Rezension zu "Die Feuerschneise" von James Tiptree
Es ist schon Jahre her, dass ich "Die Feuerschneise" in die Hände bekam. Eines dieser Bücher, die nach nix aussehen (bzw. mit einem völlig irreführenden Cover versehen wurden, das kaum Bezug zur Handlung hat) und mich dann positiv überraschen. Hier aus dem Langzeitgedächtnis mein Eindruck:
Während parapsychologischer Experimente kommt es auf einem Militärgelände zum Kontakt mit Außerirdischen. Die Teilnehmer der Experimente sind Zivilisten, die Leitung/Aufsicht haben Militärs. Der Protagonist ist ein vom Leben frustrierter, impotenter Pillen-Junky. Im Zuge der Experimente wird er zur Haupt-Kontaktperson zu den Außerirdischen, genauer: zu ihrer weiblichen (?) Vertreterin. Mit Fragezeichen deshalb, weil die Aliens hier wirkliche Aliens sind, keine verkappten Humanoiden mit Hornplatten auf der Stirn. Es sind völlig fremde, telepathisch begabte Wesen, die ich mir ein wenig wie Meeresrochen vorgestellt habe. Sie haben ein vitales Interesse an dem Kontakt mit Menschen, weil ihre eigene Welt bedroht ist oder bereits zerstört wurde. Jetzt suchen sie eine neue Bleibe.
Mittels ihrer telepathischen Fähigkeiten können sie den Geist eines Menschen verdrängen & dessen Körper übernehmen, während der menschliche Geist derweil in einen anderen Organismus fährt, in ein Tier etwa, konkret im Text: in einen Hund. Oder der menschliche Geist wechselt umgekehrt in den Körper des Aliens. Auch und vor allem das geschieht im Verlauf der Story – nämlich mit dem Protagonisten. Er findet sich als Weltall-Rochen wieder. Und plötzlich hat er erneut Freude am Leben. Z. B. funktioniert sein Sexualtrieb wieder, woraufhin er sogleich mit o. g. weiblichem Alien anbändelt. Auch hier überzeugt mich der Text mit seinen originellen Einfällen. Wo beim Menschen die lustvolle Begegnung von Nähe lebt, "polarisieren" die Aliens, sie stoßen einander ab – je weiter, desto lustvoller.
Auch, wenn ich ihn hier hervorhebe, spielt der sexuelle Aspekt gleichwohl nur eine Nebenrolle. Er soll lediglich als Beispiel für den erfrischenden Einfallsreichtum der Autorin dienen, die hinter dem Pseudonym steht. Überhaupt setzt der Text nicht auf billige Schauwerte, sei es Action, Sex oder sonstige reißerische Spannendmacher. Vielmehr werden hier originelle Szenen packend herauserzählt.
Die Meta-Story – die Bedrohung des Alienvolks – war fürs Gesamtverständnis von Bedeutung, für mich beim Lesen aber eher zweitrangig. Was das Buch für mich auszeichnet, sind die Ideen im Bezug auf die Skizzierung der Alienrasse sowie die Beziehung zwischen dem Prota und seinem außerirdischen Counterpart.
Gerade, weil ich in letzter Zeit stets gelangweilt aus SF-Blockbustern wie Star Wars Episode XY oder Star Trek Neuaufguss Z komme, erinnere ich mich gerne an diesen Titel, der mir das geboten hat, was viele akutelle Genrebeiträge nicht schaffen: etwas Neues.