Jean Heritier

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Cover des Buches Katharina von Medici (ISBN: 9783453550445)

Katharina von Medici

 (1)
Erschienen am 01.07.1980

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Cover des Buches Katharina von Medici (ISBN: 9783453550445)
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Rezension zu "Katharina von Medici" von Jean Heritier

Fünf ältere Biographien über Katharina von Medici. Teil 2: Jean Héritier
Andreas_Oberendervor 2 Jahren

In dieser Rezension geht es nicht um die Biographie als solche, sondern ausschließlich um die Mängel der deutschen Übersetzung. Die französische Originalausgabe habe ich separat rezensiert.

Jean Héritiers Biographie über Katharina von Medici erschien zuerst 1940. Eine leicht überarbeitete Neuausgabe kam 1959 heraus. Diese Neuausgabe diente als Vorlage für die deutsche Übersetzung, die 1964 im Kohlhammer-Verlag erschien. Als Heyne-Taschenbuch war die Biographie bis in die 1990er Jahre hinein auf dem deutschen Buchmarkt verfügbar. Die Kohlhammer- und die Heyne-Ausgabe sind textlich identisch. Mit der Übersetzung betraute der Kohlhammer-Verlag die Schriftstellerin Christa Dericum (1932-2014). Für die deutsche Ausgabe hat Dericum den Text massiv gekürzt. Es ist nicht übertrieben, von einer regelrechten Verstümmelung zu sprechen. In beiden deutschen Ausgaben findet sich nirgendwo ein Hinweis auf die Kürzungen. Es wäre interessant zu wissen, ob die Kürzungen mit Zustimmung des Autors erfolgten. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, haben sich in die deutsche Fassung zahlreiche Fehler eingeschlichen. Es handelt sich eindeutig um Fehler, die die Übersetzerin verschuldet hat, wie Vergleiche mit der französischen Ausgabe zeigen. Dem Vergleich liegt eine französische Ausgabe aus dem Jahr 1994 zugrunde. 

Um das Ausmaß der Kürzungen zu illustrieren, gehe ich im Folgenden auf das erste und das letzte Kapitel ein. Ich führe auch einige Beispiele für Fehler an, die den Sinn einzelner Aussagen entstellen und das Verständnis von Textpassagen erschweren. 

Das erste Kapitel umfasst in der Originalausgabe 46 Absätze. Legt man Originalausgabe und deutsche Fassung nebeneinander, so ergibt sich beim Vergleich folgender Befund: Zehn Absätze wurden komplett gestrichen, 25 Absätze wurden mehr oder weniger stark gekürzt, nur elf Absätze wurden vollständig übernommen. 

Hier einige Beispiele für sachliche Fehler und Unklarheiten, die sich in den Text eingeschlichen haben, sei es, weil die Übersetzerin schlampig gearbeitet, sei es, weil sie bestimmte Sachverhalte nicht richtig verstanden hat:

S. 9: Alessandro (1511/12-1537) und Ippolito de Medici (1509-1535) werden einerseits als Katharinas Brüder bezeichnet, andererseits als Söhne des Giuliano de Medici (1479-1516). Wären beide tatsächlich Giulianos Söhne gewesen, dann könnten sie gar nicht Katharinas Brüder gewesen sein. Katharinas Vater war Lorenzo de Medici (1492-1519), wie zu Beginn des Kapitels dargelegt wird. Dieser Widerspruch ist der Übersetzerin nicht aufgefallen. Héritier stellt die Verwandtschaftsverhältnisse korrekt dar: Nur Ippolito war Sohn des Giuliano, Alessandro war ein unehelicher Sohn des Lorenzo, folglich Katharinas Halbbruder. 

S. 10: Ein "Herzog von Albanien" wird erwähnt. Ein Leser, der Katharinas familiären Hintergrund nicht kennt, wird sich den Kopf zerbrechen, wer damit gemeint ist. Des Rätsels Lösung: Es handelt sich um ein Mitglied des schottischen Königshauses, John Stewart, Herzog von Albany (1484-1536), der mit Katharinas Tante mütterlicherseits verheiratet war, Anne de La Tour d’Auvergne. 

S. 10: Vertrag von Mailand. Richtig muss es heißen: Vertrag von Madrid (zwischen Karl V. und Franz I.).

S. 13: Kloster Santa Cecilia. Richtig muss es heißen: Kloster Santa Lucia (wo Katharina als Kind eine Zeitlang lebte).

In der französischen Ausgabe von 1994 umfasst das letzte Kapitel 16 Seiten. In der deutschen Ausgabe sind es hingegen nur kümmerliche sechs Seiten. Das Kapitel behandelt die letzten Wochen vor Katharinas Tod am 5. Januar 1589. Katharinas Sohn, Heinrich III., ließ am 23. Dezember 1588 seinen Widersacher Heinrich von Guise ermorden,  den Führer der Katholischen Liga. Am 25. Dezember wurde auch der jüngere Bruder des Herzogs getötet, Ludwig, Kardinal von Lothringen. Ein weiterer Liga-Führer, Karl, Kardinal von Bourbon, wurde inhaftiert. Aufgrund der von Dericum vorgenommenen Streichungen entsteht beim Leser heillose Verwirrung: Da die Passage über Bourbons Inhaftierung gestrichen wurde, bleibt unklar, wer der "gefangene Kardinal" war, mit dem Katharina am 1. Januar 1589 sprach. Da die Passage über die Tötung des Kardinals von Lothringen gestrichen wurde, versteht der Leser nicht ohne Weiteres, warum Bourbon der Königin Vorwürfe wegen des Mordes an den "lothringischen Brüdern" machte.

Wer Héritiers Buch lesen möchte und des Französischen mächtig ist, der sollte unbedingt die Originalausgabe zur Hand nehmen. Die deutsche Ausgabe ist unbrauchbar!

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