Ich hatte mir leider etwas völlig anderes versprochen. Der Schreibstil sagt mir gar nicht zu. Vieles ist sehr umgangssprachlich formuliert und wirkt geradezu "hingeworfen". Der Text soll - durch Hashtags, Kernaussagen in Kästchen und größer geschriebene Einwürfe - vermutlich aufgelockert werden. Für Social Media oder einen Blog sicher auch passend, in einem Buch habe ich das als sehr unpassend und störend empfunden.
Inhaltlich enthält das Buch viele Pauschalisierungen. Frauen werden in den ersten Kapiteln pauschal zu Opfern erklärt, es sei denn, sie wehren sich dagegen. Ich beschäftige mich schon lange mit feministischen Themen und mir ist sehr bewusst, wie tief Strukturen, die Frauen benachteiligen, in unserer Gesellschaft verankert sind. Trotzdem finde ich das entworfene Frauenbild schwierig, zumindest in Bezug auf unsere westeuropäische Kultur. So wird etwa Social media als eine moderne Form der Hexenverfolgung bezeichnet - dabei ist es doch unsere eigene Entscheidung, ob wir dabei mitmachen. Keiner zwingt uns, uns auf eine bestimmte Art im Internet zu präsentieren. Leider pauschalisiert die Autorin ihre Aussagen so, dass es wirkt, als wären wir zwangsweise alle davon betroffen. Da sehe ich mich zumindest nicht. Auch die Täterseite wird sehr einfach dargestellt: die Männer. Dabei ist es doch viel mehr so, dass Frauen sich auch gegenseitig kritisieren und teilweise wenig unterstützend sind. Wir alle haben die Wahl, ob wir dieses Spiel mitspielen oder nicht. Aus meiner Sicht ist hier aber nicht nur das Patriarchat das Problem.
Es gibt eine merkwürdige Vermischung verschiedenster Themen, die mit Hexenverfolgung und Sexismus zu tun haben. Leider wechseln die Themen sehr schnell und sind nur sehr oberflächig angerissen, auch die Zusammenhänge, die die Autorin sieht, waren mir nicht immer klar bzw. für mich nicht nachvollziehbar.
Ich hätte mir eine deutlich mehr auf Fakten basierende, differenziertere, neutralere und ausführlichere Beschreibung historischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge gewünscht.
Im weiteren Verlauf arbeitet die Autorin ihre eigenen Traumata auf. Vor diesem Hintergrund ist ihre Einstellung zwar verständlich, trotzdem denke ich, dass wir weit davon entfernt sind, dass es allen Frauen so geht wie ihr, was sie im Buch aber anzunehmen scheint. Ich konnte mich mit ihrer Denkweise gar nicht identifizieren. Dann wiederholt sie immer wieder leere Parolen, bevor sie ihren spirituellen Ansatz beschreibt, mit dem sie sich nach eigener Aussage selbst von ihren Vorstellungen befreit hat. An diesem Punkt bin ich dann gar nicht mehr mitgegangen.
Jasmin Gonzalez
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Neue Rezensionen zu Jasmin Gonzalez
Frauen haben es nicht leicht. Hatten es nie leicht. Gefangen im Patriarchat, in Strukturen und Traditionen, die Frauen Fesseln angelegt haben und sie in ein Korsett zwängten, das nicht so einfach loszuwerden ist. Dieses Buch ist eine Auseinandersetzung mit den bestehenden Zwängen und gleichzeitig die Geschichte der Autorin, die zeigt, wie sie aus eben diesen ausgebrochen ist.
„Es gibt aus meiner Sicht keine wichtigere, wertvollere Aufgabe, als deine Stimme zu finden und herauszufinden, wofür du diese einsetzen solltest."
S. 262
Ich bin durch das Cover auf das Buch aufmerksam geworden: Die Farbe ist in einem auffälligen Magenta, die weiße Schrift des Titels schön groß mit einer besonderen Typographie. Eigentlich recht schlicht, aber eben dennoch (oder auch gerade deswegen) auffällig. Gefällt mir sehr gut! Auch der Titel ist gut gewählt und der Satz kommt im Buch immer wieder vor. Da bei mir und auch in meiner Familie das Wort "Hexe" stets mit guten Dingen besetzt war, hat mich der Titel auch direkt neugierig gemacht. Außerdem ist die Gestaltung des Buches auch im Innenteil wirklich schön, mit verschiedenen Elementen, Zeichnungen und Hervorhebungen einzelner Wörter oder Sätze.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr direkt, bildhaft und klar, stellenweise auch sehr jugendlich mit vielen Anglizismen und Ausrufen. Gerade die direkte Ansprache mit "du" fand ich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, habe mich jedoch auch schnell daran gewöhnt. Denn genau das macht das Buch auch so eindrücklich. Als würde man mit einer Freundin quatschen - die ganz schön viel zu sagen hat! Die Autorin nimmt jedenfalls kein Blatt vor den Mund und erzählt nicht nur von dem Weg, den sie gegangen ist, um sich selbst anzunehmen, sondern auch von all den Rückschlägen und Steinen, die ihr vom Leben selbst oder von anderen Menschen in den Weg gelegt wurden. Das macht das Buch sehr authentisch - manchmal muss man schmunzeln, manchmal fühlt man sich ertappt, manchmal ermutigt und manchmal wütend.
„1:10 hoch 2.685.00 - also eine 1 mit 2685.000 Nullen! Hm, jap, ich habe grad keine Zeit, um diese alle einzutippen, aber wir halten fest, die Wahrscheinlichkeit, dass gerade du geboren wirst, war sehr gering."
S. 18
Das Buch handelt von female empowerment, der Stärke von Frauen, Selbstbestimmung - Frauenpower pur! Die Autorin legt hier ein gut recherchiertes Werk vor und wirft den Leser*innen manchmal auch ganz schön heftige Dinge an den Kopf. Doch genau das ist auch augenöffnend und wichtig. An vielen Stellen musste ich zustimmend nicken oder darüber nachdenken - über das Geschriebene, aber auch mein eigenes Leben und meine Vergangenheit. Das hat mir sehr gut gefallen. Außerdem habe ich auch einiges Neues gelernt, zum Beispiel war mir nicht bewusst, dass die weibliche Stimme über die Jahrhunderte tiefer wurde und die Stimmhöhe auch heute noch in verschiedenen Ländern unterschiedlich ist. Wieder andere Stellen konnte ich nicht ganz so gut nachvollziehen, was aber auch in Ordnung ist, man muss nicht immer allem zustimmen.
Zwei Sachen haben mich aber wirklich ganz gewaltig gestört:
1. Die Autorin verweist in ihrem Text sehr häufig auf andere Quellen, z.B. YouTube-Videos. Das finde ich an sich super, denn so hat man gleich noch etwas, was man sich anschauen oder durchlesen kann. Allerdings sind die Links im Text einfach ausgeschrieben. Da stehen also ewig lange URLs - ganz ehrlich: ich habe wirklich keine Lust, den abzutippen, nur um dann festzustellen, dass ich irgendwo einen Buchstaben- oder Zahlendreher drin habe. Dafür ist mir meine Zeit zu schade. Es wäre in der heutigen Zeit doch so einfach, das anders zu lösen! Möglichkeit Nummer 1: ein QR-Code am Anfang des Buches, der einen zu einer Auflistung führt, auf der die (anklickbaren!) Links aufgelistet sind. Möglichkeit Nummer 2: Am Anfang des Buches darauf hinweisen, dass man die Videos und weiterführende Links auf der Website beim Buch findet. Dann auf der Website entweder direkt die Links hinterlegen oder z.B. ein downloadbares PDF zur Verfügung stellen, in dem man die (ebenfalls anklickbaren) Links findet. Oder Möglichkeit Nummer 3: Wenigstens gekürzte URLs (z.B. mit bitly) nutzen. Dann muss man zwar immer noch abtippen, aber wenigstens keine ewig langen Links mit vielen Zahlen und Buchstaben ohne Sinn. So habe ich leider kein einziges der genannten Videos angesehen, da mir das ehrlicherweise einfach zu doof war. Schade!
2. Es gibt leider wirklich unfassbar viele Rechtschreib- und Grammatikfehler. Massenhaft! Ein paar Fehler findet man quasi in jedem Buch, aber hier war es wirklich auffallend extrem und hat den Lesefluss leider sehr gestört. Auch das wiederum sehr schade!
Fazit
Ein Plädoyer für Weiblichkeit und Female Empowerment, welches mir alles in allem ganz gut gefallen hat. Der Sprachstil ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber daran gewöhnt man sich. Schlimm fand ich jedoch die vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler und die Tatsache, dass so viele (lange!) Links einfach im Text ausgeschrieben wurden, anstatt sie wirklich anklickbar zu machen - das wäre mittels QR-Code oder Verlinkung auf der Buch-Website auch bei einem Printbuch machbar gewesen. Oder falls das aus unerfindlichen Gründen nicht machbar gewesen wäre, hätte man wenigstens einen URL shortener nutzen können. Von mir bekommt das Buch (sehr gut aufgerundete) 3,5 Sterne.
https://lucciola-test.blogspot.com/2022/07/books-jasmin-gonzalez-wir-sind-die.html
Das Buch ist hip, rebellisch, ganzheitlich, tiefgreifend, modern und verspricht ein pures, anregendes Lesevergnügen. Von mir wurde es rasant und intensivst durchgesuchtet. Dabei habe ich unglaublich viel Wertvolles sowie Berührendes markiert, denn die Autorin schreibt schonungslos ehrlich, von Herz zu Herz.
Du ahnst es selbst, Frauen lesen nicht nur kitschige Liebesromane. Und #wirsinddietöchterderhexendieihrnichtverbrennenkonntet ist keines der typischen Klischee-Bücher. Jasmin Gonzalez hat eine Lektüre kreiert, die mich unterhalten, aber auch zum Nachdenken angeregt hat – ein Plädoyer für Weiblichkeit und Female Empowerment.
Es ist tatsächlich sehr schwierig, zu sagen, was ein grandioses Buch für eine Frau ist, ohne jemanden zu beleidigen oder eine feministische Debatte auszulösen, doch dieses hier ist Gold wert. Aber es geht nicht darum Männer zu bashen, sondern Zusammenhänge zu verstehen. Beispielsweise wird die Institution Kirche (die über dem Recht steht und sich über jegliche moralische Regel hinwegsetzen kann) und die herrschende männliche Elite kritisch unter die Lupe genommen. Außerdem wird u. a. die sogenannte Hexenwunde* „witchwound“ definiert, die noch immer tief in unserem Unterbewusstsein verankert ist.
"Lasst uns gemeinsam den wilden weiblichen Weg gehen. Unangepasst und ungezähmt, so natürlich wie von der Kreation gedacht!" (Zitat S. 68)
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*Unter der Hexenwunde verstehen wir das individuelle & kollektive seelische Trauma, das durch die jahrhundertelangen Gräueltaten der europäischen #Hexenverfolgung ausgelöst wurde und bis heute nachschwingt.
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