Leon wird gemobbt. Jeden Tag bedeutet der Schulalltag einen Gang durch die Hölle für ihn. Als er dann zu allem Überfluss auch noch von der Schule fliegt, fasst er den Entschluss, seiner Ohnmacht ein Ende zu setzen: er läuft Amok.
So viel ist schon ab der ersten Seite dieses Romans klar. Nach und nach werden einzelne Episoden aus Leons Leben - mal aus der Perspektive seiner Mutter, mal aus Leons Perspektive - wie Puzzlestücke zusammengesetzt, um das urprüngliche Bild des grausamen und skrupellosen Massenmörders, das mediale Diskurse meist von Amokläufern zeichnen, zu relativieren und Leon zu humanisieren. Amokläufer werden nicht geboren, sie werden von der Gesellschaft gemacht, eine Mitschuld will aber selten jemand tragen.
Diesem Buch kann sicherlich kein leichter Schreibprozess zugrunde liegen, so verstörend wie die Materie ist. Der klugen Erzählerin Jana Kiersch gelingt hier das Kunststück, Leons Schmerz, seine Wut, seine Angst greifbar zu machen. Gute Literatur vermag zu solcher Empathie verleiten. Man fragt sich an dieser Stelle, warum große Verlage und Autor*innen sich diesem Thema nicht annehmen, um ihm die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Umso wichtiger sind mutige Nachwuchsautor*innen wie Jana Kiersch, die sich trauen, solche Geschichten mit all der Sorgfalt und Sensibilität zu erzählen, die sie mit diesem Roman beweist. Absolut lesenswert!