der Japaner Ashida zum einen die Selbstmordthese widerlegen würde und zum anderen der Chef der Truppe es nicht für opportun halten würde, in dieser aufgekochten Atmosphäre auch ein „japanisches Plus“ auf die Habenseite der Polizei zu stellen.

Macht sich doch gut, seine Unbefangenheit als Polizei zu demonstrieren und beweisen zu können.

Dieser zunächst Hauptstrang des Thrillers verästelt sich natürlich von Beginn an, wie bei Ellroy nicht anders gewohnt, in viele Untergeschichten, kleine und größere Exkurse, bei denen die Einschübe über Kay Lakes aus „Außen-Sicht“ (sie lebt aktuell in einer merkwürdigen Konstellation mit Lee Blanchard zusammen) den breitesten Raum einnehmen.

Atmosphärisch dicht (man riecht fast die Jeeps um die Ecken biegen) geht Ellroy seiner Geschichte, vor allem aber seinen Figuren nach. Suff, Ehrgeiz, Drogen, selbst zunächst „saubere Hände“ werden nicht sauber bleiben und viel Federlesen wird nicht gemacht, weder mit Freund noch mit Feind.

Das alles in Höchsttempo und dennoch differenziert und Tiefen auslotend, Ellroy ist und bleibt ein Meister seiner Kunst. Allerdings doch auch hier in „gleicher Form wie immer“, in Stil, Tempo und „Noir“ Ausrichtung schließt sich Perfidia nahtlos an die vorhergehenden Thriller an, auch wenn Ellroy eine andere Zeit für seinen Neuansatz wählt.
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