Rezension zu "Vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen" von Janine Adomeit
REZENSION - „Früher war alles besser“, ist der von Jüngeren ungeliebte Satz vieler älterer Menschen. Nichts im Leben ist unveränderlich. Die Welt dreht sich, Zeiten ändern sich, denen man sich anpassen muss. Doch nicht allen gelingt dies oder nicht in ausreichendem Maß. Von dieser Hoffnung auf Wiederkehr der „guten, alten Zeit“, von Hindernissen und Mühen, sich auf seinem Lebensweg umzustellen oder gar Neues zu wagen, von der Angst zu versagen, aber auch von der Vorfreude auf eine neue Chance, sei sie auch noch so unrealistisch, also „vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen“, handelt der gleichnamige Debütroman der Schriftstellerin Janine Adomeit (38), im Juli beim dtv Verlag erschienen.
Gefühle der Verbitterung, der Existenzangst, aber auch der Hoffnung auf die ersehnte zweite Chance erleben wir bei den Einwohnern des einst florierenden rheinischen Kurorts Villrath. Vor 17 Jahren versiegte plötzlich die heilbringende und einkommenssichernde Marienquelle. Viele Jahre lang wollte man es die Villrather nicht wahrhaben: „Als einen vorübergehenden Schluckauf der Natur hatten es auch die Villrather abgetan. … Jeder hatte daran geglaubt, dass alles schon wieder gut würde. Woran sonst?“ Doch die Katastrophe blieb unabwendbar: „Danach war nichts mehr wie zuvor. Kein Weinfest. Keine ausgebuchten Fremdenzimmer mehr. Keine Reisebusse aus Holland und Belgien. Auch die Pläne für die Therme und die Rehaklinik verworfen. Die Jüngeren, Gesunden hatten Anstellungen in der Zucker- oder Brikettfabrik gefunden. Die anderen nichts.“
Für die Zurückgebliebenen scheint seitdem das Leben stillzustehen. Änderung zum Besseren ist nicht in Sicht. Doch völlig unerwartet beginnt nach Bauarbeiten an der einstigen Quelle wieder etwas Wasser zu rieseln. Ist es die alte Heilquelle? Bekommt Villrath eine zweite Chance? Die von der Autorin etwas schrullig charakterisierten, aber vielleicht gerade deshalb so liebenswerten Einwohner wittern eine neue Einnahmequelle, neuen Wohlstand, eine Rückkehr in längst ergangene Zeit. Vera, die als letzte Trägerin der Nixenkrone wegen des Versiegens der Quelle damals nicht mehr zum Einsatz kam, inzwischen Wirtin einer unrentablen Gastwirtschaft mit Stammgästen ohne Lebensperspektiven ist, will nicht nur ihr Recht wahrnehmen, nun endlich als Nixe auftreten zu dürfen, sondern beschließt mit allen Mitteln, nach all den verlorenen Jahren ihren alten Jugendtraum umzusetzen. Der vom Leben frustrierte Kamps kämpft mit Klappstuhl und Gewehr im Garten gegen die neue Zeit. Während manche Erwachsenen am Zeitenwandel verzweifeln, andere auf ihre zweite Chance warten, versucht der heranwachsende Johannes seine erste Chance zu nutzen und sich aus der kleinbürgerlichen Enge zu befreien. Doch geblendet von euphorischer Hoffnung, verlieren alle die Realität aus den Augen. „So etwas wie eine zweite Chance gibt es nicht. Man kann nichts wiederholen. Man kann nur andere, neue Fragen stellen und andere, neue Antworten finden“, meint die Autorin folgerichtig in einem Interview.
In ihrem lesenswerten, auch sprachlich ausgezeichneten Romandebüt über die Zerbrechlichkeit von Lebensträumen beschreibt Janine Adomeit ihre charakterlich so verschiedenen, aber in ihrer gemeinsamen Hoffnung auf ein besseres Leben so einige Protagonisten auf sehr berührende, mitfühlende und psychologisch tiefgründige Weise. Und doch lässt die Tragikomik ihrer Geschichte über den verzweifelten Aktionismus der Romanfiguren uns Leser auch leicht schmunzelnd, vielleicht sogar etwas nachdenklich zurück. „Vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen“ ist ein viel versprechendes Erstlingswerk, das auf weitere Romane dieser Autorin hoffen lässt.