Cover des Buches Die Farben des Feuers (ISBN: 9783404169092)
Rezension zu Die Farben des Feuers von Jane Borodale

Ein Feuerwerk, das mal nicht dem Schema F folgt

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 8 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 8 Jahren
Agnes ist jung und lebt in ärmlichen Verhältnissen. Als sie ungewollt schwanger wird, beschließt sie, ihrer Familie die Schande zu ersparen und läuft davon. In London findet sie Arbeit bei Blacklock, einem Pyrotechniker, der Feuerwerke herstellt. Sie stellt sich sehr geschickt an, doch eine Sorge lässt sie nicht los: was wird mir ihr passieren, wenn Blacklock ihre Ehrlosigkeit erkennt?



Das Buch ist in mehrere Sinnabschnitte eingeteilt, die durch eine Extraseite eingeleitet werden. Diese wiederum sind in Kapitel unterteilt. Ich fand diese Untergliederung schön - aber nicht notwendig. An sich geht die Geschichte ihren Lauf ohne sich mit den Sinnabschnitten groß zu verändern. Natürlich fand ich die Seite dazwischen ganz hübsch und ich mag es an sich auch gerne, gerade, weil man dort einen schönen Cut normalerweise hat, bei dem man das Buch auch mal weglegen kann. Hier fand ich es ein bisschen sinnfrei, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Die Seite war zumindest immer schön gestaltet, die Titelgebung an die Situation angepasst.

Die Geschichte selbst ist manchmal ein bisschen holprig, vielleicht sogar ein bisschen missverständlich. In einer Rezi hier habe ich gelesen, dass sie bei einem Dorffest schwanger geworden ist - ist sie aber nicht. Aber scheinbar kann es so rüberkommen. Ich denke, dass das beim Lesen schon auch mal Schwierigkeiten bereiten kann. Sonst hatte ich manchmal den Eindruck, dass die Geschichte so vor sich hin plätschert ohne dass groß etwas passiert, was schon mal ein bisschen eintönig werden konnte.

Insgesamt fand ich die Geschichte aber interessant. Die Autorin hat sich große Mühe mit der Recherche gegeben, hat die Chemikalien im Buch erklärt, die Vorgänge. Man kann sich richtig in die Werkstatt versetzen. Dazu ist das Ganze nicht nach Schema F aufgebaut: Mädchen kommt zu Mann, irgendwann verlieben sie sich, alles gut. Nein. Die Geschichte nimmt eine schwere und überraschende Wendung, die ich mir so nicht erwartet habe. Zumindest nicht so schnell. Aber mir hat der Abschluss gut gefallen, auch wenn er ein bisschen abrupt kam. Die Idee, die dahintersteckt, ist interessant. Und am Ende sind auch solche Kleinigkeiten, die mittendrin irgendwie belanglos erscheinen und nie zur Sprache kommen, wieder eingebaut worden und ergaben Sinn. Letztlich war es die Geschichte, die mich in den Fingern gekribbelt hat und wegen welcher ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.


Die Charaktere sind spannend. Agnes ist die Unschuld vom Lande, auch wenn sie um ihre Unschuld gebracht wurde. Sie ist voller Sorge und Verzweiflung, ist aber anständig, voller Sinn für Gerechtigkeit. Ja, sie lügt - aber den Umständen entsprechend, um ihre Würde zu bewahren. Manchmal kann man eben nicht anders. Von ihr erfahren wir am meisten, weil sie die Hauptträgerin der ganzen Geschichte ist. Ich mag ihre Wissbegierigkeit, dass sie nicht aufgibt. Sie ist weich, ja. Aber sie weiß auch was sie will und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Dagegen ist Mr. Blacklock überaus mysteriös. Trotzdem hat man den Eindruck, dass er unter dem Einfluss von Agnes aufblüht und ein bisschen gesprächiger wird, auch wenn seine Worte immer mit Bedacht gewählt waren. Doch diverse Geheimnisse werden mit der Zeit aufgelöst, die meisten erst ganz am Ende. Und das ist auch gut so! So bleibt das Buch bis zum Ende weitgehend spannend und man hat zumindest einen Anreiz weiterzulesen.

Völlig unsympathisch waren mir die beiden Dienstmädchen, die ebenfalls in dem Haus lebten. Die eine war durchweg überheblich und missgestimmt und trank über die Maße und die andere war einfach nie gut auf Agnes zu sprechen. Ich war regelrecht froh als erstere irgendwann gegangen ist - als diebische Elster. Und die zweite scheint eine Art Wandel durchzumachen. In dem Moment, als sie alleine sind, scheint sie sich Agnes zu öffnen, sie können normal miteinander reden. Auch sagt sie ihr ihre Meinung, warum sie so böse zu ihr war. Es löst sich einfach die Anspannung zwischen den beiden.

Ansonsten gibt es die unterschiedlichsten Personen. Natürlich sind in dieser Welt viele Männer unterwegs, die einfach nur ihre "Lust" befriedigen wollen. Es gibt Händler und Verkäufer, die klatschen und tratschen, die helfen und fragen. Die von den neuesten Geschichten erzählen. Man bekommt durch die Personen einen guten Eindruck von der Stadt selbst, auch wenn sie selbst eigentlich beinahe gar nicht beschrieben werden. Das Äußere der Menschen wird eher vernachlässigt und beiseitegeschoben, während ihre Geschichten eher präsent sind. Besonders zeichnet sich unter diesen ganzen Menschen allerdings einer ab: Leticce Talbot, die Agnes auf ihrer Reise begleitet und ihr immer wieder in den Sinn kommt. Ihr Schicksal ist am Ende tragisch, aber nicht weiter verwunderlich. Sie hat irgendwie eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt, hat mir sogar ein bisschen Leid getan. Aber sie hat sich darauf berufen, alles aus freien Stücken getan zu haben, sodass das Mitleid sich relativ gering gehalten hat.


Sprachlich ist das Buch nicht so hundertprozentig mein Fall gewesen. Das Buch ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, was ich immer ein bisschen schwierig finde. Es kann funktionieren, muss aber nicht. In Verbindung mit der Zeitform hat es für mich hier nicht immer gepasst. Es klang teilweise einfach seltsam. Es ist nachvollziehbar, wieso sie die Zeitform gewählt hat, an manchen Stellen klang es nur einfach verkehrt. Dazu kamen einige Satzstellungen, die immer wiederkamen, die für mich einfach unförmig klangen. Es war nicht schlecht, aber nicht 100%ig.

Was mich dagegen total fasziniert hat, war die Detailverliebtheit, mit der die Autorin gearbeitet hat. Es fanden sich viele Vergleiche, gerade in Bezug auf die Farben, die einen wichtigen Stellenwert im Buch eingenommen haben (fast verständlich beim Titel). Alles ist ziemlich genau beschrieben, die Farben und Gerüche. Sie hat versucht, die neue Wahrnehmung einer Schwangeren einzufangen, die ja auch ein bisschen empfindlicher ist. Ein bisschen vermisst habe ich eine genauere Beschreibung des Feuerwerks, aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass es so beschrieben ist, wie es in ihren Sinnen ankam: sie war total überfordert, geplättet. Wie soll man sowas auch genau beschreiben? Letztlich hat man ein genaues Bild der Dinge bekommen, der Umgebung, der Zeit.


Das Cover ist schlicht und im Stil historischer Romane gehalten Man sieht eine junge, dunkelhaarige Frau, die über einem Mörser arbeitet. Man sieht verschiedene Fläschchen mit Pülverchen und ein Buch. Die Arbeit steht im Vordergrund, allerdings wird auch hier die Bedeutung von Farbe schon ein erstes Mal bewusst: die Pulver sind blau und gelb, im Vergleich zur Person und dem Hintergrund beinahe schon leuchtend. Der Name der Autorin ist unauffällig hineingebastelt, während der Titel ein bisschen auffälliger ist, verschnörkelt. Der Titel passt toll zum Buch, auch wenn das erst mit der Zeit rauskommt und mit dem Ende ihren Höhepunkt findet.



"Die Farben des Feuers" ist ein grundsolider und sehr gut recherchierter historischer Roman, der mit Freude gemacht hat, mich aber nicht in allen Punkten überzeugen konnte. Manchmal ging die Geschichte ein bisschen langsam voran, die Schreibart war nicht immer ganz meins. Aber im Großen und Ganzen habe ich es gerne gelesen, habe die Geschichte mit Spannung verfolgt und vor allem Agnes, die von vielen missverstanden wird, hat mir sehr gut gefallen. Die Detailverliebtheit ist faszinierend und auch sonst habe ich den Eindruck gehabt, dass die Autorin sich eine Menge Mühe gemacht hat. Ich kann es auf jeden Fall empfehlen, zumal es, wie gesagt, einmal aus dem Schema herausfällt und nicht so ist, wie andere Bücher. Es ist schon etwas Besonderes (: .
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