Rezension zu "1984" von Jean-Christophe Derrien
Nur ein Linker oder ein ehemals Linker kann Bücher wie "1984" schreiben. Und George Orwell, eigentlich Eric Arthur Blair, war zeitlebens ein Linker. Sein berühmter Roman, der - wie kein anderer vor ihm – den wahren Charakter sozialistischer Regime darstellt, hat an Aktualität nichts eingebüßt. In linken Parteien geht es oft zu wie in Sekten. Orwell hat das am eigenen Leib erlebt, und das hat ihn schließlich zu "1984" inspiriert.
Zwar verlegte Orwell die Handlung seines Buches für ihn damals fast ein halbes Jahrhundert in die Zukunft, doch der eigentliche Hintergrund waren seine Erfahrungen mit kommunistischen Strömungen, mit denen er während des Spanischen Bürgerkriegs konfrontiert wurde. In diesem Buch wird Orwells berühmter Roman als Comic dargestellt. Nach meiner Ansicht sehr gut.
Natürlich ist diese Kunstform eher plakativ und unterschlägt die feinen Töne eines Romans. Doch in diesem Fall ist das sogar günstig, denn so kommt der Kern des Ganzen deutlicher zum Ausdruck. Ein sozialistisches Regime lebt immer von einer Grundspannung, die man gerne durch eine äußere Bedrohung oder eine "höhere" Mission erzeugt. Hier sind es die Kriege, die das Regime in wechselnden Konstellationen führt.
Die Massen sollen in genormter Gleichheit leben, während die Elite besser gestellt ist. Was man zu denken hat, gibt die Führung vor. Abweichungen im Denken und erst recht im Handeln unterliegen schweren Strafen, vor denen erst einmal öffentlich Selbstkritik geübt werden muss. Über allem schwebt die ständige Beobachtung, der man nicht entweichen kann.
Historische Abbilder solcher Regime findet man in der stalinistischen Sowjetunion und im maoistischen China. Die deutschen Grünen liefen bekanntlich um 1968 gerne mit dem Roten Buch des Großen Vorsitzenden herum. Obwohl sie inzwischen ins deutsche Establishment aufgestiegen sind (und mit ihnen ihre Verbots-Ideologie), muss man sich bei ihnen nicht wundern, dass solche Wurzeln bis heute durchschlagen. Von den Linken mit kommunistischen Westwurzeln oder DDR-Vergangenheit kann man auch nichts anderes erwarten. Es ist daher keineswegs ein Zufall, dass manche der in "1984" beschriebenen Methoden recht aktuelle Bezüge haben. Das, was Orwell in diesem Buch schildert, gehört einfach zur linken DNA. Und weil das so ist, wird "1984" seine offenbar ewige Aktualität behalten.
Wer Graphic Novels liebt, wird besonders an diesem Buch seine Freude haben.