Mein Sohn wird in diesem Jahr dreizehn Jahre alt. Er ist mittlerweile fast genauso groß wie ich, trägt Schuhgröße 44 und ist eigentlich im Großen und Ganzen ein sehr verträglicher Typ. Durch die für uns alle derzeit besondere und fordernde Situation, die uns die Coronakrise nun schon länger aufhalst, bin ich in der Lage, ganz neue Seiten an ihm zu entdecken. Während er in einem Raum unserer relativ kleinen Wohnung seine Teams-Sitzungen im Distanz-Unterricht absolviert, sitze ich im Homeoffice nicht so weit von ihm entfernt, dass ich nicht wenigstens ab und an und ein klein wenig mitbekommen muss, wie er mit seinen Mitschüler*innen und Lehrer*innen umgeht. Und ich kann behaupten, ziemlich anders, als mit uns Eltern – er ist kein Kind mehr, sondern ein Heranwachsender, oder wie man heute so schön sagt: ein Pubertier. Und das stellt mich persönlich manchmal ganz schön vor Herausforderungen, die ich gerne mit Hilfe von guter Lektüre meistere. Was für ein Glücksfall, dass ich vor kurzem das Buch einer promovierten Neurowissenschaftlerin entdeckt habe, die vielen von euch sicher als Dr. Amy Farrah Fowler ein Begriff ist …
Mayim Bialik ist erfolgreiche Schauspielerin seitdem sie elf Jahre alt war. In der Zeit, in der man meist einfach mit sich selbst, den Dingen beschäftigt ist, die sich an, um und mit einem verändern, war sie die Hauptdarstellerin in einer Serie, die sich eben um ein vierzehnjähriges Mädchen drehte, das mit ihren beiden Brüdern bei ihrem alleinerziehenden Vater aufwächst. Fünf Jahre lang lief die Serie und während Blossom all die schwierigen Situationen auf dem Weg zur jungen Erwachsenen meisterte, tat Mayim Bialik es ihr gleich. Quasi gleich zweimal durchlebte sie diese für alle Beteiligten anstrengende Zeit und vielleicht kann sie sich deshalb auch so gut daran erinnern, wie sie die Pubertät empfunden hat und sich in heutige Pubertierende hineinversetzen. Ich selbst habe nicht mehr so richtig viele Erinnerungen daran, zumindest keine extrem unangenehmen, aber vielleicht habe ich vieles auch nur verdrängt, wer weiß?
Das Grundgefühl der Unsicherheit allerdings kenne ich sehr gut. Die Eigen- und Innenwahrnehmung differiert doch sehr von der Außenwahrnehmung durch andere Menschen, egal ob diese jünger, gleichaltrig oder älter sind. Irgendwie sitzt man immer zwischen den Stühlen, macht nie etwas richtig und vergreift sich permanent im Ton, obwohl es nicht so gedacht ist, ja teilweise merkt man es selbst gar nicht und ist erstaunt, wenn einem ein etwas eisigerer Wind als gewohnt entgegen bläst. Was die körperlichen Veränderungen, die man ja sehr genau beobachten kann, mit den emotionalen Höhen und Tiefen und vor allem mit dem Umbau des Gehirns zu tun haben, das erklärt Mayim Bialik fundiert, präzise, unterhaltsam – nicht zuletzt durch die witzigen kleinen Illustrationen – schambefreit und auf Augenhöhe vor allem mit den jungen Menschen, die gerade ihre Pubertät erleben und Fragen haben. Fragen, die man vielleicht nicht von seinen Eltern beantwortet haben möchte, auch wenn die sonst ganz cool sind.
Von den allgemeinen Körperfunktionen, über das Wachstum, Wissenserwerb, Liebe in all ihren verschiedenen Formen, bis zu Stressbewältigungsstrategien und der großen Frage danach, wie man einen Sinn für sein Leben finden kann, baut Mayim Bialik ihr fachliches und persönliches Wissen als Neurowissenschaftlerin und als Mutter zweier Söhne gut strukturiert und niemals trocken ein. Dabei räumt sie en passant mit althergebrachten Vorstellungen, wie man als Mädchen oder Junge zu sein hat, auf. Neben dem strukturierten Aufbau hat mir persönlich der angenehme Ton und die Verbindlichkeit, die Mayim Bialik transportiert, gefallen. Und das Buch hat mir geholfen, meinen bald Dreizehnjährigen wieder ein Stück mehr zu verstehen, ihm über die Klippen der Unsicherheit vielleicht zu helfen, indem ich nicht versuche, ihm etwas aus dem Weg zu räumen, sondern einfach neben ihm bin und ihn wieder ein wenig aufbaue, wenn er das Leben mal wieder als äußerst ungerecht empfinden mag. Ich hoffe, er nimmt sich Endlich blicken, wie wir ticken – Spannendes Wissen rund um die Pubertät demnächst selbst einmal vor, interessiert darin geblättert hat er zumindest schon.
Ein wahrhaft aufbauendes, tröstliches und empathisches Buch, das völlig ohne Scham, erhobenen Zeigefinger, Besserwisserei und Gefühlsduselei auskommt und nebenbei noch ein paar wichtige globale Dinge anspricht, wie zum Beispiel, wie privilegiert man doch ist, wenn man die Möglichkeiten einer guten Bildung genießen kann.