Katharina von Medici (1519-1589), Gemahlin Heinrichs II. von Frankreich und Mutter der drei letzten Valois-Könige (Franz II., Karl IX., Heinrich III.), gehört zu den bekanntesten historischen Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts. Über keine andere Frau der französischen Geschichte – Madame de Pompadour und Marie-Antoinette eingeschlossen – sind so viele Biographien geschrieben worden. Katharinas Leben stand ganz im Zeichen von Renaissance, Reformation und Religionskrieg. Ähnlich wie Philipp II. von Spanien wurde Katharina Opfer einer sogenannten Schwarzen Legende: Jahrhundertelang galt sie als herrschsüchtige, skrupellose und verschlagene Intrigantin, die ihre willensschwachen Söhne manipuliert und Frankreich ins Unglück gestürzt habe. Französische Historiker und Romanciers des 19. Jahrhunderts wie Jules Michelet und Alexandre Dumas gaben Katharina die Hauptschuld an der Eskalation des Konfessionskonfliktes zwischen Katholiken und Hugenotten und an der Bartholomäusnacht von 1572. Die moderne Forschung hat dieses Zerrbild in Frage gestellt und größtenteils widerlegt. Ein wichtiger Meilenstein war die Veröffentlichung von Katharinas umfangreichem Briefwechsel zwischen 1880 und 1909. Zwei Historiker, Hector de La Ferrière und Gustave Baguenault de Puchesse, stellten in mühevoller Arbeit die mehr als 6.000 erhaltenen Briefe der Königin in einer zehnbändigen Edition zusammen. Erst dieses Quellenwerk ermöglichte eine sachliche, vorurteilsfreie und wissenschaftlichen Standards genügende Auseinandersetzung mit Katharina. Die biographische Literatur über Katharina von Medici ist umfangreich und schwer zu überschauen. Einige wenige herausragende Biographien stehen neben vielen belanglosen populärwissenschaftlichen Büchern. Gerade für historisch interessierte Laien ist es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Nur die wenigsten Biographien über Katharina von Medici kommen für die Verwendung im Rahmen wissenschaftlicher Arbeit in Betracht. Von den zahlreichen älteren, im 20. Jahrhundert entstandenen Biographien sind fünf noch immer in aktuellen Ausgaben verfügbar. Es handelt sich um die Werke von Jean-Hippolyte Mariéjol (1920), Jean Héritier (1940), Irene Mahoney (1975), Ivan Cloulas (1979) und Jean Orieux (1986). Diese fünf Bücher werden hier vergleichend rezensiert. Die Biographien von Héritier, Mahoney und Orieux liegen in deutscher Übersetzung vor, die Werke von Mariéjol und Cloulas nicht.
Jean-Hippolyte Mariéjol (1855-1934) zählte zu den bekanntesten französischen Historikern der Dritten Republik. Er war ein Experte für die Geschichte Frankreichs und Spaniens im 16. und 17. Jahrhundert. Mit seiner bahnbrechenden und wegweisenden Biographie läutete Mariéjol den Beginn der seriösen Forschung über Katharina von Medici ein. Alle später entstandenen Biographien sind mehr oder weniger stark Mariéjols Werk verpflichtet. Das Buch erschien 1920 mit großem Erfolg und etablierte sich schnell als Klassiker. Über Jahrzehnte hinweg wurde es immer wieder neu aufgelegt, zuletzt 2005 vom Verlag Tallandier. Für die Rezension wurde ein Exemplar dieser Ausgabe verwendet. Während der große inhaltliche Wert des Buches unbestreitbar ist, bieten einige formale Mängel Anlass zur Kritik. Der Verlag hat nicht nur auf Landkarten und Stammtafeln verzichtet, sondern – viel schlimmer – auch auf ein Register. Der umfangreiche Text (fast 640 Seiten) ist in lediglich elf Kapitel gegliedert, die keinerlei Untergliederung aufweisen. Für den Leser ist es kein Leichtes, sich in diesen großen Textblöcken zurechtzufinden. Eine gezielte Suche nach einzelnen Personen oder Themen ist nicht möglich. Ein oft gerühmter Vorzug des Buches ist die Quellennähe. Hunderte und Aberhunderte Zitate durchziehen die Darstellung. Doch Mariéjol hat die Zitate ohne sprachliche Modernisierung (Orthographie, Grammatik) in seinen Text eingefügt. Problematisch ist das gerade bei Katharinas Briefen. Als geborene Italienerin schrieb Katharina ein eigenwilliges Französisch. Die Zitate aus ihren Briefen sind mitunter schwer verständlich. Dankenswerterweise hat der Verlag aus den älteren Ausgaben des Buches den Anmerkungsapparat übernommen. Der Leser kann jederzeit nachvollziehen, auf welchen Quellen Mariéjols Ausführungen beruhen und woher Zitate stammen. Unveröffentlichtes Archivmaterial ist nicht in das Buch eingeflossen. Mariéjol stützt sich ganz auf edierte Quellen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in beeindruckender Vielzahl vorlagen: Diplomatische Berichte, Briefsammlungen, Memoiren, zeitgenössische Chroniken und Geschichtswerke. Das Fundament der Biographie ist indes Katharinas Korrespondenz. Mit seiner intensiven Nutzung der Briefe legt Mariéjol die Messlatte nahezu unerreichbar hoch. Alle Autorinnen und Autoren, die in den letzten einhundert Jahren über Katharina von Medici geschrieben haben, müssen sich wohl oder übel an Mariéjols phänomenaler Quellenkenntnis messen lassen. Eine Biographie, die Katharinas Briefe nicht in größerem Umfang heranzieht, muss von vornherein als leichtgewichtig und zweitklassig gelten.
In Katharinas Leben spiegeln sich Glanz und Elend des 16. Jahrhunderts, die kulturelle Blüte der Renaissance ebenso wie die Schrecken des Religionskrieges. In engster Anlehnung an die verfügbaren Quellen rekonstruiert Mariéjol Katharinas politisches Handeln. Die Politik steht eindeutig im Vordergrund der Biographie. Doch Mariéjol vermittelt auch ein ungemein farbiges Bild vom kulturellen Leben und von der dekadenten Prachtentfaltung am Hof der späten Valois-Könige. Das umfangreiche siebte Kapitel zeigt Katharina als gebildete, vielseitig interessierte Renaissancefürstin, als Bauherrin, Sammlerin und Förderin der Künste. Mariéjol macht keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Katharinas Intelligenz und beharrliches Streben nach Kompromisslösungen im Konfessionskonflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Zu Beginn der 1560er Jahre, als sie die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Karl führte, setzte sich die Königin für (begrenzte) Toleranz gegenüber den Hugenotten ein. Sie hatte erkannt, dass sich die Glaubensspaltung mit Verfolgung und Gewalt nicht überwinden ließ. Mariéjol zollt dieser Toleranzpolitik Anerkennung, macht aber zugleich deutlich, dass Katharina die Situation im Land falsch einschätzte: Mit ihrer Nachgiebigkeit gegenüber den Protestanten fachte sie die Wut und den Kampfeswillen der katholischen Bevölkerungsmehrheit an. Als Politikerin besaß Katharina viele Schwächen. Sie war eine lauwarme Katholikin. Der christliche Glauben spielte in ihrem persönlichen Leben keine nennenswerte Rolle. Katharina stand religiöser Leidenschaft verständnislos gegenüber; theologische Kontroversen ließen sie kalt. Sie wollte die öffentliche Ordnung aufrechterhalten, nicht die Frage nach dem "wahren" Glauben klären. Die Königin überschätzte sich und das Durchsetzungsvermögen des Staates: "Um die Intoleranten zur Toleranz zu zwingen, hätte es einer Regierung mit absoluter Macht in Theorie und Praxis bedurft" (S. 144). Die von Katharina angestrebte religiöse Wiedervereinigung auf dem Verhandlungsweg war unerreichbar. Das Religionsgespräch von Poissy im Herbst 1561, ein Zusammentreffen von Geistlichen und Theologen beider Konfessionen, endete ergebnislos. Wie Mariéjol betont, besaß Katharina zwar ein hohes Maß an taktischer Wendigkeit. Veränderungen der politischen Großwetterlage passte sie sich mühelos an; aus den Gegnern von gestern machte sie bedenkenlos die Verbündeten von heute – und umgekehrt. Aber sie war unfähig zu langfristiger strategischer Planung. Sie hatte kein kohärentes politisches Konzept, um Frankreich aus der Krise herauszuführen, die nach dem Unfalltod Heinrichs II. (1559), ihres Gemahls, und dem frühen Tod Franz’ II. (1560), ihres ältesten Sohnes, ausbrach. Ihre mehrfachen Kurswechsel befeuerten das Misstrauen der Zeitgenossen.
Ende der 1560er Jahre näherte sich Katharina den radikalen Katholiken an. Eine neue Phase der Repression begann, die in der Bartholomäusnacht von 1572 gipfelte. Mariéjol glaubt belegen zu können, dass Katharina Auftraggeberin des Attentats auf den Hugenottenführer Coligny war. Coligny drängte bei Karl IX. darauf, dass Frankreich die niederländischen Rebellen in ihrem Freiheitskampf gegen Philipp II. von Spanien unterstützen solle. Um einen Krieg mit Spanien abzuwenden, entschied sich die Königin dazu, Coligny beseitigen zu lassen, wenige Tage nach der Hochzeit ihrer Tochter Margarete mit Heinrich von Navarra. Nach dem Misslingen des Anschlags entschlossen sich Katharina und ihre engsten Ratgeber aus Furcht vor Vergeltung, die in Paris versammelte Führungsriege der Protestanten in einem Präventivschlag auszuschalten. Doch wie Katharina erkennen musste, führte dieser Gewaltexzess nicht zu einer nachhaltigen Schwächung der Protestanten. Ab Mitte der 1570er Jahre setzte sie deshalb wieder auf Zugeständnisse an die Hugenotten. Die von ihr mühsam ausgehandelten Kompromisse und Friedensschlüsse waren allzu oft von kurzer Dauer; immer wieder flammte der Religionskrieg von Neuem auf. Nie brachte Katharina die Willenskraft und das Durchhaltevermögen auf, um eine politische Linie konsequent bis zum Schluss durchzuhalten, sei es die Politik der Toleranz, sei es die Politik der Unterdrückung. Die Königin war eine Meisterin der halben Sachen. "Sie bringt nichts zu Ende, sie lebt im Unvollendeten", urteilt Mariéjol in der Zusammenfassung (S. 619). Katharinas Verhandlungsgeschick war nur darauf gerichtet, Zeit zu schinden und den Ausbruch eines sich abzeichnenden neuen Konfliktes hinauszuzögern. Die Königin agierte unter schwierigsten Bedingungen; ihr Handlungsspielraum war eng begrenzt; "sie lebt von einem Tag zum nächsten" (S. 631). Das muss jeder Biograph in Rechnung stellen. Aber nicht nur strukturelle Gründe – zu nennen ist auch die chronische Finanznot der Krone – führten zu Rückschlägen und Misserfolgen. Die Krise der Monarchie war auch dem Führungsvakuum an der Staatsspitze und den dysfunktionalen Verhältnissen in der Königsfamilie geschuldet. Dieser Aspekt nimmt in Mariéjols Darstellung breiten Raum ein. Katharinas Söhne waren schwach an Körper und Geist und vom permanenten Beistand der Mutter abhängig. Das Verhältnis der Brüder untereinander war von Abneigung und Konkurrenzgehabe geprägt. Nicht aus Herrschsucht führte Katharina die Staatsgeschäfte, sondern weil ihre Söhne den Herausforderungen des Königtums nicht gewachsen waren. Franz II. starb sechzehnjährig, ohne Spuren zu hinterlassen. Karl IX. emanzipierte sich nie von seiner dominanten Mutter. Die größten Enttäuschungen bereitete Katharina ausgerechnet der Lieblingssohn Heinrich, der Drittgeborene. Die heutige Forschung beurteilt Heinrich III. etwas nachsichtiger als frühere Historiker. Das Porträt, das Mariéjol von Heinrich III. zeichnet, ist noch ganz dem Negativbild des 19. Jahrhunderts verpflichtet: Der König war faul, frivol, politisch desinteressiert und vergnügungssüchtig, eine Fehlbesetzung als Monarch, von Katholiken und Protestanten gleichermaßen verachtet. Viel Kummer und Ärger hatte Katharina auch mit ihrem Jüngsten, Franz von Alençon. Da die Ehe Heinrichs III. kinderlos blieb, avancierte Alençon zum Thronerben. Um ihn davon abzuhalten, in Frankreich Unruhe zu stiften, unterstützte Katharina ihn in seinen irrwitzigen Plänen, sich in den Niederlanden ein eigenes Herrschaftsgebiet aufzubauen. Als Alençon 1584 starb, verlor Katharina sofort das Interesse an den Niederlanden.
Glaubt man Mariéjol, so hatte Katharina niemals "nationale" Interessen im Blick. Sie wollte das Haus Valois an der Macht halten, ihre Töchter standesgemäß und politisch nutzbringend verheiraten und ihren jüngeren Söhnen eine prestigereiche Stellung in der Welt sichern. Die Politik der Königinmutter war im Wesentlichen Familienpolitik (S. 616, 631). Als Karl IX. noch lebte, erreichte Katharina die Wahl ihres Lieblingssohnes Heinrich zum König von Polen (1573). Das war ihr erfolgreichster diplomatischer Coup. Katharina ertrug es nicht, dass ihr Favorit im Schatten des älteren Bruders stand. Kaum war der söhnelose Karl im Mai 1574 verstorben, da forderte die Mutter Heinrich auf, so schnell wie möglich nach Frankreich zurückzukehren und die Nachfolge anzutreten. Über Nacht wurde Polen bedeutungslos. Die vagen Pläne, vom Osten Europas her Druck auf die Habsburger auszuüben, wurden stillschweigend ad acta gelegt. Polen war nur ein Mittel zum Zweck für Katharina, so wie später die Niederlande. Dieser Zweck bestand darin, die jüngeren Söhne, für die es in Frankreich kaum Entfaltungsmöglichkeiten gab, rangmäßig zu erhöhen und in ihrem Ehrgeiz zu befriedigen. Katharina von Medici war keine große Staatsfrau. Sie war eine Krisenmanagerin, die fortwährend am Rand der Überforderung agierte. Sie neigte zu Selbstüberschätzung, und manche ihrer Pläne gingen ins Absurd-Phantastische (Stichwort: Englische Heirat; portugiesische Erbfolge). Der Tod ereilte die Königin Anfang 1589 zur rechten Zeit, wie Mariéjol nüchtern feststellt. Katharinas Rolle war ausgespielt; ihre politischen Mittel waren abgenutzt und ausgereizt. Die Monarchie war an ihrem Tiefpunkt angelangt: Die Katholische Liga, ein Zusammenschluss von Hardlinern und Fanatikern, kontrollierte große Teile Frankreichs; der seinen Untertanen verhasste König war aus der Hauptstadt geflohen. Ein gnädiges Schicksal ersparte es Katharina, das schmachvolle Ende des Hauses Valois – den Mord an Heinrich III. im Sommer 1589 – miterleben zu müssen. Die Krone ging an Katharinas ungeliebten Schwiegersohn, den Hugenotten Heinrich von Navarra. Bis zum Ende der Religionskriege vergingen nochmals fast zehn Jahre. Jean-Hippolyte Mariéjols Biographie, verfasst in einer gut verständlichen, schnörkellosen Sprache, ist auch heute noch lesenswert. Sie ist nicht automatisch wertlos, nur weil sie hundert Jahre alt ist. Weder verdammt und verteufelt Mariéjol die Königin, noch idealisiert und verklärt er sie. Er sieht in Katharina weder eine Schülerin Machiavellis noch eine Pionierin der Neuzeit und Vorkämpferin moderner Werte wie der Religionsfreiheit.
FAZIT
Von den hier vorgestellten älteren Biographien über Katharina von Medici sind heute nur noch die Bücher von Jean-Hippolyte Mariéjol und Irene Mahoney lesenswert. Ergänzend kann auch die Biographie von Ivan Cloulas herangezogen werden. Die Bücher von Jean Héritier und Jean Orieux verdienen keine Beachtung. Wer sich entschließt, die Biographien von Mariéjol, Mahoney und/oder Cloulas zu lesen, der sollte sich über die neuere Forschung seit 1980 informieren, vor allem über alternative Erklärungsansätze zum Geschehen im Sommer 1572 (Bartholomäusnacht).