1) Wie lange schreibst Du schon und wie und wann kam es zur Veröffentlichung Deines ersten Buches?
1985/2000 - klingt wie das Best-of-Album einer Boyband, ich weiss. Werbung: Im Buch "Erstlingsgeschichten" der Literaturwissenschaftlerin Uta Graßhoff gibt es eine Story zu "Staring at the Sun" und meinen verwickelten Start ins Autorenleben. Klassischer Sportlergestus: Als ich meine erste wichtige Medaille gewonnen hatte, nahm ich an, dass der Olympiasieg über 800 Meter nur eine Frage der Zeit ist. Nach dem ersten Buch war ich sicher: Der Nobelpreis wartet, irgendwo da draußen. Mehr habe ich mit Martin Walser aber nicht gemeinsam.
2) Welcher Autor inspiriert und beeindruckt Dich selbst?
Vor ein paar Monaten traf ich in der Karnevalsstadt Köln Mark Z. Danielewski, der einen Vortrag zum Thema "Becoming Animals" hielt - selbstverständlich hatte das überhaupt nichts mit der fünften Jahreszeit zu tun. Mark Z. Danielewski trug ein Katzen-T-Shirt (seine Lieblingstiere) und als wir uns einen Tag später im Wallraf-Richartz-Museum trafen (mit neuem Katzen-T-Shirt), erzählte er begeistert, dass er in der Nacht zuvor einen KATZENsprung entfernt im King Georg gesoffen und nun einen KATER habe und dass er die deutsche Sprache nun umso mehr lieben würde. Dann erzählte er, wie es ist, als Schriftsteller im Vorprogramm von Depeche Mode aufzutreten, vor 50.000 Zuschauern und weshalb er Derrida-Fan ist, warum man das Prinzip Hoffnung aufgegeben werden muss und wieso in seinem Gewaltwerk "Das Haus - House of Leaves" die Innenräume größer als die Außenmaße sein können... Diese Kombi "Pop/Wahnsinn" hat etwas sehr Anziehendes für mich. Deshalb: Mark Z. Danielewski. Aber auch: Else Lasker-Schüler ("Mein Herz - Niemandem"), Gottfried von Straßburg ("Tristan), Mutanten-Schriftsteller Dietmar Dath und, wegen des Stils (allumfassend) - Ferdinand von Schirach.
3) Woher bekommst Du die Ideen für Deine Bücher?
Kleine Kinder und Köche erfahren die Welt über ihre Geschmacksknospen. Musiker brauchen Geräusche, um sich zu orientieren, wie Blinde beinahe - das sieht man sehr schön in "Berlin Calling", wenn Paul Kalkbrenner sein iPhone-Mikro an die schließende U-Bahn-Tür hält und den Quittungston aufzeichnet, um später einen Loop daraus zu basteln. Und schreibende Menschen, wenn sie so ticken wie ich, codieren und de-codieren ihre Welt über Sprache. Ich habe also eine Medium. Den Inhalt gibt das echte, richtige, das wahre Leben vor.
4) Wie hältst Du Kontakt zu Deinen Lesern?
Wenn mich jemand anspricht und sagt, er habe ein Buch von mir gelesen, sage ich oft: "Ach Du warst der Käufer." Das klingt flapsig, beinhaltet aber die Sehnsucht, jeden einzelnen Leser kennen zu können - oder kennenlernen zu dürfen. Das ist leider / selbstverständlich nicht so. Ich bin hier, bei Lovelybooks, ich bin bei Facebook, man kann mich finden und anschreiben - und dann schreibe ich zurück. Unmittelbaren Kontakt gibt es nur bei Lesungen, wenn wir alle gemeinsam bei den King Kong Kicks-Parties feiern
5) Wann und was liest Du selbst?
Ich lese täglich. Das ist mein Beruf. Ich bespreche Bücher im Radio und lese deshalb alles durcheinander. Dieses Jahr unter anderem: Dirk Kurbjuweit, Stéphane Hessel, Hort Evers, Colson Whitehead, Benjamin Tllig, Sven Regener, Jonathan Lethem, Peggy Mädler, Susanne Heinrich, Marc Schweska und und und. Während des Lanzarote-Urlaubs im Winter: "Die Jahrestage" von Uwe Johnson. Bald: Hartmut Lange und dazu Heidegger. Die Mischung ist (wie beim Mixtape) durchblutungsfördernd.
6) Welches Buch hättest Du gern selbst geschrieben und wie würde es dann enden?
Den "Zauberberg" und ich hätte es enden lassen wie Hedi Kaddour, der 2009 Thomas Mann in seinem Buch "Waltenberg" genial weitergeschrieben hat - mit Hans Castorp als Geheimagent und einem Hubschrauberlandeplatz über Davos.
7) 'Kassettendeck' ist eine Hommage an die Musikkassette. Wie viele Kassetten hast Du selbst noch im Schrank und welche davon ist dein größter Schatz?
Ich besitze ca. 400 Kassetten, aber verstreut - Kinderhörspiele (TKKG, Die drei ???) bei allen kleinen Verwandten. In den vergangenen Wochen habe ich viele Mixtapes verschenkt: Auch meinen größten Schatz: Das "Hamburg Tape" der Beatles, übergeben bei der 1LIVE Klubbing-Sendung in Köln an Moderator Mike Litt.
8) Welche Songs wären auf dem Mixtape deines Lebens?
Es ist die gleiche Liste wie in unserem Buch "Kassettendeck":
Movin' on - Blur / Was hat dich bloß so ruiniert - Die Sterne / Grace - Robbie Williams / Railing - Reprazent & Roni Size / Sleep Deprivation - Simian Mobile Disco / Beautiful Day without you - Röyksopp / Useless - Depeche Mode (Kruder & Dorfmeister RMX) / One Life Stand - Hot Chip / Kelly watch the Stars - Air / Kontact me - Boys Noize / Felt Mountain - Goldfrapp / It doesn't matter - The Chemical Brothers
10) Du hast das Schlusswort - was wolltest du der Welt da draußen schon immer mal sagen?
Fuck forever! Es hilft.
9) Wie passen Musik und Literatur für dich zusammen?
Das ist ein altes Thema - wir sind wieder beim "Zauberberg" und bei Wagner, dem Thomas Mann das Leitmotivprinzip abgeschaut hat. Aber auch bei Nick Hornby und Pop, Haruki Murakami und Jazz, bei Rainald Goetz' "Rave" und bei Punk, NDW mit "Der große Hirnriss" von Peter Glaser und Niklas Stiller. Es fängt irgendwo an mit dem Metrum im antiken Griechenland, mit Lyrik und Lyra (Leier), mit Schumanns Heine-Vertonungen, der Lautpoesie, Dada, Futurismus, Surrealismus und natürlich Hubert Fichtes Star-Club-Auftritt 1966 mit Ian & The Zodiacs - es ist uferlos. Es passt, auch bei unseren "Karaoke-Lesungen", wenn DJ Christian Vorbau Beats unter den Romanteil vom "Kassettendeck" legt und ich live lese, vom Bildschirm, wenn das Karaoke-Programm meinen Text im Takt zerstückelt präsentiert und eine Geschichte, die im Stillen und Hellen geschrieben wurde, plötzlich, im Lauten und Dunklen partytauglich ist.