Rezension zu "Ausnahmezustand" von James Sturm
Inhalt:
In dem Comic erzählt uns ein Mann von einigen Alltagssituationen, die die Trennung von seiner Frau, den Umgang mit seinen Kindern und seinen Job als Handwerker betreffen. Eingebettet sind alle Situationen in die Wahl von 2016.
Das Besondere:
Besonders auffällig für mich ist, dass die erzählenden Texte teilweise bewusst nicht zu der dargestellten Szenen passen. So als wären die Zeichnungen Beobachtungen eines objektiven Dritten und die Erzähltexte über den Zeichnungen die subjektive Darstellung des Erzählers. Da ich nicht oft Comics lese, weiß ich nicht, ob diese Stilmittel häufig verwendet wird. Für mich ist dieser Stil jedenfalls etwas ganz Besonderes und Spannendes gewesen.
Spannung:
Es handelt sich nicht um eine klassische Geschichte mit aufregenden Zielen, Wendepunkten und Finale, sondern eher um einen Blick in den Alltag in Form von einigen kleinen Geschichten. Etwas Spannung wird an zwei, drei Stellen aufgebaut, in dem nur angedeutet wird, was gerade passiert, damit es später noch aufgelöst werden kann. Das war für meinen Geschmack etwas künstlich und auch nicht wirklich notwendig. Ich wollte auch so mehr über die Figuren herausfinden und weiterlesen.
Farben:
Die Zeichnungen sind in Grautönen gehalten. Das passt auch zum Protagonisten, seinem Verhalten und seiner Erzählweise. Es ist alles etwas leidenschaftslos. (Nicht falsch verstehen: James Sturm, hat die Geschichte mit Sicherheit mit viel Leidenschaft ausgearbeitet.) Mark ist kein klassischer Protagonist, der energisch ein Ziel verfolgt (hier wären Ehe kitten, bessere Beziehung zu seinen Kindern oder beruflicher Erfolg passend gewesen). Stattdessen scheint er müde zu sein und überall irgendwie durchkommen zu wollen. Es ist nicht so, dass ihm alles egal wäre, aber ihm fehlen Idealismus und Leidenschaft. Am Anfang hat mir das Knallige, Laute, Bunte gefehlt, weil das sonst einfach meine Welt ist. Aber es passt wirklich wunderbar, zu den Charakteren, zu der Gesellschaftsschicht, zu allem.
Mein Gesamt-Eindruck:
Mir hat es gefallen. Ich habe das Gefühl einen kleinen, ehrlichen Einblick in eine Familie und in Amerika zu bekommen. Natürlich ein subjektiver Einblick, den ich nicht verallgemeinern möchte. Aufgelockert wurde das ganze durch kleine ironische Anmerkungen und Augenzwinkern.
Empfehlung:
Ich gebe eine Leseempfehlung und möchte sie ausnahmsweise kaum eingrenzen. Du musst kein Comic-Fan sein oder Literatur über Amerika sammeln. Es hilft allerdings zu wissen, wer vor vier Jahren Protagonisten im Wahlkampf waren und wie das Wahlsystem gesellschaftlich in den USA grob funktioniert. Aber es war ja quasi unmöglich, die Grundlagen nicht mitzukriegen. ;)