Cover des Buches Verrückt vor Angst (ISBN: 9783785557891)
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Rezension zu Verrückt vor Angst von Jana Frey

"Verrückt vor Angst" von Jana Frey

von Jacynthe vor 8 Jahren

Rezension

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Jacynthevor 8 Jahren

Inhalt


Nora hat Angst. Angst vor tödlichen Krankheiten, wie sie ihr in ihrer Familie schon häufig begegnet sind. Bisher hat sie es geschafft, ihre Ängste zu kontrollieren, doch als sie schließlich übermächtig werden, versucht sie, sich das Leben zu nehmen. In einer psychiatrischen Klinik arbeitet sie ihre Vergangenheit auf und lernt, wieder angstfrei zu leben.


Meine Meinung


Dieses Buch basiert, wie so viele Romane von Jana Frey, auf wahren Begebenheiten, und schildert den Psychiatrieaufenthalt der 16-jährigen Nora, die wegen einer Angststörung versucht hat, sich das Leben zu nehmen.

Im zuvor rezensierten Buch "Cut", habe ich die Oberflächlichkeit kritisiert, die mangelnden Emotionen. "Verrückt vor Angst" erfüllt dieses Kriterium und ist damit ein tiefgründiger und berührender Bericht, obwohl der Untertitel "Ein Mädchen in der Jugendpsychiatrie" nicht ganz zutreffend ist. Den Großteil des Buches nehmen nämlich Erzählungen über die Zeit vor ihrer Einlieferung ein.

Es beginnt ein paar Wochen vor Noras Selbstmordversuch. Ihr Alltag wird beschrieben, ihre Freunde, ihre Familie. Der Leser erfährt, dass der Tod eine tragende Rolle in Noras Leben spielt, und dass sie dadurch eine immer weiter wachsende Angst vor tödlichen Krankheiten entwickelt hat, die jedoch zunächst unbemerkt bleibt. An manchen Tagen geht es ihr gut, an anderen Tagen packt sie die Angst und sie entwickelt ungewöhnliche Beruhigungsrituale wie das alltägliche Klopfen gegen den Briefkasten. Sie ist sogar dabei, sich in einen Klassenkameraden zu verlieben.

Doch dann erkrankt ihre Lehrerin an Krebs und die alte Angst kehrt mit voller Wucht zurück. Als sie dann auch noch einen Streit ihrer Eltern mit anhört, wird Nora alles zu viel. Sie leert den heimischen Medizinschrank und wacht schließlich in einer psychiatrischen Klinik wieder, wo sie lernen muss, ihre Angst zu bekämpfen.

Mich hat der Roman sehr berührt und ich konnte voll und ganz mit Nora mitfühlen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Stelle, als sie ihren Beinahe-Freund Jakob besucht, der einen autistischen Bruder hat. Nach einem Zwischenfall versucht Jakob sie zu beruhigen: "... er ist behindert, Nora, er ist geistig behindert, und darum hat er diese schlimmen Ängste und Zwänge" (S. 55) Der arme Jakob konnte ja nicht wissen, was er mit diesen Worten bei Nora auslöst, nämlich die Bestätigung, selbst irgendwie geistig behindert zu sein. Ebenfalls sehr berührt hat mich der kursiv gedruckte Abschnitt direkt nach Noras Selbstmordversuch. Hier betrachtet der Leser die Szene von Außen, beobachtet, wie Nora gefunden wird, wie ihre Mutter schreit, das fallengelassene Telefon auf dem Boden zersplittert. Ein guter Schachzug der Autorin, da das Buch ansonsten in Ich-From geschrieben ist, welche anzuwenden in dieser Szene natürlich nur rückblickend gegangen wäre.

Auch die anderen Personen haben Charakter und Persönlichkeit. Jakob habe ich ja schon erwähnt, ihn mochte ich sehr gerne. Er ist zwar verunsichert, doch er tut sein bestes, um Nora zu helfen. Auch Noras Freundin Verena zeigt, wie schwer es für das Umfeld sein kann, mit der Angststörung eines geliebten Menschen umzugehen, vor allem in Teenager-Jahren. Ich konnte gut nachvollziehen, dass sie irritiert war und begonnen hat, sich auch mit anderen Mädchen zu treffen, was wiederum Nora noch weiter verunsichert hat. Eingeprägt hat sich mir auch das schwere Schicksal von Ivana, die aus einem Kriegsgebiet stammt, und gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester von Soldaten vergewaltigt wurde, als ihr Vater nicht zu Hause war. In der Klinik freundet Nora sich mit ihr an und ist für sie so eine Art rettender Engel. Denn dank Noras Freundschaft erholt sich auch Ivana langsam von ihrem Trauma.

"Verrückt vor Angst" zeigt auf eindringliche Weise, wie Kindheitserfahrungen den Charakter prägen und auch solche Ängste wie die von Nora verursachen können. In der Szene, in der Nora ihrer Mutter vorwirft, was sie alles falsch gemacht hat - und ich finde auch, dass sie das Mädchen mit Geschichten über grausame Tode überfordert hat - tat die Mutter mir aber dennoch leid, denn es ist ein schmaler Grat zwischen Bildung und Aufklärung auf der einen, und dem Kindseinlassen auf der anderen Seite. Außerdem wird deutlich, wie wichtig Freundschaft ist, und dass sie oft heilsamer sein kann, als alle Medizin der Welt. Ich vergebe 4 von 5 Wolken für dieses Buch.
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