Rezension zu "Die Schande Europas" von Jean Ziegler
"Auf dem Papier beschränkt sich die Rolle der EU-Organisationen - der verschiedenen Beamten, aus denen sie bestehen - auf die Unterstützung der griechischen Behörden. In Wahrheit aber machen diese EU-Beamten das Gesetz" (S. 12)
Das Buch hat knackige 144 Seiten und diese reichen dem Autor auch, um eine erschütternde Bilanz zu ziehen. Hierbei spart er nichts aus: Korruption, EU-Behörden, FRONTEX, griechische Behörden, der Flüchtlings-Deal mit der Türkei, Polizeigewalt, Willkür und Moria - immer wieder kehrt Ziegler zu Moria zurück. Seine Schilderungen sind bisweilen detailliert und schmerzhaft.
"Für die Rüstungsindustriellen [...] ist der Kampf gegen Flüchtlinge und Migranten viel profitabler als jeder gegenwärtig wütende Krieg in Syrien, Darfur oder Jemen" (S. 29)
Ziegler spart nicht mit den persönlichen Geschichten der Geflüchteten. Doch er kehrt immer wieder von der persönlichen Ebene zurück auf eine Allgemeine, um ein außergewöhnlich trauriges Bild zu skizzieren. Besonders mitgenommen haben mich die Push-Back-Aktionen der griechischen und türkischen Küstenwache sowie FRONTEX. Doch inmitten dieser Anhäufungen von Unmenschlichkeit und Gewalt nennt Ziegler auch Akteur*innen, die helfen, die Menschlichkeit und ein großes Engagement zeigen.
"Es fällt schwer, ihnen in die Augen zu sehen. Und wenn man sie schließlich fragt, was ihnen zugestoßen ist, hört man jedes Mal die gleiche Antwort: 'Moria'." (S. 127)
Auch, wenn sich das Buch an einem roten Faden entlang hangelt und die verschiedenen Punkte kategorisch und inhaltlich abarbeitet, um ein eingängiges Bild für die Lesenden zu kreieren, kehrt Ziegler immer wieder zu Moria zurück. Ich kann nicht mal ansatzweise begreifen, wie schlimm die Realität aussehen mag, doch Ziegler war definitiv nicht zimperlich in seinen Ausführungen. Das muss man aber bei einem solchen Thema wohl ertragen können.