Zwei ungleiche Schwestern und die Liebe
von EliasWittekind
Rezension
Leseempfehlung: Für LeserInnen, die Liebesgeschichten mit Verwicklungen und Schwierigkeiten, langen Dialogen und großem Innenleben schätzen. Eine gewählte Ausdrucksweise und lange Sätze sollten Dir liegen.
Inhalt: Jane Austens Roman "Verstand und Gefühl" handelt von den Schwierigkeiten zweier Töchter einer armen Witwe aus guter Familie, sich standesgemäß und aus Liebe zu verheiraten.
Personen: Elinor ist besonnen und erfüllt ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen mit Vernunft und kritischer Distanz. Ihr gutes Herz muss um den ruhigen und sanftmütigen Edward bangen.
Marianne ist impulsiv und hält wenig von Konventionen. Ihre Leidenschaft für den forschen und charmanten Willoughby führt sie auf einen schweren Weg.
Meine Meinung: Jane Austen stellt Elinor in ein interessantes Spannungsfeld zwischen ihren Werten und Wünschen. Ihre Überzeugungen verbieten es ihr, dem Mann, den sie liebt, näher zu kommen. Die Autorin schildert ihr stilles Leid, ihre Geduld und ihre Hoffnung, alles möge sich zu ihren Gunsten fügen, in ergreifend ruhigen Passagen. Elinors Überlegungen bleiben für mich, obwohl nicht mehr im Trend der Zeit, völlig nachvollziehbar.
Marianne lebt nicht mit diesem Konflikt. Sie und ihr geliebter Willoughby bekennen sich überschwänglich vor aller Welt zu ihren Gefühlen und kümmern sich wenig um Konventionen. Trotz günstiger persönlicher Voraussetzungen bleibt Marianne tiefer Schmerz nicht erspart. Jane Austen schildert eindringlich ihre Rückschläge und weckte in mir Wut und Mitgefühl.
Den größten Reiz an dem Roman machte für mich aus zu beobachten, wie die ungleichen Schwestern mit ihren Erfahrungen umgehen und welche Lehren sie daraus ziehen.
(Ob beide Schwestern am Ende glücklich verheiratet sind, lasse ich hier unerwähnt.)
Schreibstil: Für mich liegt die große Stärke von Jane Austen darin, ihre Geschichte in spannenden und emotionalen Dialogen zu erzählen. Es macht ihr Buch trotz der ehrwürdigen, alten Sprache sehr lebendig. Zwischen den Zeilen der förmlichen Ausdrucksweise ihrer Figuren versteckt die Autorin - je nach Begebenheit und Charakter - Humor, Bosheit und Ironie. Besonders gelungen finde ich die boshaften Spitzen im Dialog zweier Rivalinnen unter Wahrung von Etikette und Schein.
Mit unaufgeregter, vornehmer Sprache gelingt es Jane Austen, eine Spannung zu erzeugen, die viele zeitgenössische Autoren nicht erreichen, ohne zu übertreiben oder ausfällig zu werden. Ihre Ausdrucksweise ist gewählt und präzise. So vermag sie die feinsten Gemütsbewegungen einzufangen und ein tiefes Verständnis für ihre Charaktere zu schaffen.
Was mich die Geschichte lehrt: Es ist nicht empfehlenswert, sich ohne Verstand zu verlieben.