Rezension zu "Outlaw Nation 1 - Das Ende" von Jamie Delano
STORY
William „Story“ Johnson, Groschenheftschreiber, Charmeur und Familienmitglied der beinahe unsterblichen Johnsons, gilt seit dem Vietnamkrieg, nach einem Sturz aus einem Hubschrauber, als tot. In Wahrheit hat ihn ein vietnamesisches Mädchen gerettet und 25 Jahre in der Abgeschiedenheit mit ihm gelebt. Nachdem „War-Baby“ Opfer einer Tretmine wurde, kehrt Story nach Amerika zurück. Gerade angekommen wird er in Miami überfallen und verliert sein Gedächtnis. Zuerst kann er sich nur noch an seine halb-autobiografischen Westernromane um „Bad News“ Johnson erinnern, doch nach und nach, während er sich auf einem aberwitzigen Road-Trip befindet, kehrt seine Erinnerung zurück.
Ohne, dass sich Story dessen bewusst ist, ist ihm sein Halbbruder Evelyn „Kid Gloves“ schon längst auf den Fersen, um den Totgeglaubten endgültig das Licht auszublasen.
Zur gleichen Zeit befindet sich auch Storys Sohn Sundance „Sonny“ Johnson auf die Suche nach „The Place“, dem beinahe mystischen Heimatort aller Johnsons. Auch dort hat man bereits von Storys „Wiederauferstehung“ erfahren. Doch nicht alle Johnsons sind darüber erfreut, den verlorenen Sohn bald wieder in die Arme schließen zu können, da sein Vater als „Verräter“ innerhalb der Familie gilt.
MEINUNG
Mit „Outlaw Nation“ hat der kleine Dantes Verlag eine Serie nach Deutschland geholt, die vielleicht um den Jahrtausendwechsel bei Speed Comics erschienen wäre. Überhaupt ist der Dantes Verlag dabei, diese Nische nicht-massenauglicher Erwachsenencomics sehr gut zu füllen (Stichworte: Warren Ellis, Avatar Press). Einiges aus dem früheren Speed-Programm hat hier bereits seine Wiedergeburt und sogar Fortsetzung erlebt.
„Outlaw Nation 1: Das Ende“ enthält einen Prolog und die Ausgaben 1 – 7 der Serie. Zunächst fällt es zugegebenermaßen nicht leicht, in diese abgefahrene Story hineinzukommen, die noch dazu ständig den Schauplatz und die Zeit wechselt. Ab Nummer 2 allerdings, wenn man die Personen kennt und die grundlegenden Zusammenhänge begriffen hat,
Außerdem legt die Erzählung ab hier auch einen treibenden Rhythmus, gepaart mit skurrilen Storyentwicklungen vor, die einen förmlich zum Weiterlesen zwingen. Immer vorausgesetzt, dass man mit den abgedrehten Elementen und den reichlich unkonventionellen Figuren klarkommt, die die Seiten dieser speziellen Familiensaga bevölkern. Ganz allgemein hat man es mit einigen ziemlich abgefuckten Typen zu tun, die speziellen sexuellen Vorlieben frönen oder ihr Leben auf unappetitliche Art verlängern, so dass die Altersempfehlung ab 18 durchaus gerechtfertigt ist. Warren Ellis-Fans werden daran ihren Spaß haben.
Dennoch wäre es ein Fehler, „Outlaw Nation“ nur auf Provokation zu reduzieren. Dazu ist die Geschichte viel zu planvoll und in sich stringent erzählt. Autor Jamie Delano (u.a. „Hellblazer“) hat hier wirklich ein außergewöhnliches Werk geschaffen, roh erzählt und bis in die Kleinigkeiten durchdacht.
Große Anerkennung gebührt auch dem Übersetzer, der keine leichte Aufgabe hatte, diese mit Mehrdeutigkeiten gespickte Story ins Deutsche zu übertragen. In zahlreichen Fußnoten und einem Anhang geht er auf einige Besonderheiten ein, die dem Leser die Komplexität von „Outlaw Nation“ noch einmal vor Augen führen und auch auf die popkulturellen Anspielungen eingeht.
FAZIT
Reichlich abgedrehte Familiensaga, grandios erzählt aber ungeeignet für zarte Gemüter.