Warten auf den Regen.
von Gulan
Kurzmeinung: Starker Thriller mit toller südtexanischer Atmosphäre.
Rezension
Autor James Lee Burke ist so etwas wie der große, alte Mann der amerikanischen Kriminalliteratur. Er ist beinahe 80 und veröffentlichte zahlreiche erfolgreiche Krimis und Thriller. „Regengötter“ erschien 2009 im Original und letztes Jahr auf Deutsch. Das Buch wurde von mehreren namhaften Krimi-Rezensenten zum Krimi des Jahres 2014 gekürt.
Der Zeuge: Pete Flores. Ein Loser-Typ. Sein Trauma: Als Soldat im Irak schwer verwundet, seitdem hindert ihn seine posttraumatische Belastungsstörung an einem geregelten (Arbeits-)Leben. Er ist zufällig für die Entführung der Asiatinnen engagiert worden. Vor deren Ermordung hat er sich aus dem Staub gemacht, aber aufgrund von Schuldgefühlen anonym die Polizei informiert. Nun ist er auf der Flucht vor seinen Komplizen und dem FBI (beides zurecht). Begleitet wird er von seiner hübschen und taffen Freundin Vikki Geddis.
Der Sheriff: Hackberry Holland. Ein Kauz. Sein Trauma: Kriegsgefangener und Folteropfer im Koreakrieg. Er hat in seinem langen Leben schon einiges erlebt und oft über die Stränge geschlagen. In seiner zweiten Ehe hat er dann die Kurve bekommen und arbeitete unter anderem als Bürgerrechtsanwalt. Er ist schon über dem Rentenalter, aber immer noch bereit, für Gerechtigkeit einzustehen, notfalls auch ohne Zuständigkeit und unter Dehnung des Rechts.
Der Killer: „Preacher“ Jack Collins. Ein „moderater“ Psychopath. Er ist ein echter Profikiller, vor dem auch die Kollegen großen Respekt haben, aber durchaus für empathische Überraschungen gut. Er ist tief christlich geprägt, fast ein Fundamentalist. Dadurch leitet er für sich ab, auch seine Auftraggeber zu hinterfragen, was im Laufe des Thrillers zu blutigen Konfrontationen führen wird.
Daneben tauchen weitere Charaktere entscheidend auf, unter anderem der Nachtclubbesitzer und Familienvater Nick Dolan, der Agent Isaac Clawson von der Zoll- und Einwanderungsbehörde, Hollands Deputy und Umwerbende Pam Tibbs oder Preachers „Kollege“ und Zylinderträger Bobby Lee Motree.
Burkes Schreibstil ist wirklich hervorragend. Ruhige, atmosphärische Szenen wechseln mit dichter, packender Spannung. Bestechend vor allem seine sorgfältigen Figurenzeichnungen, bei der er schwarz-weiß-Malerei weitgehend gekonnt vermeidet, daneben die messerscharfen Dialoge und die herausragende Beschreibung der Atmosphäre, insbesondere der Natur und des Wetters. Trotz teilweise düsterer Grundstimmung und vielen Toten im Laufe des Werks, würde man mit dem Label „noir“ dem Thriller nicht ganz gerecht, denn dafür gibt es auch zu viele Momente des Optimismus. Ein wenig kritisieren möchte ich, dass Burke in der zweiten Hälfte des Buches die Handlung doch zu sehr dehnt. Hier wäre meines Erachtens ein wenig mehr Geradlinigkeit besser gewesen.
Ein überzeugender Thriller mit intelligenter Story, starken Charakteren und toller südtexanischer Atmosphäre. Einzig die vorhandenen Längen verhindern knapp die volle Punktzahl.