Cover des Buches Mansfield Park (ISBN: 9783103972719)
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Rezension zu Mansfield Park von Jane Austen

Austens Aschenputtel...

von Miamou vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Fanny Price ist Jane Austens "Aschenputtel", das sie aber gut in Szene setzen kann!

Rezension

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Miamouvor 6 Jahren
Jeder kennt die Redewendung, dass man „Feste feiern soll, wie sie fallen“. Nun, ob man ausgerechnet einen Todestag feiern muss, sei mal dahingestellt. Jane Austens 200. Todestag in diesem Jahr, hat allerdings allen Fans (und denen, die es noch werden wollen) neue Auflagen zwei ihrer Romane beschert. Neben „Verstand und Gefühl“ hat auch der Fischer Verlag eine Neuübersetzung von „Mansfield Park“ herausgegeben. Ein Grund daher, sich dieses Buch näher anzuschauen.

Fanny Price ist das zweite Kind einer sehr großen Familie, die verarmt ist. Die Verwandten auf Mansfield Park beschließen daher, die kleine Fanny in ihre Obhut zu nehmen und ihr eine ordnungsgemäße Erziehung zukommen zu lassen. Kaum aber in dem Herrenhaus angekommen, muss Fanny feststellen, dass sie mehr geduldet als willkommen ist. Einzig ihr Cousin Edward nimmt sich ihrer an und es entwickelt sich eine innige Freundschaft zwischen den beiden. Das gemächliche Leben auf Mansfield Park verändert sich jedoch sehr, als Mr. und Mrs. Crawford auf die Bildfläche treten, die einen ordentlichen Wirbel in das Familienleben bringen. Eheversprechen werden beinahe aufgelöst und Herzen gebrochen. Fanny bleibt Beobachterin und bildet sich sehr schnell ihr eigenes Urteil.

Auch wenn sich das jetzt ein wenig komisch anhört, möchte ich mit dem Nachwort beginnen. Dort steht nämlich, dass Fanny Price ziemlich weit unten in der Beliebtheitsskala der weiblichen Austen – Figuren rangiert. Sie stehe im Schatten ihrer Vorläuferin Elizabeth Bennet und auch keine Verfilmung konnte dem Buch bis jetzt gerecht werden. Das mit den Verfilmungen lasse ich außen vor, weil ich zum einen keine gesehen habe und weil es sich hier ja um eine Buchrezension handelt. Dass Fanny Price tatsächlich im Schatten von Elizabeth Bennet steht, steht aber tatsächlich außer Frage. Sie ist das Aschenputtel unter den Jane Austen – Frauen, was aber nicht wirklich überraschen sollte. Sie wird als neunjährige aus ihrem Elternhaus herausgerissen und kommt in Mansfield Park an, ohne dass sich jemand ihrer annimmt. Das sollte man sich wirklich mal so vorstellen. Ich gebe zu, dass sie mir in dem ersten Kapitel des Buches so sehr leidgetan hat, dass ich sie am liebsten aus den Buchseiten genommen hätte und sie fest gedrückt hätte. Dass sich aus diesem Umstand nicht wirklich eine gefestigte Persönlichkeit mit einem ordentlichen Batzen Selbstvertrauen entwickeln kann, liegt ja eigentlich auf der Hand. Sie hatte nämlich nicht den Vater, den Elizabeth Bennet hatte, der sie in all ihrem Tun unterstützt hat. Fanny Price ist daher auf den ersten Blick eine sehr unscheinbare Heldin, die äußerlich eher passiv ist, die aber, und das ist nun wirklich der große Clou dieses Charakters, ein sehr reges Innenleben hat. Man findet Fanny oft in der Rolle der Beobachterin, was einen gewissen Reiz hat und die es möglich macht, dass der Leser ein sehr dezidiertes Bild der Gesellschaft auf Mansfield Park erhält. Alles wird aus Fannys Blickwinkel gesehen und dies hat Austen dann ermöglicht, dass dieser Roman, vielleicht nicht so ironisch wie ihre anderen, trotzdem nicht weniger satirisch ist. Da gibt es die wirklich herzlose Tante Mrs. Norris, die glaubt die einzige Wohltäterin zu sein, doch hinter ihren Worten stehen keine Taten. Oder auch die gleichgültige Lady Bertram, für die Fanny zunächst nur ein Anhängsel ist oder Mr. Rushworth, der ganze zweiundvierzig Zeilen für ein Theaterstück auswendig lernen muss (und er wird nicht müde, dies ständig zu erwähnen).

Das Buch unterteilt sich in drei Teile, wobei man sehr schnell merkt, dass mit Fanny eine Veränderung einhergeht. Sie beobachtet, bildet sich eine Meinung und sie muss dann das nötige Selbstbewusstsein aufbringen um diese auch zu verteidigen. Dies gelingt ihr erfreulicherweise auch, denn als Mr. Crawford um ihre Hand anhält, hat sie sich schon längst eine Meinung über ihn gebildet und muss darum kämpfen, diesen Antrag abzulehnen, obwohl ihr von allen Seiten gut zugesprochen wird. Es gibt also auch in „Mansfield Park“ die austentypischen Verheiratungsintrigen und Liebesverwicklungen, aber sie machen im Gegensatz zu den anderen Romanen nicht unbedingt das Hauptthema des Buches aus. Vielmehr geht es um Familie und Freundschaften, was gleichzeitig ein Bild auf die damalige Gesellschaft zulässt. Jane Austen verlangt in diesem Fall ein wirklich reflektiertes Lesen, andernfalls könnte ich mir wirklich vorstellen, dass man sich mit dem Buch, der Handlung und den Figuren etwas schwer tun könnte.

Im Nachwort heißt es schlussendlich, dass „Mansfield Park“ der Roman von Austen war, der am kontroversesten diskutiert wurde und der daher als letzter ins Deutsche übersetzt wurde. Gottseidank wurde er es, denn im Grunde ist es ein weiteres Juwel der Autorin. Die beiden Übersetzer dieser Auflage, Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié, haben wirklich einmalige Arbeit geleistet. Auch, oder vielleicht gerade, weil „Mansfield Park“ diese klassischen Erwartungen die an Austen gestellt werden nicht unbedingt erfüllt, lohnt es sich allemal das Buch zu lesen.
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