Rezension zu "Ungeziefer" von Carolin Gmyrek
In unserem realen Leben, aber auch in der Literatur ist es allzeit präsent. Käfer, Fliegen, Ratten, das viel beschworene Ungeziefer – mal als lästige Plage, die den Menschen daran erinnern, sein Heim in Ordnung zu halten, aber auch als Sinnbild für Chaos und Zerfall. Grund genug, um Autoren herauszufordern, ihre Ideen zu diesen lästigen Viechern in Worte zu fassen, egal in welchen Genre, So ist auch das Konzept der Anthologie „Ungeziefer“ nicht nur für Horror-Geschichten offen, auch wenn das Thema selbst die Nähe zum Grusel geradezu fordert.
Klappentext:
Es krabbelt und fleucht, es knistert und wispert. Zwischen den Wänden und in den Schatten, in den Rohren und im Finstren. Dort im Dunkeln leben sie. Hin- und hergerissen zwischen Leben und Tod schaffen sie als Einzige uns Menschen gleichzeitig zu ekeln und zu faszinieren. Manche mit vier, manche mit acht Beinen, gepanzert, mit Fell oder Schuppen. Schon allein das leise Knacken ihrer Glieder lässt uns einen Schauer über den Rücken laufen.
Es ranken sich viele Mythen und Legenden um sie: Um Maden und Kakerlaken, Ratten, Mäuse, Spinnen, Fliegen, Pilze, Schlangen und Schrecken, Kröten und Würmer und jegliches andere Geziefer, das es in unsere Albträume verschlägt. In keiner Horrorgeschichte darf das verräterische Schwirren von Fliegen fehlen, in keinem dunklen Haus die dünnen Fäden von Spinnennetzen.
In dieser Anthologie werden diese unverzichtbaren Nebendarsteller zum Mittelpunkt der 23 Geschichten.
Mit Geschichten von Karl-Heinz Witzko, Jens Schumacher und vielen anderen, sowie einem Fachartikel von Dr. Mark Benecke.
Inhalt:
Vierundzwanzig Geschichten und einen Artikel von Dr. Mark Benecke FLS vereint Carolin Gmyrek als Herausgeberin unter dem Buchdeckel. Letzterer ist zwar sehr schwer verständlich, gibt aber auch einmal einen Einblick in die nüchterne Fachsprache der Forensiker, die sich mit Fliegen und Maden beschäftigen um so mehr über die Leichen zu erfahren.
„Das Tor im Park“ eröffnet den Reigen der phantastischen Erzählungen um Käfer und Spinnen, Ratten und Maden. Wie so oft sind es die Außenseiter der Gesellschaft und ein paar Jugendliche, die ihre Nase zu tief in rätselhafte Angelegenheiten stecken, etwas, was sie besser nicht hätten tun sollen. Die Brüder eines geheimen Ordens sind damit beschäftigt, übernatürliche Kreaturen auszuschalten, Nun entdecken sie seltsame Spuren, die nur auf eines hindeuten, doch das scheint unmöglich, denn die letzte „Schwarze Witwe“ ist vor mehr als zwanzig Jahren getötet worden, oder? Ein junges Liebespaar im Wald sucht ein lauschiges Plätzchen für ihre Zweisamkeit, aber auch einige Hexen haben noch ein Wörtchen mitzureden. Dann ist da der einsam und verlassen lebende Martin, der sich mit ein paar Fliegen anfreundet, nachdem er feststellt, dass er sich mit ihnen unterhalten kann. Etwas, was allerdings seiner Gesundheit nicht gerade zuträglich ist. Ob nun Forscher, die es in der Dressur von Kraken zu weit treiben, ein Geschwisterpaar, das im Schatten einer monströsen Göttin lebt, oder Ratten, die ihren Weg finden, über die Menschen zu herrschen … das alles sind letztendlich Geschichten, die mal in der Vergangenheit oder auf fremden Welten spielen und doch eines gemeinsam haben – das Grauen, dass den Leser befällt, je tiefer er in die Handlung eintaucht.
Die Erzählungen sind düster, oft makaber, warten nur selten mit einem Hoffnungsschimmer auf, so wie man es im Prinzip von Geschichten, die dem Horror zugeneigt sind, auch erwarten. Der Mensch ist immer mit dabei, wird oft genug zum Opfer und darf nur selten der Jäger sein. Dennoch bietet die Anthologie eine gute und ausgewogene Mischung, denn selbst wenn Autoren ähnliche Themen gewählt haben, so wissen sie diese doch auf ganz eigene Art und Weise zu interpretieren, gerade wenn sie in zwei Geschichten, Frauen mit Spinnen in Verbindung bringen.
Bittersüß, makaber auch irgendwie niedlich ist die Geschichte „Der heilige Martin der Fliegen“, in der ein einsamer junger Mann endlich Freunde findet, wenn auch um den Preis seines eigenen Lebens. Aber die Naivität der Erzählung gibt dem Geschehen eine ganz besondere Note, die sich entsprechend einprägt.
Der Artikel von Dr. Mark Benecke hingegen ist eher interessant als aussagekräftig, denn am Ende weiß man nicht so wirklich, was eigentlich damit ausgesagt wurde und was man letztendlich damit anfangen soll. Er erzeugt auch keine Bilder im Kopf so wie die fiktionalen Texte.
Letztendlich finden Leser in der Vielzahl der Werke sicherlich ihre Favoriten. Denn auf der einen Seite gibt es Fantasy-Erzählungen, die den abenteuerlichen Aspekt des Themas in den Mittelpunkt stellen – den Kampf gegen das Ungeziefer, dann wieder düstere Momentaufnahmen, in denen der Horror sich mal plakativ, dann wieder leise und in Andeutungen einschleicht, und nicht zuletzt die ein oder andere Geschichte, in der der Humor nicht zu kurz kommt, und man trotz des mulmigen Gefühls im Magen, schmunzeln muss.
Am Ende bleiben jedenfalls eine Vielzahl von Eindrücken im Kopf zurück – je nach Geschmack prägen sich einige Geschichten deutlich ein und wirken noch eine Weile nach, so wie es sein soll.
Mein Fazit:
Alles in allem ist „Ungeziefer“ eine Sammlung, die sich sehen lassen kann, bietet sie doch eine bunte und abwechslungsreiche Palette von Erzählungen zum Thema, die niemals langweilig wird und für jeden Leser sicherlich mehr als nur ein Highlight bietet, dass er nach der Lektüre nicht so schnell vergessen wird. Auf jeden Fall öffnet sie den Blick auf das ganze Gekrabbel um uns herum und lässt uns die Welt mit anderen Augen sehen.
Meine Wertung:
4,5 von 5 Würfel