Cover des Buches Northanger Abbey (ISBN: 0099511878)
Rezension zu Northanger Abbey von Jane Austen

Northanger Abbey

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 11 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 11 Jahren

Fullerton, England im 19. Jahrhundert. In einer gutbürgerlichen Großfamilie wächst die 17-jährige Pfarrerstochter Catherine Morland wohlbehütet und frei von Sorgen auf. Einzig der triste Alltag und der Mangel an Abwechslung in diesem kleinen Örtchen, machen ihr von Zeit zu Zeit zu schaffen. Diesem leidlichen Umstand soll jedoch alsbald Abhilfe verschafft werden, als ihre wohlsituierten, kinderlosen Nachbarn Mr. und Mrs. Allen für einen mehrwöchigen Kuraufenthalt nach Bath reisen und großzügig anbieten, die junge Miss Morland für diese Reise in ihre Obhut zu nehmen. Die Freude auf Catherines Seite ist denkbar groß und als ihre Eltern bereitwillig ihre Zustimmung geben, wird ihre erste Reise in die Stadt angetreten. Völlig überwältigt von den vielen Zerstreuungen, die ein Ort wie Bath zu bieten hat, kann Miss Morland sich zunächst kaum glücklicher schätzen, als sie obendrein auch noch die Familie Thorpe - alte Bekannte der Allens - kennenlernt. Besonders in der ältesten Tochter Isabella findet sie rasch eine enge Freundin und Vertraute und außerdem kommt sie erstmals in den Genuss der Aufmerksamkeit junger, heiratsfähiger Herren. Scheint das Interesse von Isabellas großspurigem Bruder John offensichtlich, gilt Catherines Aufmerksamkeit allein Henry Tilney, einem jungen Geistlichen, der sich ebenfalls ihrer bemüht. Doch für Catherine, durch ihre Herkunft ein wenig weltfremd, lassen die ersten Hürden nicht lange auf sich warten. Ihre liebenswerte Naivität erschwert es ihr, zwischen Aufrichtigkeit und Arglist, zwischen Selbstlosigkeit und Eigennutzen zu unterscheiden - kurzum: ein jeder Schelm hat leichtes Spiel und die Liebe keimt auf ungewissem Terrain. Für Catherine, ihren nachgereisten Bruder James, Isabella, John, Henry und natürlich alle begeisterten Leser dreht sich das wilde Heiratskarussell à la Austen also in ganz gewohnter Manier mit Charme, Witz und viel viel Herz.

Jane Austen in Höchstform! Kaum eine Frau ihres Zeitalters schaffte es mit so viel Humor und Biss die Irrungen und Wirrungen der Gesellschaft an den Pranger zu stellen, doch mit Northanger Abbey hatte sie sich wahrlich selbst übertroffen. Über manche Passagen, in welchen sie die Unaufrichtigkeit ihrer Protagonisten so scheinbar arglos und doch triefend vor Ironie zur schau stellt, kann ich mir selbst jetzt ein breites Grinsen nicht verwehren. Die Autorin wird dabei aber keineswegs verletzend oder bekundet offensichtliche Ablehnung. Vielmehr spürt man eine tiefe Liebe und Verbundenheit gegenüber ihrer Schöpfungen trotz derer menschlichen Mängel und Fehltritte. Herzschmerz, Standesunterschiede, Missverständnisse und reihenweise Torheiten bilden die altbekannte Grundlage für ihr Erfolgsrezept und doch reißt einen jedes Buch für sich immer wieder mit. Malerische Kulissen und facettenreiche Charaktere, unerwartete Wendungen und stilistische Perfektion rechtfertigen wie eh und je Austens riesigen Stellenwert in der Literatur. Was mir bei diesem Buch besonders auffiel war jedoch, welch wichtige Position Romane innerhalb der Handlung bekleiden. So liest Catherine beispielsweise so leidenschaftlich gerne Schauerromane (Austen bezieht sich hier auf etwaige Bücher von Ann Radcliffe, primär Die Geheimnisse von Udolpho), dass sie selbst hin und wieder vergisst, zwischen Roman und Realität zu unterscheiden. Auch die Tatsache, dass Jane Austen den Leser zwischendurch direkt "anspricht" und auf die damals scheinbar endlose Debatte eingeht, ob Romane nun lesenswert seien oder nicht, beweist, wie sehr ihr dieses Thema als Autorin am Herzen lag. Manche mag dies nun stören, denn sicher, immer wieder vor die Nase gehalten zu bekommen, dass das was man gerade liest nicht real ist, kann durchaus unvorteilhaft sein für das Fantasiegebilde. Doch auf der anderen Seite ist das Buch das Medium des Autors um seine Leser zu erreichen - also wenn nicht hier, wo dann? Abgesehen davon haben diese kurzen Blicke hinter die Kulisse durchaus etwas für sich und geben einem das Gefühl, mehr denn je an den Gedanken einer der größten Autorinnen aller Zeiten teilhaben zu dürfen.

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