Cover des Buches Die chinesische Sängerin (ISBN: 9783827011848)
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Rezension zu Die chinesische Sängerin von Jamie Ford

Mütter und Kinder in schwierigen Zeiten

von klaraelisa vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Ein Roman über eine innige Mutterliebe.

Rezension

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klaraelisavor 10 Jahren

„Die chinesische Sängerin“, der zweite Roman des Bestsellerautors Jamie Ford, spielt in Seattle vor dem Hintergrund der Großen Depression. Der 12jährige Protagonist William Eng, ein amerikanischer Junge chinesischer Abstammung, lebt seit fünf Jahren im christlichen Sacred-Heart-Waisenhaus. Dort werden den Jungen nachts die Hände an den Bettgestellen festgebunden, und morgens weckt sie das schnappende Klatschen des Ledergürtels von Schwester Briganti. Es ist ein schweres Leben an diesem einsamen Ort, und William weiß, dass dieses prächtige Haus in Wirklichkeit ein gütiges, liebevolles, blumengeschmücktes Gefängnis ist. (S. 26) Am 28. September 1934 ist sein Geburtstag, oder vielmehr der Geburtstag aller Jungen. Die Mädchen feiern ihren kollektiven Geburtstag am 15. Juli, so haben es die Nonnen festgelegt. Zur Feier des Tages gibt es eine Straßenbahnfahrt zum historischen Moore Theatre und ein Fünf-Cent-Stück für Süßigkeiten. Im Kino angekommen, streift William durch das Foyer. Er hat Sehnsucht nach seiner Mutter, die sich früher mit ihm immer alte Filmdramen und Stummfilme in zweitklassigen Kinos angesehen hatte. Bevor der Film „Pioniere des Wilden Westens“ anläuft, wird in der Vorschau die Fox-Movietone-Revue mit der chinesischen Sängerin Willow Frost vorgestellt. Für William steht fest, dass diese Frau seine Mutter ist. Früher war sie in Chinatown als Liu Song bekannt, und er hatte sie immer Ah-Ma genannt. All die Jahre glaubte William sie wäre tot. Er hatte gelitten und getrauert. Sie war am Leben und hatte ihn zurückgelassen wie einen streunenden Hund. Nach all den schweren Jahren muss er sie finden. Die Movietone Players gastieren im 5th Avenue Theatre und wenig später flieht er mit Charlotte, seiner besten Freundin, aus dem Waisenhaus. „Ein glückliches Ende, das war alles, was er sich wünschte.“ (S.65)

Jamie Ford erzählt in seinem Roman eine berührende Mutter-Sohn-Geschichte. Sie beginnt im Jahr 1934, als William sich auf die Suche nach seiner Mutter macht. Die anderen Kinder, mit denen er im Waisenhaus lebt, haben eine ähnliche Vergangenheit wie er. Und nicht alle sind Waisen, hoffen darauf, irgendwann wieder nach Hause zurückzukehren. Manche Eltern halten Wort. „Manche Versprechen sind aber schwieriger einzulösen als andere.“ (S. 395) Williams einzige Freunde sind die blinde Charlotte Rigg und der Indianerjunge Sunny Sixkiller. Dieser hat sich mit dem Leben im Waisenhaus abgefunden. Charlotte hingegen will bzw. wird auf keinen Fall mehr zu ihrem Vater zurückkehren. In einem zweiten Erzählstrang beschreibt der Autor das Leben von Liu Song. 1921 verdient sich die damals 17jährige nach der Schule als Werbesängerin in Butterfields Musikgeschäft etwas Geld dazu. Sie hatte ihre wunderschöne Stimme von ihrem verstorbenen Vater geerbt, einem Star der kantonesischen Oper. Als Liu Songs Mutter, die in zweiter Ehe mit einem Geschäftsmann verheiratet ist, stirbt, wird Liu Song den Verdacht nicht los, dass dieser ihre Mutter umgebracht hat. Mit einer ausgeklügelten Idee vertreibt sie ihn und seine Zweitfrau aus dem Haus. Wenig später kommt William zur Welt. Jamie Ford erzählt weiter über die Folgen der Spanischen Grippe, die unendlich viele Familien auseinander riss, den Börsenkrach von 1929, die Entwicklung der aufstrebenden Filmindustrie, überhaupt die rasante Entwicklung des technischen Fortschritts und den schwierigen Aufstieg Liu Songs zur begnadeten Künstlerin Willow Frost. Ein sehr einfühlsamer Roman, der die Zeitgeschichte und die gesellschaftlichen Hintergründe in Seattle gut beschreibt. Ein Roman über innige Mutterliebe und einen Jungen, der an die Liebe seiner Mutter glaubt, über sexuellen Missbrauch, das schwierige Leben chinesischer Einwanderer in Amerika, die Not und das große Elend der Großen Depression. Besonders gut hat mir gefallen, wie der Autor dem Leser durch kursiv gesetzte Passagen die Gedanken der Protagonisten näher bringt. Ich habe den Roman gerne gelesen.

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