Ich löse die Bibliothek meines Vaters auf und bin auf das Fischer Taschenbuch 'Irgendwo in Tibet' von James Hilton aus dem Jahr 1959 gestoßen. Der Hinweis auf einen millionenfachen Verkauf und das Stichwort 'Weltliteratur' machten mich neugierig.
Eingebaut in eine knappe Rahmenhandlung ist der Hauptteil des Buches eine Art Niederschrift eines Gespräches zwischen zwei Männern, die sich von der Universität
kennen. Beschrieben wird die Geschichte von 4 Personen, die entführt werden um in Tibet ein Kloster vor dem Aussterben zu bewahren. In diesen Kloster 'Shangri-La' wird ein Mix aus Buddhismus und Christentum praktiziert, wobei es wenig Regeln gibt außer gemäßigt zu sein.
Einer der Vier, Conway wird vom versterbenden Lama als Nachfolger ausgewählt, verlässt aber aus einer Stimmung heraus das Kloster. Er scheint in der Folge unglücklich, 'verschwindet' und ist vermutlich auf der Suche nach dem versteckten Kloster.
Das Buch ist vor knapp 100 Jahren erschienen, das merkt man ihm auch an. Allein das Selbstverständnis der männlichen Protagonisten und die 'Zeichnung' der beiden Frauen passen überhaupt nicht mehr in die heutige Zeit. Hilton war vermutlich nie in Tibet und die Schilderungen erinnern mich an Karl May, der ja auch nie in Amerika war.
Was das Buch ausmacht, ist sein Einfluss auf andere Autoren und Künstler, insbesondere Musiker. Dieser geheimnisvolle Ort Shangri-La beflügelt bis heute: z.B. Young Gun Silver Fox haben erst 2023 in eine Platte 'Ticket to Shangri-La' herausgegeben. Damit ist Hilton etwas gelungen, was nicht jedes, als Weltliteratur bezeichnete Buch, schafft.
Wir müssen diesen Ort in uns selbst suchen: gerade im Moment scheint es wieder nötig.
James Hilton
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Quelle: Verlag / vlb
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Irgendwo in Tibet
Neue Rezensionen zu James Hilton
"Leb wohl, Mister Chips" von James Hilton (1900-1954) in deutscher Übersetzung aus dem Englischen von Manfred Allié erschien (2023, HC geb., 141 Seiten) im Kampa Verlag, Zürich. Das englische Original erschien bereits 1934; der Roman ist, wie der Verlag auf dem Buchrücken schreibt, "ein Juwel der englischen Literatur" - so auch für mich. Besonders faszinierend fand ich hier die Tatsache, dass in dem recht schmalen Büchlein so viel 'zwischen den Zeilen' zu lesen ist, dass es; auch in emotional-menschlicher Hinsicht, prallgefüllt an Emotionen, mehr als auf die 'gefühlte' doppelte Seitenzahl kommt!
Inhalt:
"Er war jahrzehntelang Lehrer in Brookfield, einem Jungeninternat. Er hat Hunderte, wenn nicht Tausende Schüler unterrichtet. Er war kein wirklich guter Lehrer, Ambitionen hatte er keine. Aber er hatte Humor, Prinzipien, vor allem aber einen warmherzigen Blick auf die Welt. Die Schüler liebten ihn, und so ist er in Brookfield zur Legende geworden. Einst lebte Mr. Chips für seine Schüler, nun lebt er in den Büchern, die er liest. Ein kurzes, unverhofftes Liebesglück hat er erleben dürfen, aber das ist lange her. Jetzt wohnt er bei der Haushälterin Mrs. Wickett, sitzt vor dem Kamin - und erinnert sich."
(Quelle: Buchrückentext)
Meine Meinung:
Genau dort, am Kamin bei seiner Vermieterin, Mrs. Wickett, seinen Gewohnheiten nachgehend, ein Tässchen Tee trinkend abends, einen Krimi schmökernd und beim Rückblick und seinen Erinnerungen auf ein schönes und friedliches Leben lernen wir den früheren Lehrer für Latein am Jungeninternat Brookfields (das er gleich mochte) kennen. Der Roman gewährt uns Einblicke in das Leben eines Lehrers zwischen ca. 1870 bis Mr. Chips ins Rentenalter kommt. Berührende Einblicke sowohl ins Berufs- als auch ins Privatleben des Lehrers, der sich selbst eher mittelmäßig findet, dem es nicht immer leichtfällt, für Disziplin zu sorgen und der sich doch von Anfang an sehr wohlfühlt in Brookfield, jenem Jungeninternat, in dem er (500 unbändige Raufbolde) unterrichtet. Er schafft es als junger Lehrer, sich Respekt zu verschaffen, wollte anfangs in eine Schule der ersten Liga (Brookfield gehört in die zweite), hat jedoch einen realistischen Blick und erkennt ein Jahrzehnt später, dass er die Schule gar nicht mehr wechseln wollte. Hatte er doch "mit 40 Wurzeln geschlagen, mit 50 war er der Älteste und Weiseste im Kollegium und mit 60 - mit neuem, jungen Schulleiter - war ER Brookfield".
So ist dieser liebenswerte, prinzipientreue, humorvolle Mr. Chips, in den Herbststürmen seines Lebens angekommen, voller Heiterkeit und Kummer in derartigen Wellen, dass zuweilen Tränen kullern - und er selbst nicht weiß, ob er gerade lacht oder weint: Die Nähe zur Schule hatte er immer gehalten, indem er sich schräg gegenüber bei Mrs. Wickett einmietete und neue Schüler wie auch Lehrer stets zu sich zum Tee einlud. So blieb er, der auch in Kriegszeiten später nochmal "den Laden zusammenhalten" sollte, stets in Kontakt zu den Schülern und Lehrern und durchlief eine charakterliche Entwicklung, die es Freude macht zu lesen: War er anfangs etwas farblos, so merkt man doch, dass Mr. Chips sein Herz am richtigen Fleck hat. Seine leider kurze Ehe mit Katherine holt noch mehr aus ihm hervor, das zuvor in ihm schlummerte: So traten sein Sinn für Abenteuer und Humor, seine Selbstsicherheit noch mehr zutage und seine Beliebtheit wuchs. Seine Witze wurden stets begierig weitergetragen (kennst du schon den Neuesten?) und die Schüler urteilten über den längst ergrauten älteren Lehrer: "Anständiger alter Knabe".
Auch zeitgeschichtliche Ereignisse fließen in den Roman mit ein (Burenkriege, Tod von König Edward, das Ende des Viktorianischen Zeitalters, der Untergang der Titanic etc.) und Mr. Chips hat natürlich auch mit Schulleitern zu kämpfen, die ihm und seinen (älteren) Lehrmethoden nicht gewogen sind: Dennoch können diese nicht damit rechnen, dass Mr. Chips so ohne weiteres "das Feld räumte".
Wichtig war ihm stets das "Maß der Dinge", das Brookfield und somit auch er den Jungen beibringen sollte: Belohnt wurde er im Alter oft mit netten Besuchen ehemaliger Schüler, die sich nach seinem Wohlergehen erkundigten. Besonders gefiel mir der älter gewordene Lehrer, als er (um die Jahrhundertwende um 1900) "von einer Milde durchdrungen wurde, die seine Schrullen und seine immergleichen Scherze zu einer Harmonie verband" (Zitat S. 65). Die Zweifel an seiner Arbeit wichen (zurecht) einem Stolz, der in ihm aufkam. Am Ende wurde er zum Scherzbold deklariert, da er immer in allem das Komische sah und zur Schullegende. Brookfield war nicht Brookfield ohne Mr. Chips!
Der Stil James Hilton's ist atmosphärisch und von großer Tiefe, wenn er seinen Hauptprotagonisten, Mr. Chips, ausleuchtet. Gleichzeitig ist der Roman von einer brillanten Schnörkellosigkeit und Ausdrucksstärke, die ich sehr schätze. Man wünscht sich, es hätte mehr von den Menschen wie Mr. Chips gegeben (oder würde es noch); vermutlich wäre dann die Welt ein besserer Ort?
"Das Maß der Dinge ging mehr und mehr in der Welt verloren, da musste man es wenigstens zu Hause bewahren", so Chips in der Zeit des 1. Weltkriegs; dadurch hat dieser Roman auch gerade in unserer Zeit einen aktuellen Bezug.
Fazit:
Ein wundervoller Roman über einen liebenswerten Lehrer, der Rückblicke in sein erfülltes Leben gewährt. Seinem Unterricht in einem Jungeninternat im englischen Brookfield. Berührend, zutiefst menschlich und voller Humor zählt dieser Roman zu meinen "literarischen Kleinoden", einem Juwel englischer Literatur und erhält ausser einer absoluten Leseempfehlung (vielleicht gab es - bestenfalls - in jedem Leben einen Lehrer, der Mr. Chips auf irgendeine Weise ähnelte?) auch 5* von mir.
Mr. Chipping, von seinen Schülern liebevoll „Chips“ genannt, ist mit Leib und Seele Lehrer. Brooksfield mag vielleicht nur ein durchschnittliches Jungeninternat sein, doch für Chips ist es sein Leben. Er erinnert sich noch an die Zeiten, als es keine Elektrizität an der Schule gab und ein „Lampenjunge“ sich um die Beleuchtung kümmerte. Tausende von Jungen hat er in seinem Leben unterrichtet. Manche hat er überlebt, weil der Krieg seine Opfer forderte. Seine Schüler verehren ihn, ganze Generationen lieben ihn. Sicher auch ein Verdienst seiner Frau Katherine. Denn versuchte er sich am Anfang seiner Berufslaufbahn mit einer Aura der Strenge zu umgeben hat es die lebensfrohe Katherine geschafft, seine humorvolle, warmherzige und milde Seite zum Vorschein zu bringen. Auch wenn Katherine viel zu früh verstarb, hat er diesen (ihren) Blick auf die Welt nie mehr verloren und so tausende junger Männer geprägt.
Für mich ist „Leb wohl Mr. Chips“ einfach zauberhaft. James Hilton hat 1934 ein wundervolles Buch geschaffen, zeitlos und eindringlich. Kein Wunder, dass die Geschichte mehrfach für Film, Theater und Radio adaptiert wurde. Mr. Chips zeigt, dass es keine großen Erfindungen, materiellen Reichtum oder schillernde Prominenz braucht, um das Leben von Menschen positiv zu beeinflussen. Es ist vielmehr der Respekt, die Wertschätzung und auch Warmherzigkeit und Humor, die andere prägen können. In unserer schnelllebigen Zeit ist „Leb wohl Mr. Chips“ für mich eine eindringliche Erinnerung gerade diesen Werten noch mehr Bedeutung einzuräumen.
Diese kleine Novelle ist ein echtes Lesevergnügen. Ich habe eine ältere Übersetzung gelesen und war begeistert. Die Neuübersetzung werde ich sicher ebenfalls lesen. Ein tolles Buch.
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