Rezension zu "The Gunman" von Jean-Patrick Manchette
The Gunman (ursprünglich 'The prone gunman') ist ein französischer Noir-Thriller von 1981 und erzählt die Geschichte von Martin Terrier, einem Berufskiller, der aus dem Geschäft aussteigen will, was aber seine Auftraggeber nicht wollen - und ihm deshalb das Leben schwer machen. Dabei führt eins zum anderen, so dass die ganze Situation schließlich komplett eskaliert.
Der Roman wurde - mit entsprechendem Coverbild - neu aufgelegt, weil er im letzten Jahr mit Sean Penn in der Hauptrolle verfilmt wurde (wobei die Handlung von Film und Buch nur wenig miteiander zu tun haben; aber dazu später).
Der Roman ist immerhin fast vierzig Jahre alt und entspricht deshalb nicht den Erzählstrukturen und Stilmitteln, die man aus modernen Thrillern gewöhnt ist - was dazu führt, dass er etwas sperrig zu lesen ist. Das liegt insbesondere daran, dass das Geschehen konsequent aus einer Außenperspektive geschildert wird, d.h. man weiß als Leser zu keinem Zeitpunkt, was Terrier oder irgendeine andere Figur im Buch wirklich denken. Über die Motivation für so manche Wendung kann man also nur mutmaßen - was zwar auch seinen Reiz hat, aber auch viel Distanz zum Geschehen schafft. Mehr als eine Beschreibung der Gesichtsmimik gibt es nicht als Anhaltspunkt.
Ohne Details zu verraten, kann man wohl sagen, dass 'The Gunman' zwar spannend ist, aber zugleich unendlich deprimierend - was natürlich typisch für das Noir-Genre ist. Es gibt viel Schatten und kein Licht. Die Charaktere sind fast durchgängig psychische Wracks oder Psychopathen oder beides, und zwar ohne das romantisch-verklärte Moment, das den modernen 'Tortured Hero' auszeichnet - der am Ende dann doch noch Rettung erfährt. Hier wird keiner gerettet. Oder wenn doch, dann nur auf eine Weise, die sich wie Pest zu Cholera als Alternative verhält. Der Protagonist ist ein brutaler, aufbrausender Klotz, der seine Frauen wie Dreck behandelt, die Protagonistin hängt an der Flasche (was aber nichts Besonderes zu sein scheint) und hat außer Cognac und Bettakrobatik keine Interessen (aber dafür üppige Kurven), als Beleidigungen dienen rassistische Klischees etc. Gewalt wird häßlich und schonungslos beschrieben, und wenn geschossen wird, dann spritzen auch Hirn und Eingeweide.
Ansonsten ist das Buch rückblickend eine recht interessante Gesellschaftsstudie über die gesellschaftlichen und moralischen Werte der 80er Jahre. Beim Lesen wird einem recht drastisch bewusst, wie extrem sich Dinge geändert haben - Stichwort Geschlechterverhältnis, Moralkodizes, Rassismus, ganz allgemein die Regeln guten Tons.
Noch ein Wort zum Verhältnis zwischen Buch und Verfilmung, weil das Filmcover vorn auf dem Buch prangt:
Wie schon oben erwähnt, haben Buch und Film bis auf einige Namen der Hauptfiguren kaum etwas miteiander zu tun. Wem also der Film gefallen hat, dem muss das Buch nicht unbedingt zusagen. Der Film folgt natürlich Hollywood-Codizes und reflektiert moderne Moralvorstellungen; das Buch tut das wie gesagt nicht. (wie auch - es ist wie gesagt 1981 erschienen).
Deshalb fällt mir die Bewertung auch schwer.
Als Unterhaltung taugt es nur bedingt - und wäre es ein moderner Titel, würde es gegen so ziemlich jede Regel des guten Geschmacks verstoßen. Als Lektüre im zeitgeschichtlichen Kontext und als unverfälschte Genre-Studie ist es dagegen mindestens einen Stern extra wert - deshalb gebe ich abschließend 4 Sterne.