Rezension zu "Immanuel Kant zur Einführung" von Jean Grondin
Selbstverständlich ist es schwer, eine Textinterpretation zu rezensieren. Grondins Einführung zu Kant zu bewerten, ohne dabei Kant selbst zu bewerten, käme jedoch der Quadratur des Kreises gleich, entspringt doch die Begeisterung Grondins über eines der großen Meilensteine der Philosophie Kants Werk selbst. Grondin für dieses Buch zu loben heißt im Endeffekt auch Kant, für sein Buch zu loben. Letzteres kann natürlich nicht meine Aufgabe sein, daher bleibt diese Rezension womöglich lediglich der Versuch einer selbigen.
Im kommentierten Literaturverzeichnis seiner eigenen Kant-Einführung schrieb Georg Römpp über die Kant-Einführung Grondins: "Schön zu lesen, aber ob man viel daraus lernt?". Diese Frage kann sehr eindeutig mit JA beantwortet werden! Im Unterschied zu Römpp führt Grondin eigentlich nur in zwei Werke Kants ein: Die "Kritik der reinen Vernunft" und die "Grundlegung der Metaphysik der Sitten". Die Reduzierung auf das Wesentliche macht aber auch den Blick frei auf Kants zentrale Frage mit der Grondin sogleich beginnt: "Wie ist Metaphysik möglich?". Grondin versteht es, Kants staubtrockene Sprache mit eigenen Beispielen zu illustrieren. Auf der Suche nach reinen Anschauungen a priori lässt bereits Kant den Geometer ein Dreieck erklären: Die reine Anschauung ist es und nicht das mit Kreide an die Tafel gezeichnete Dreieick, die hier vermittelt werden soll. Präziser, ohne zu überzeichnen macht Grondin anhand der "Kritik der reinen Vernunft" deutlich, daß die Allgemeinheit der Natur aus nichts anderem, als dem reinen Verstand abgeleitet wird; eine der folgenschwersten Thesen des Buches, wie Grondin zu Recht hervorhebt. Wo Kant an anderer Stelle eher vorsichtig bis umständlich laviert, spricht Grondin mit Kantischer Vernunft und Grondinscher Zunge: "Entweder nimmt man einen Gott und ein künftiges Leben an, oder man sieht sich gezwungen, die moralischen Gesetze für Einbildungen zu halten".
Grondins Leistung beschränkt sich aber nicht nur auf moderne sprachliche Übertragungen Kantischer Kathedersprache des 18. Jahrhunderts. Er schafft es auch, die beiden zentralen Werke Kants in einen Gesamtkontext zu stellen: In der "Kritik der reinen Vernunft" zerlegte Kant den mittelalterlichen Begriff der Metaphysik und schuf gleichsam den Begründungsunterbau für die Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit von Metaphysik. Die Antwort selbst ist dann die "Metaphysik der Sitten", ein Werk indem Kant es schafft, die Ethik mit Hilfe des Vernunftbegriffs neu zu begründen. Das ist natürlich in erster Linie ein Verdienst Kants, aber das auch in seiner Komplexität zu verstehen, ist ein Verdienst dieser grandiosen Einführung Jean Grondins!