Rezension zu "Sherlock 2" von Jay.
„Der blinde Banker“ ist der zweite Band der Manga-Reihe um das weltberühmte Detektiv-Duo aus der Feder von Jay Kristoff, Steven Moffat und Mark Gatiss. Bin ich hier besser mit der Lesetechnik zurechtgekommen und konnte mich der neue Fall für Sherlock Holmes und Dr. Watson in seinen Bann ziehen?
Intro:
Nachdem ich Band 1 im Juni während meiner krankheitsbedingten Bettruhe gelesen und mich an die Art und Weise, wie man einen Manga liest, gewöhnt hatte, griff ich direkt zum Folgeband „Der blinde Banker“. Vielleicht, so dachte ich, würde die Sache besser flutschen, wenn ich nahtlos bei den Comics bleibe. Eventuell müsste ich mich dann nicht wieder neu daran gewöhnen, dem richtigen Bild für die korrekte und damit inhaltlich sinnvolle Reihenfolge zu folgen. Dieser Entschluss war gut und richtig. Dieses Mal bin ich sofort in der Geschichte angekommen und hatte viel mehr Spaß beim Lesen.
Doch so ganz glücklich bin ich mit meinem, aus bisher zwei Büchern bestehenden, Ausflug in die moderne Welt von Sherlock Holmes und Dr. Watson nicht geworden. Wenn man sich so im Netz umschaut, sind viele mit den Büchern zufrieden, spiegeln sie wohl die BBC-Serie sehr gut und sorgen so für eine andere Art des Weitergenießens bei Kennern dieser Reihe. Aber ich habe sie nicht gesehen und glaube auch nicht, dass sich daran etwas ändern wird, denn ich bin eine treue Verehrerin, die ihre Liebe nun mal an die altehrwürdigen Herren des 18. Jahrhunderts gehängt hat. So bleibt es dann halt nicht aus, dass ich das Alte zu sehr mit dem Neuen vergleiche und eben auch die Diskrepanzen sehe. Das mindert leider meinen Lesegenuss und letztlich auch die Lust auf eine längerfristige Reise…
Zur Handlung:
„Der blinde Banker“ ist Band 2 der auf der BBC-Serie basierenden Manga-Reihe.
Sebastian Wilkes ist erfolgreicher Investmentbanker. Als eines Nachts Unbekannte in dessen Bank einbrechen, beauftragt er seinen ehemaligen Studienfreund Sherlock mit den Ermittlungen, welcher seinen neuen Mitbewohner Dr. Watson im Schlepptau hat. Die Täter haben ein Gemälde verschandelt und seltsame Zeichen hinterlassen, verschwinden jedoch seltsamerweise ohne etwas gestohlen zu haben.
Die Recherchen laufen gerader erst an, da stolpern die Beiden über einen toten Börsenmakler, dessen Ableben ganz nach Selbstmord aussieht. Doch warum sollte sich der Mann das Leben genommen haben? Und was hat es mit diesen fragwürdigen Symbolen auf sich, die Sherlock und Watson während der weiteren Ermittlungen immer wieder begegnen? Inwieweit können sie zur Lösung des Falles beitragen und wohin werden sie sie letztendlich führen? Sie müssen sich beeilen, denn die Täter sind skrupellos und es drohen weitere Opfer…
Hinweis:
Ebenso wie sein Vorgänger ist auch „Der blinde Banker“ grundsätzlich unabhängig von den anderen Bänden lesbar, da der Manga aus Sicht des zu lösenden Kriminalfalls in sich abgeschlossen ist. Ich würde jedem Leser*in jedoch raten, die Reihenfolge einzuhalten, da die Bücher in Bezug auf das Leben und die Figurenentwicklung des Detektiv-Duos aufeinander aufbauen.
Die Figuren:
Die Charaktere wurden trotz der Kürze der Geschichte lebendig gezeichnet und ich gewöhnte mich etwas mehr an das neuartige Äußere der Protagonisten. Hier war es sicher zuträglich, dass ich die beiden ersten Bände der Reihe direkt hintereinander gelesen habe. Meinen Wunsch nach dem ursprünglichen Aussehen mit Frack, Zylinder, Gehstock und Pfeife kann ich dennoch nicht ganz absprechen.
Sherlock Holmes ist ein brillanter Analyst, der den Fokus stets auf das Wesentliche zu setzen vermag und so Zusammenhänge wahrnimmt, die Anderen verborgen bleiben. Seinem Umfeld mag er sonderbar erscheinen, können sie seiner Auffassungs-und Kombinationsgabe doch oft nicht folgen, weshalb sich die nötigen Verknüpfungen ihnen nicht erschließen. Zusätzlich wirkt er mit seinem Mangel an Sozialkompetenz skurril, forsch und empathielos. Doch wie ich bereits in meiner Rezension zu Band 1 angemerkt habe, ist dies gar nicht sein Bestreben. Für Holmes sind diese zwischenmenschlichen Emotionen und Belange einfach nur unwichtig, irreführend und ablenkend. Diese Charakterzüge finde ich in der Mangaversion recht gut gezeichnet wieder. Jedoch wirkt er hier in seinem Gemüt ausgeglichener als in der Ursprungsdarstellung. Mir fehlen weiterhin die für das einzigartige Genie so typischen wankelmütigen Wesenszüge. Ich vermisse den Holmes, der ständig zwischen übereifrigen, schlaflosen Phasen während eines zu ermittelnden Falles und tief grübelnden, depressiven Episoden schwankt, wenn er gerade keinen zu bearbeitenden Fall hat und seinem Geist das so notwendige Futter fehlt. Dieser extreme Wechsel von ausgesprochen manischen zu schwer lethargischen Phasen machen einen Großteil des Charakters von Holmes aus und sind Sinnbild für den labilen Gemütszustand und seinen gleichzeitig extrem hohen Intellekt.
Dr. Watson ist ein ruhiger Charakter und der passende Gegenpart zu Holmes. Er hat allerdings noch immer Probleme, nach seinem Dienst als Militärarzt im Nahen Osten in den Alltag zurückzufinden. Selbst die gewöhnlichsten Dinge wie das Einkaufen bringen ihn an seine Grenzen. Außerdem ist er sinnbildlich der Vertreter der allgemeinen Menschheit, denn Watson ist zwar intelligent und hat Medizin studiert, dennoch fehlt ihm die spezielle Auffassungsgabe zur Kombination kleinster Details ebenso wie allen anderen Mitmenschen auch, was Holmes` Fähigkeiten zusätzlich verdeutlicht. Zudem strebt er, ganz im Gegensatz zu seinem eigentümlichen Mitbewohner, nach einem normalen gesellschaftlichen und sozialen Leben. Die Zeichnung von Dr. Watson ist mir etwas zu düster geraten. Er wirkt auf mich missmutiger und frustrierter als in der Ursprungsversion. Da ist er eigentlich der beständige, aufmunternde Part des Duos und ein haltgebender Anker für Holmes, welcher in seinen finstersten Gemütsphasen so manches Mal in Opiumhöhlen versinkt. Auch vermisse ich Watsons Bewunderung für Holmes` Können und das große Interesse an dessen faszinierenden Gedankengängen und besonderer Kombinationsgabe.
Die Nebenfiguren wurden in ihren jeweiligen Positionen schön lebendig gezeichnet und fügen sich gut in die Handlung ein.
Der Schreibstil:
Wie schon in der Rezension zu Band 1 beschrieben, kann man aufgrund des „Manga-Aufbaus“ hinsichtlich des Schreibstils wenig sagen, da die Textmenge für eine genauere Analyse zu wenig hergibt. Die gesamte Geschichte lebt primär durch die Bilder und wird durch einzelne Worte oder Sätze ergänzt.
Die Zeichnungen haben mir hier in Band 2 deutlich besser gefallen. Sie waren irgendwie klarer gezeichnet, sodass ich inhaltlich richtig gut folgen konnte und nicht ins Stocken geriet.
Die Handlung ist in sich schlüssig, leicht verständlich und man kann dem roten Faden gut folgen, sodass letztendlich keine Fragen offen bleiben.
Die Story ist richtig schön fesselnd und die Jagd nach dem Objekt der Begierde action-und wendungsreich. Atmosphärisch konnte mich „Der blinde Banker“ mehr erreichen als sein Vorgänger, auch wenn es für mich weiterhin detektivisch düsterer sein dürfte. Ich kann mich hier nur schwer von den dunklen Gassen des alten Londons mit dem nass glänzenden Kopfsteinpflaster und den großen englischen Herrenhäusern trennen, um mich in eine neumodische Welt aus Gebäuden mit Glasfassade hineinzufinden, welche im Vergleich zu hell auf mich wirkt.
Fazit:
„Der blinde Banker“ ist ein kurzweiliger, rasanter und spannender Fall für das berühmteste Detektiv-Duo Sherlock Holmes und Dr. Watson. Er ist frisch und modern, lässt aber gleichzeitig einige Eigenheiten der Ursprungscharaktere wiedererkennen.
Eigenständig betrachtet kann man mit den Mangas um das Detektiv-Duo wirklich viel Freude haben, doch meine Verbindung zu den Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle ist zu ausgeprägt. Ich komme nach wie vor nicht umhin, mich nach meinen geliebten Frack- und Zylinder tragenden Herren des düsteren und nebligen Londons aus dem 18. Jahrhundert zu sehnen. An ihren einzigartigen Charakteren, der besonderen freundschaftlichen Verbindung und dem speziellen Setting hängt einfach mein Herz, weshalb ich die Comicadaption aus jetziger Sicht nicht weiterverfolgen werde.