Rezension zu "Gefährliche Lieder, m. Audio-CD" von Jan Krauthäuser
In der Flut der Neuerscheinungen gibt es immer wieder Bücher, die herausstechen, weil sie etwas ganz Besonderes sind. Dieses Buch gehört definitiv dazu.
Widerstand in der NS-Zeit, davon haben wir schon einiges gehört. Stauffenberg ist spätestens seit dem Film von Tom Cruise wirklich jedem ein Begriff, auch die Weiße Rose ist bekannt. Über den politischen Widerstand sind wir ganz gut informiert.
Weniger gut informiert sind wir über den Alltag der Jugendlichen in der NS-Zeit. Aber die waren dem Regime ja auch besonders ausgeliefert, wurden in HJ und BDM der nationalsozialistischen Gehirnwäsche unterzogen, waren also brav, angepasst und uninteressant.
Oder?
Nein, nicht alle. Es gab auch in der NS-Zeit freiheitsliebende Jugendliche, die sich nicht gleichschalten ließen. Jugendliche, die den Nazis ein Dorn im Auge waren und daher von Verhaftung und KZ bedroht waren.
Ihr Verbrechen: Wandern und Singen. Wandern, wohin sie wollten und nicht im Gleichschritt. Singen von Freiheit und anderen Ländern. Darauf bestehen, dass die Gedanken frei sind. Der Wille, die Jugend zu genießen.
Denkbar harmlos also, auch gar nicht als Widerstand gemeint, aber das NS-Regime hat die Wandergruppen der bündischen Jugend verboten und die Jugendlichen kriminalisiert. Auch die Lieder wurden verboten. Das ist für uns heute kaum vorstellbar: Lieder sind gefährlich, wer sie singt, ist kriminell. Aber Freiheit jeder Art, auch Gedankenfreiheit, war im NS-Reich nicht erwünscht.
„Gefährliche Lieder“ füllt also eine Lücke in unserem Geschichtswissen und das auf ganz hervorragende Weise.
Porträts einiger dieser damaligen Jugendlichen, Noten und Texte der Lieder, Erläuterungen zu Entstehen und Hintergrund der Lieder und viele Fotos lassen die damalige Zeit und den Alltag der unangepassten Jugendlichen lebendig werden. Ergänzt wird dies durch eine berührende CD, auf der die Zeitzeugen selbst erzählen und die alten Lieder noch einmal singen.
Ich wünsche diesem Buch viele Leser. Vor allem aber wünsche ich mir, dass es in Schulen eingesetzt wird, um durch die lebendige Art der Darstellung das Interesse an dem so völlig unvorstellbar anderen Alltag der damaligen Jugendlichen zu wecken. Und damit auch das Interesse an Zeitgeschichte.