Cover des Buches Das Licht und die Geräusche (ISBN: 9783423281089)
BluevanMeers avatar
Rezension zu Das Licht und die Geräusche von Jan Schomburg

Das Licht und die Geräusche

von BluevanMeer vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Solide, aber nicht so überzeugend wie erwartet.

Rezension

BluevanMeers avatar
BluevanMeervor 7 Jahren

"Hallig Hooge ist doch scheiße! Können wir nicht nach Barcelona?" (S.33)

In Das Licht und die Geräusche geht um drei Jugendliche. Boris, der aus Portugal nach Deutschland gezogen ist, Anna-Clara und Johanna, die Ich-Erzählerin. Johanna ist heimlich in Boris verliebt und Anna-Clara ist die zurückgelassene Freundin, die zunächst noch weit weg in Portugal ist. Aber es geht nicht nur um den Freundschafts-Verliebtheits-Eiertanz den Johanna regelmäßig um Boris herum aufführt. Sie muss sich eben mit der Situation des fünften Rad am Wagens abfinden, denn Boris liebt sie nicht und das ist für das Mädchen sehr schwer auszuhalten.

"Wenn ich Ana-Clara lieben kann, wenn ich etwas Liebenswertes an ihr entdecken kann, dann kann ich Boris weiter lieben. Wenn ich nichts finde, was sich lieben lässt, kann ich Boris nicht mehr lieben. So einfach ist das, sage ich mir." (S.16)

Es geht auch um eine gemeinsame Klassenfahrt nach Barcelona, auf der ein Mitschüler gemobbt wird. Johanna versucht die Situation zu verstehen, versucht zu verstehen, wer Opfer und wer Täter ist und gerät dabei in eine ziemlich ausweglose Situation. Immer wenn Johanna nicht weiter weiß, diskutiert sie mit Boris, denn der junge Mann scheint mehr Plan von den großen und wichtigen Themen zu haben. Der Roman bewegt sich recht sprunghaft hin und her, aber spätestens als Boris in angeheitertem Zustand auf einer Party in "irgendeinem Reihenhauskeller" mit Johanna ernsthaft versucht zu diskutieren, was denn nun Gründe sind, die gegen einen Suizid sprechen und Johanna spontan nichts tiefsinnigeres als "Das Licht und die Geräusche" einfällt, gewinnt die Handlung Kontur.

Kurz darauf ist Boris verschwunden. Ein Abschiedsbrief, in dem Boris andeutet, dass er nicht mehr in der Lage ist, "das Licht und die Geräusche" wahrzunehmen, versetzt Johanna, Anna-Clara und die Eltern des Jungen in Aufruhe. Gemeinsam macht sich das Quartett auf, Boris auf Island wiederzufinden.

Der Stil des Romans ist filmisch. Es geht um kurze Szenen, sequenzartige Eindrücke, das, was Johanna als "Licht und Geräusche" beschreibt. Auch wenn der Stil irgendwie unterhaltsam artifiziell daherkommt, frage ich mich, ob Jugendliche wirklich eine so minimal funktionierende Aufmerksamkeitsspanne haben. Gleichzeitig gibt es diese Momente im Roman, die einfach nicht aufgelöst werden. Ein Mann gräbt Johanna auf der Straße an, sie ist allein, die Situation potenziell gefährlich, das gleiche wiederholt sich, als die Jugendlichen mit einem Auto per Anhalter fahren - aber Johanna scheint die Gefahr nicht zu erkennen. Ich bin mir nicht sicher, ob es nur mir so geht, aber an manchen Stellen kann ich nicht glauben, dass sich Jan Schomburg viele Gedanken darüber gemacht hat, dass seine Hauptprotagonistin eben eine junge Frau ist und kein Holden Caulfield. Gleichzeitig werden viele Themen sehr sensibel verhandelt. Mobbing, Homosexualität, Machtdemonstrationen.

„Ich kann nur verlieren, wenn ich jetzt etwas sage. Und das liegt daran, dass ich eigentlich verstehen müsste, was gerade passiert. Zumindest habe ich das Gefühl, dass Boris voraussetzt, dass ich Bescheid weiß. Und obwohl ich überhaupt nicht Bescheid weiß, sage ich lieber nichts, damit wenigstens die Möglichkeit bestehen bleibt, ich würde es wissen. Aber ich habe echt keine Ahnung, was gerade in Boris vorgeht." (S. 134)

Für mich funktioniert der Roman am besten, wenn es um die gemeinsame Klassenfahrt nach Barcelona geht und die Erfahrungen, die Johanna macht, als sie Zeugin von Misshandlungen eines Klassenkameraden wird. Es scheint ohnehin eher um psychologische Gefüge zu gehen und aktuelle Befindlichkeiten, als um eine tatsächlich kohärent voranschreitende Handlung. So bleiben auch die Motive der Figuren im Dunkeln. Was zu Boris' Zusammenbruch führt, wird nicht geklärt, genau so wenig, wie und warum sich das Verhältnis zwischen Anna-Clara und Johanna entwickelt. Das sorgt zumindest für Überraschungen und unerwartete Szenen am Ende.

„Das ist so die Art von Zufall, die zu wenig Sinn ergibt, um die Dinge irgendwie klarer zu machen, und aber gleichzeitig auch zu viel Sinn, als dass man es komplett ignorieren könnte.“ (S.162)

Jan Schomburg ist Regisseur ("Über uns das All"), Das Licht und die Geräusche sein Romandebüt, das für mich nicht ganz rund wird, dafür aber sprachlich überzeugen kann.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks