Cover des Buches Tote Mädchen lügen nicht (ISBN: 9783570308431)
Rezension zu Tote Mädchen lügen nicht von Jay Asher

Eine ungeschönte und realistische Wahrheit.

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Erschreckende Realität, die man nicht wahrhaben möchte.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Jahren

Warum gekauft?

Natürlich hat jeder durch Werbung und unzählige Berichte von der Serie auf Netflix gehört. Immer mit dem Verweis, dass man sich bei Gedanken an Selbstmord an eine entsprechende Hotline oder Beratungsstelle richten soll. Auch ich wurde dadurch aufmerksam auf den Roman. Die Serie war schnell geschaut und schockierte auf jeder emotionalen Ebene. Als angehende Lehrerin lag es also nah das Buch zu lesen – jedoch habe ich ein halbes Jahr gebraucht, um mich zu überwinden.

Klappentext:

Lässt keinen los, geht jeden an.
Als Clay Jensen aus der Schule nach Hause kommt, findet er ein Päckchen mit Kassetten vor. Er legt die erste in einen alten Kassettenrekorder, drückt auf »Play« – und hört die Stimme von Hannah Baker. Hannah, seine ehemalige Mitschülerin. Hannah, für die er heimlich schwärmte. Hannah, die sich vor zwei Wochen umgebracht hat. Mit ihrer Stimme im Ohr wandert Clay durch die Nacht, und was er hört, lässt ihm den Atem stocken. Dreizehn Gründe sind es, die zu ihrem Selbstmord geführt haben, dreizehn Personen, die daran ihren Anteil haben. Clay ist einer davon...

Meinung:

„Weil ich damit abschließen will, Mr. Porter. Wenn ich die Sache nicht ändern kann, dann schließe ich lieber damit ab, nicht wahr?“

„Wie meinst du das jetzt Hannah?“

„Ich rede von meinem Leben, Mr. Porter.“

[…] Die Tür schließt sich.

Das Buch ist ehrlich, sowie auf eine absurde Art auch schön und hässlich zugleich. In meinem Studium schon viel über Mobbing erfahren und gelernt, konnte ich die Beweggründe von Hannah Baker nachvollziehen. Der Teufelskreis, der durch Mobbing entsteht und in seinen Dimensionen immer mehr an Härte und Hoffnungslosigkeit zunimmt, ist in dem Erlebten von Hannah realistisch und nachvollziehbar dargestellt. Manchen erscheint es bei der Lektüre vielleicht etwas zu dramatisch und drastisch, aber die Realität von Mobbing in all‘ ihren Facetten und hässlichen Ergebnissen sieht genauso aus – nicht nur in der Theorie der Wissenschaft.

Ich selber konnte den Roman nicht weglegen und las ihn folglich innerhalb eines Tages. Auch wenn ich immer wieder Pausen machen musste, hatte ich oft das Gefühl es Hannah schuldig zu sein, ihre Geschichte bis zum Ende zu lesen. Die Aufnahmen von Hannah sind in einem Monolog geschrieben, sodass sich der Leser direkt angesprochen fühlt. Durch die gewählte Textform ist es uns als Leser möglich, Hannahs Gefühle und Gedanken nachzuvollziehen. Ihre Geschichte fesselt, bestürzt, macht traurig, wütend und hilflos zugleich. Kurz gesagt der Autor schafft es, dass man mit Hannah mitfühlt beziehungsweise die Emotionen von ihr spüren kann – und genau das macht dieses Buch wertvoll. Was mich sehr beeindruckt hat ist die nachvollziehbare Darstellung der zunehmenden Hilflosigkeit und gleichzeitig aufkommenden Resignation, die mit jedem neuen negativen Erlebnis und jeder neuen Tat hinzukommt. Man erkennt, dass der Entschluss zu einem Selbstmord ein Prozess und keine kurzfristige Entscheidung ist. Genauso zeigt der Autor eindrucksvoll, dass die Täter nicht immer aktiv schuldig sind, sondern ihre Scherze und scheinbar unschuldigen Handlungen für andere Personen eine negative Auswirkung haben, während sie selber davon nicht beeinflusst werden. Vor allem macht er klar, dass auch die kleinsten Handlungen, mögen sie in unseren Augen noch so unbedeutend sein, andere Menschen negativ beeinflussen – sowohl von außen wie auch von innen. Es scheint als ob der Autor uns damit zum Nachdenken aufrufen möchte. Den gesamten Text entlang hatte ich das Gefühl, dass der Appell, über seine Handlungen nachzudenken, mitschwingt. Mit dem großen Unterschied es nicht für sich zu tun, sondern für andere. Besonders viel Mitgefühl hatte ich für Clay. Erst im Nachhinein zu erfahren, dass man hätte helfen können, aber nicht wusste, dass Hannah Hilfe gebrauchte hätte. Eindrucksvoll macht der Autor also nicht nur die Seite der suizidalen Person deutlich, sondern auch der Personen aus deren Umfeld, die nach einer solchen Tat hilf- und ratlos zurück bleiben.

Für mich gibt es jedoch auch zwei Kritikpunkte. An manchen Stellen im Roman hatte ich das Gefühl, dass die Handlung zu schnell vorbei geht. Dadurch wurde sie teilweise oberflächlich, verlor an Tiefe und das Thema Selbstmord schien in den Hintergrund zu rücken. Meiner Meinung nach hätten dem Roman ein paar Seiten mehr nicht geschadet. Vor allem, da man dem Thema viel Aufmerksamkeit und Feingefühl zukommen lassen sollte. Die zweite Kritik richtet sich an den Schluss. Es war zu Ende, ohne dass man wusste, was für Konsequenzen folgen würden. Hannahs Selbstmord erschien plötzlich unwichtig. Keine emotionale Auseinandersetzung, außer bei Clay und Tony, keine rechtlichen Konsequenzen, keine Aufarbeitung… Meine Enttäuschung ist groß. Wenn man sich an ein solch' schwieriges und emotional aufwühlendes Thema herantraut, darf man den Leser, vor allem den jugendlichen Leser, nicht hoffnungs- und orientierungslos zurücklassen.

Fazit:

Der Autor schafft es eindrucksvoll das Thema Mobbing realistisch aufzugreifen. Dabei betrachtet er nicht nur die suizidale Figur Hannah Backer, sondern integriert auch Clay, als einen zurückgelassenen Menschen. Es beeindruckt, dass der Roman nicht nur verurteilt, sondern tief in die Psyche der Menschen eindringt und deutlich macht, dass es aktive aber auch passiv ungewollte und nicht überdachte Handlungen von außenstehenden Menschen gibt, die eine Person stark beeinflussen und ihre Psyche angreifen – ohne, dass es den Menschen bewusst ist, was ihre Handlungen indirekt bei anderen auslösen können. Auch wenn das Ende keine Konsequenzen oder Aufarbeitung aufzeigt und den Leser alleine stehen lässt, ist der Roman empfehlenswert und würdig zu lesen.

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