Cover des Buches Die Verteidigung des Menschen (ISBN: 9783644112919)
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Rezension zu Die Verteidigung des Menschen von Jan Roß

Rezension zu "Die Verteidigung des Menschen: Warum Gott gebraucht wird" von Jan Roß

von WinfriedStanzick vor 11 Jahren

Rezension

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WinfriedStanzickvor 11 Jahren
Schon seit vielen Jahren ist Jan Roß als Journalist der ZEIT einer großen Zahl von Lesern bekannt als ein differenzierter, gleichwohl sehr engagierter Kritiker und Verfechter der Religion in ihrer jüdisch-christlichen Tradition. In einer Zeit, in der auf der einen Seite von der Wiederkehr der Religion gesprochen wird, und auf der anderen Seite insbesondere den monotheistischen Religionen alle Übel der Welt vorgeworfen werden, legt Jan Roß mit diesem Buch eine Schrift vor, die zeigen will, dass die Religion ihrem Wesen nach keine Gefahr für den Menschen darstellt, sondern im Gegenteil ein Hort und eine Bastion der Humanität ist. „Die Suche nach Gott hat die kühnsten Gedanken inspiriert, die Ideen von Sünden, Ewigkeit und Gewissen haben unserem Selbstverständnis Tiefe gegeben.“ Ohne die Schattenseiten zu vernachlässigen (so beschreibt er etwa sehr ausführlich Jan Assmanns Kritik am Monotheismus), findet er in der Religion, d.h. in dem Glauben an einen Gott und dessen Gebote und Werte, eine Kraft, ohne die unser Leben ärmer, enger und kälter wäre. Es ist diese Tradition jüdisch-christlichen Ursprungs, der unsere Welt die Utopie von Brüderlichkeit und Gleichheit verdankt. Und es ist die gerade heute für viele Menschen so unverständlich gewordene Botschaft vom Kreuz Christi, die zum Widerspruch aufruft: „ Das Kreuz wird zu einem Zeichen des Widerspruchs - wieder zu einem Zeichen des Widerspruchs, denn so war es von Anfang an gedacht. Die Ohnmacht, die es darstellt und deren Würde es verteidigt, ist ihm inzwischen selbst zuteil geworden. Man darf sich jetzt ohne Scham dazu bekennen. Und wiederentdecken, dass Religion mitnichten automatisch die Ideologie einer heilen Welt und eine geistige Besitzurkunde für die Privilegierten ist.“ Es geht um die Verteidigung des Menschen. Dafür wird gerade heute Gott, dafür wird gerade heute die Religion gebraucht. In Form von Menschen, die glauben und ihr Leben danach ausrichten. Dabei sind Gläubige „keine besseren Menschen. Sie versagen v o r ihrem Glauben (indem sie schwach sind und seine Gebote nicht halten), und sie versagen d u r c h ihren Glauben (weil er sie zum Fanatismus und zum moralischen Hochmut verführen kann). Aber dass Gut und Böse keine Einbildung sind, sondern eine Realität, dass man nicht alles haben kann, sondern sich entscheiden muss, dass eine schwachsinnige Trinkerin, die ihr Kind zur Welt bringen will, ein Recht darauf hat, während der kluge Sozialplaner und Erbgutverbesserer, der es ihr versagen will, ein gottverdammter Narr ist, egal welche positiven Folgen für die Gesellschaftsentwicklung sich aus seinen Kalkülen ergeben, weil das Menschenleben heilig ist, heilig, heilig - das wird von keiner Instanz in der Welt, gegen die Welt so hochgehalten und verteidigt wie von der Religion. Das bleibt. Und es ist, nach unserer bescheidenen Erfahrung mit ein paar Jahrtausenden Menschheitsgeschichte, unersetzlich.“ Das Buch kann ich empfehlen für überzeugte Christen, weil es ihnen die Ambivalenz aufzeigt, und die Fehlentwicklungen, die ihre Religion in der Geschichte genommen hat und immer in der Gefahr ist, es wieder zu tun, aber auch, weil es sie ermutigen will, sich im Namen ihres Gottes und seiner Gebote bei allen eigenen Schwächen für die Menschen einzusetzen und ihre aus ihrer Gottebenbildlichkeit stammenden Würde. Und ich kann es empfehlen für alle, die, aus welchen Gründen auch immer, mit der Religion abgeschlossen zu haben glauben. Auch wenn es sie nicht unbedingt zum Glauben zurückführen will (Roß missioniert nicht), kann es doch ihr Verständnis stärken für die Religion als Quelle aller conditio humana, aller Ideen von Gleichheit und Gerechtigkeit, die man zwar in ihren Verirrungen kritisieren, nicht aber in Bausch und Bogen verdammen sollte. Gott wird gebraucht, weil der Mensch verteidigt werden muss.
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