James Graham Ballard

 3,8 Sterne bei 83 Bewertungen
Autor von Die Stimmen der Zeit, Crash und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Gestorben am 19. April 2009 in Shepperton

Alle Bücher von James Graham Ballard

Cover des Buches Die Stimmen der Zeit (ISBN: 9783453522299)

Die Stimmen der Zeit

 (11)
Erschienen am 02.04.2007
Cover des Buches Crash (ISBN: 9783899962574)

Crash

 (11)
Erschienen am 25.08.2004
Cover des Buches High-Rise (ISBN: 9783037349328)

High-Rise

 (8)
Erschienen am 25.06.2016
Cover des Buches Vom Leben und Tod Gottes (ISBN: 9783453522770)

Vom Leben und Tod Gottes

 (7)
Erschienen am 06.08.2007
Cover des Buches Kristallwelt (ISBN: 9783937897066)

Kristallwelt

 (8)
Erschienen am 01.07.2005
Cover des Buches Betoninsel (ISBN: 9783037349786)

Betoninsel

 (3)
Erschienen am 31.07.2017
Cover des Buches Running Wild (ISBN: 9783924959449)

Running Wild

 (2)
Erschienen am 01.01.1998
Cover des Buches Paradiese der Sonne (ISBN: 9783937897288)

Paradiese der Sonne

 (2)
Erschienen am 01.03.2008

Neue Rezensionen zu James Graham Ballard

Cover des Buches High-Rise (ISBN: 9783037349328)
lonelyThoughts avatar

Rezension zu "High-Rise" von James Graham Ballard

Das Hochhaus als Matrix der sozialen Bezüge
lonelyThoughtvor 3 Jahren

Die Perspektivfiguren geben die sozialen Schichten sowie ihre Sichtweise und ihr Streben wieder: Wilder gehört der unteren Schicht an und strebt danach, sozial aufzusteigen, was sich in seinem physischen Erklimmen des Hochhauses manifestiert. Royal steht – als Wilders direkter Gegenpart – an der Spitze der sozialen Schicht und lebt daher im Penthouseappartement auf dem Dach und versucht Wilder davon abzuhalten, das Hochhaus und damit die soziale Leiter hinaufzusteigen. Laing, der die Mittelschicht verkörpert, lebt im mittleren Teil des Hochhauses und ist zwischen den Extremen Wilders und Royals hin- und hergerissen, bis er sich schließlich in sein Appartement zurückzieht. 

Das Hochhaus nimmt den Status eines Mikrokosmos ein. Die Außenwelt verliert dabei jegliche Relevanz.
Der Wissenshorizont des Erzählers ist auf die drei Perspektivfiguren Laing, Wilder und Royal beschränkt. Dabei geht der Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt mit ihrer Entwicklung verloren. Die Ver- und Entfremdung sowie die Entmenschlichung der Figuren sorgt für eine Empathie- und Mitleidslosigkeit des Lesers. Die anfangs suggerierte Möglichkeit des Einfühlens kann als eine Art falsche Spur angesehen werden, die der Leser aufsitzen könnte. 

Der Roman gibt keine Enblicke in die seelischen Abgründe der Figuren, vielmehr gibt es EInblicke in die Abgründe der Gesellschaft. Jedoch ist damit nicht die eigentliche Gesellschaft gemeint, sondern vielmehr die Gesellschaft, die sich aus den Hierarchien und sozialen Schichten ergibt, die durch das Hochhaus evoziert werden. Dieses Gesellschaftsmodell richtet sich nicht nach äußeren Einflüssen. Es ist die "natürliche Ordnung des Gebäudes" (S. 11).

Die Möglichkeit des Gebäudes, diesee "naturhafte" gesellschaftliche Ordnung zu evozieren, zieht es aus einer gewissen Grundversorgung, dem Wegfallen von Obrigkeiten (Polizei oder andere Instanzen werden aus den Angelegenheiten der Bewohner gänzlich herausgehalten, der Schein nach außen hin gewahrt) und dem Prinzip der Rivalität.

Dieses Prinzip entsteht aus dem Moment, als das letzte Apartemente verkauft wird und somit die Fluktuation der Bewohner innerhalb des Gebäudes und der damit einhergehende Aufstieg innerhalb der sozialen Schichten des Gebäudes nicht mehr möglich sind. Durch das Wegfallen von Obrigkeiten entsteht der Schein der absoluten Freiheit und die gesicherte Grundversorgung sorgt für eine Art "mechanisierten Sozialstaat".

Der Roman kann also als soziales Experiment gelesen werden, in dem eine Gesellschaft agiert, die keine Vergesellschaftung kennt und die Psychodynamik eine nicht individuell biographische ist.

Dabei gibt es verschiedene spannende Punkte, wie die verschiedenen Rollen, die die männlichen und die weiblichen Figuren einnehmen und wie unterschiedlich sich die Geschlechter und ihr Umgang mit der Situation ausfallen.

Wer am Ende enttäuscht ist, dass das Duell zwischen Wilder und Royal anders ausfällt als gedacht und sich die Situation im Hochhaus nicht so auflöst, wie vermutet, fällt einer weiteren falschen Spur des Romans anheim.

Cover des Buches High-Rise (ISBN: 9783037349328)
mimitati_555s avatar

Rezension zu "High-Rise" von James Graham Ballard

tolle Idee, maue Umsetzung
mimitati_555vor 3 Jahren

Ein Luxushochhaus, 40 Etagen mit Apartments, Wohnungen und Penthouse. Mittelschicht, gehobene Mittel- und die Oberschicht, aufgeteilt in Stockwerke. Je höher, umso reicher, umso snobistischer, umso privilegierter. Es gibt ein Einkaufszentrum, eine Schule, Friseure und Swimmingpools. Sogar an einen Kinderspielplatz wurde gedacht. Als alle Wohnungen bezogen sind, wird gefeiert. Gleichzeitig häufen sich die Probleme; die Müllschlucker verstopfen, die Klimaanlage streikt, immer öfter fällt der Strom aus, funktionieren die Aufzüge nicht. Es bilden sich Gemeinschaften, die noch funktionierenden Aufzüge werden blockiert, die Zugänge zu den einzelnen Etagen verbarrikadiert, irgendwann kämpft jeder gegen jeden.

„Später, als er auf seinem Balkon saß und den Hund aß, dachte Dr. Robert Laing über die außergewöhnlichen Ereignisse nach, die sich während der vergangenen drei Monate in diesem riesigen Apartmentgebäude zugetragen hatten.“ (Seite5)

So genial der Plot klingt, so enttäuscht bin ich von der Umsetzung. Seltsam langweilig fand ich die Story, immer wieder dachte ich, dass es nun endlich losgeht, um festzustellen, dass dann doch nichts passiert. Mir fehlte irgendwie der rote Faden; welchen Grund hatte das Ganze, welchen Zweck verfolgten die Einwohner? Wieso wurden die Etagen abgesperrt, damit andere nicht hinkommen konnten, während man gleichzeitig aber selbst alles demoliert hat. Auch das Ende lässt mich ratlos und unbefriedigt zurück. Vielleicht war es für das Buch und mich nicht der richtige Zeitpunkt. Für mich reicht es leider nur für 3 Sterne und das hauptsächlich für die Idee.

Cover des Buches High-Rise (ISBN: 9783037349328)
chumas avatar

Rezension zu "High-Rise" von James Graham Ballard

Der tiefe Fall nach dem Aufstieg
chumavor 5 Jahren

Es ist der wahrgewordene Traum des Architekten Anthony Royal: Ein supermodernes, autarkes Hochhaus am Rande des Londoner Stadtkerns mit 40 Stockwerken, das 2000 Bewohnern Platz sowie alle Annehmlichkeiten, die es zum Leben braucht, bietet. Lediglich um zur Arbeit zu gelangen, müssen die Bewohner die "vertikale Stadt" noch verlassen. Doch als nach und nach immer öfter Defekte im Gebäude auftreten und schließlich die Stromversorgung ganz zusammenbricht, eskaliert die Situation vollständig und zwischen den Bewohnern bricht ein wahrer Klassenkrieg aus.

"In vieler Hinsicht war das Hochhaus ein Musterbespiel für all das, was die Technologie getan hatte, um die Manifestation einer wahrhaft "freien" Psychopathologie zu ermöglichen."



Leseeindruck
James Graham Ballard veröffentlichte "High-Rise" bereits 1975 und doch hat dieser Roman in keinster Weise an Aktualität eingebüßt. Er ist Teil der „urbanen Trilogie“, bestehend aus "Crash", "Betoninsel" und "High-Rise". Im deutschsprachigen Raum wurde er bereits unter den Titeln "Der Block" und "Hochhaus" veröffentlicht, fand aber 2016 im Zuge der Verfilmung von Ben Wheatley eine Neuauflage im Diaphanes-Verlag. Die beiden eben erwähnten anderen Teile der Trilogie las ich bereits und bin seither fasziniert von Ballards ganz speziellem Stil. Er war ein Visionär und vermochte es, den Horror des modernen Alltäglichen konkret und grotesk aufzuzeigen und damit den Leser einerseits abzuschrecken, andererseits aber auch zu fesseln. Seine Bücher sind wie ein schrecklicher Autounfall – man will eigentlich nicht hinschauen, tut es aber trotzdem, weil man tief verborgen von einer morbiden Faszination getrieben ist.

Ist es also ein Zufall, dass er dem Leser in High-Rise drei Protagonisten anbietet, die aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen, keinen von ihnen sympathisch oder unsympathisch erscheinen lässt, sie mit dunklen aber gleichermaßen faszinierenden Zügen ausstattet? Wohl kaum. Ebenso auffällig sind die Namen von Royal, dem Erschaffer und Erbauer des Wunderwerks der Technik, der über allen anderen thront, sowie von Wilder, dem Kameramann aus der unteren Schicht, der sich nach sozialem Aufstieg sehnt und die Erklimmung des Gebäudes deshalb als Mission ansieht. Zu guter Letzt ist da noch Dr. Robert Laing, ein Akademiker, der in der sogenannten Pufferzone eingezogen ist, die Mittelschicht. Er ist angesehen in beiden Richtungen aber auch hin- und hergerissen in seiner Vermittlerrolle. Das wird im Mitelteil des Romans besonders deutlich. Die Figur des Doktors ist deshalb wohl auch am ehesten die, mit der man sich als Leser identifizieren kann und möchte. Die goldene Mitte, mit Tendenzen zum Dunklen, Triebhaften aber auch mit edlen Charakterzügen und so etwas wie einem Gewissen. Es ist aber auch klar, dass er nichts anderes sein kann als eine tragische Figur, die dem Druck aus beiden Richtungen womöglich nicht standhalten kann und sich entweder beugen muss oder zerbrechen wird.

Es ist die ständige Neugierde, die den Leser durch die Seiten fliegen lässt, die Hoffnung auf einen guten Ausgang gepaart mit der Ahnung, das sie sich niemals erfüllen kann. Die Spannung ist stets spürbar, die Mauer auf die das Auto mit uns als Insassen zusteuert rückt unaufhaltsam näher und doch tritt man nicht auf die Bremse. Und so verfolgt man die Eskalationen, die Gewalt, die Barbarei, die Verrohung und das Morden und fragt sich unaufhörlich: Warum verlässt niemand das Gebäude oder holt Hilfe? Warum – um diese eine Frage kreist das Hirn und die einzige Antwort, die ich mir darauf geben kann, lautet: Weil Venunft, Sitte und Anstand anstrengend sind. Das wahre Ich ständig kontrollieren zu müssen, ist ein Kraftakt, der ermüdet und täglich aufs Neue eine Herausforderung darstellt. Es ist einfacher, sich gehenlassen zu können, keinen Regeln – außer denen des Überlebens – folgen zu müssen, bedeutet Freiheit und Ursprünglichkeit. Es gibt nur drei Dinge, die dann noch von Bedeutung sind: Nahrung, Fortpflanzung und Überleben. Die Privilegien des Stärkeren, die Natur jedes Lebewesens. Und so wird die Welt außerhalb des Blocks furchteinflößend und unattraktiv, der Überlebenskampf im Inneren hingegen verlockend und natürlich, auch oder gerade wegen der ständigen Gefahr, den Tod zu finden. Denn nichts belebt mehr als der Blick in das Angesicht des Todes.

"Die Dunkelheit war beruhigender, eine Umgebung, wo wirkliche Illusionen gedeihen konnten."



Fazit:
Ein unbequemer, furchteinflößender Roman, der fesselt und gleichermaßen abstößt. Für mich definitiv lesenswert aber sicher nicht für jedermann eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Nichts für empfindliche Gemüter aber in jedem Fall viel Stoff zum Nachdenken.

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Zusätzliche Informationen

James Graham Ballard wurde am 15. November 1930 in Shanghai (China) geboren.

Community-Statistik

in 136 Bibliotheken

auf 20 Merkzettel

von 4 Leser*innen aktuell gelesen

von 2 Leser*innen gefolgt

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