Jeanne Benameur

 3,5 Sterne bei 6 Bewertungen
Autor*in von Das Gesicht der neuen Tage, Hinter dem Hafen das Meer und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Jeanne Benameur, 1952 in Algerien geboren, kam mit fünf Jahren nach Frankreich. Nach dem Literaturstudium war sie als Lehrerin tätig, bevor sie sich ausschließlich dem Schreiben zuwandte. Von ihren Jugendbüchern sind zwei auf Deutsch erschienen: ›Großer Adler schläft nur‹ und ›Hinter dem Hafen das Meer‹. Von ihren Romanen sind in Frankreich vor allem bekannt geworden: ›Les Demeurées‹ (Prix Unicef 2001), ›Laver les ombres‹ und ›Profanes‹ (Grand Prix RTL Lire 2013). Jeanne Benameur lebt in La Rochelle und gibt auch Kurse in einer Schreibwerkstatt. 

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Jeanne Benameur

Cover des Buches Das Gesicht der neuen Tage (ISBN: 9783772530012)

Das Gesicht der neuen Tage

 (3)
Erschienen am 23.08.2017
Cover des Buches Hinter dem Hafen das Meer (ISBN: 9783551373113)

Hinter dem Hafen das Meer

 (2)
Erschienen am 01.07.2005
Cover des Buches Samira des Quatre-Routes (ISBN: 9783125921399)

Samira des Quatre-Routes

 (1)
Erschienen am 13.08.2012
Cover des Buches Profanes (ISBN: 9782330028541)

Profanes

 (0)
Erschienen am 05.02.2014

Neue Rezensionen zu Jeanne Benameur

Cover des Buches Das Gesicht der neuen Tage (ISBN: 9783772530012)
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Rezension zu "Das Gesicht der neuen Tage" von Jeanne Benameur

Das Erfinden der neuen Tage
Buecherschmausvor 5 Jahren

Kriegsfotograf Étienne ist seit langem weltweit im Einsatz, ein alter Hase. Und doch wird er eines Tages in einem Moment der Unaufmerksamkeit von Banditen entführt und befindet sich monatelang in Geiselhaft. Dabei geht es der französischen Autorin Jeanne Benameur in „Das Gesicht der neuen Tage“ weniger um die Umstände der Entführung. Weder das Land wird benannt, noch die kriegerische Auseinandersetzung oder die terroristische Gruppe, die dafür verantwortlich ist oder deren Ziele. Die Situation hat heute, wo es auf der Welt so viele Krisenherde gibt, etwas allgemein Gültiges.


Zu Beginn des Buchs wird Étienne freigelassen. Kann er es anfangs noch gar nicht fassen, überlebt zu haben, während andere Geiseln ermordet wurden, muss er sich, zuhause angekommen, erst einmal wieder an seine neugewonnene Freiheit gewöhnen.


Seine Freundin Emma hatte sich bereits vor der Entführung von ihm getrennt, da sie das ständige Warten, die ständige Angst um ihn, die Ungewissheit ihrer Beziehung nicht länger ertragen konnte. Und Étienne konnte sich auf eine festere Bindung nicht einlassen.


Nun ist er in sein Heimatdorf, in das Haus der Mutter zurückgekehrt. Irène hilft ihrem Sohn, das traumatische Erlebnis ein wenig hinter sich zu lassen. Genauso wie sein alter Freund Enzo, der Tischler im Ort ist. Fast wie Brüder sind die beiden aufgewachsen, denn Enzos Elternhaus war wenig fürsorglich und Irène hat sich auch um ihn und das elternlose Mädchen Jofranka gekümmert, die in einer Pflegefamilie aufwuchs. Étienne, Enzo und Jofranka bildeten nicht nur ein unzertrennliches Freundestrio, sondern lernten auch alle drei auf Irènes Betreiben ein Musikinstrument. Étienne am Klavier, Enzo am Cello und Jofranka an der Querflöte bildeten lange Zeit ein musikalisches Trio.


Der Trost, den Musik spenden kann, die Faszination, die von ihr ausgeht, ist eines der Themen des sensiblen Romans. Ein anderes ist das Wartens. So wie Emma immer wieder auf Étiennes Rückkehr von seinen gefährlichen Einsätzen warten musste, so hat Irène ihr ganzes Leben auf Étiennes Vater gewartet. Dieser war ein Abenteurer, dem das Leben auf dem Dorf, das Familienleben, der Alltag zu eng waren. Als leidenschaftlicher Segler machte er sich immer wieder auf zu langen Trips rund um die Welt. Bis er einmal nicht wiederkam und verschollen blieb. Étienne war da noch ganz klein, ihm blieben wenige Erinnerungen an den Vater.


Ein weiteres Thema ist das Verhältnis von Eltern und Kindern zueinander, besonders das von Müttern zu ihren Kindern. Intensiv und empathisch schildert Jeanne Benameur die Gefühle von Irène.


„Und dennoch muss sie ihr ganzes Leben lang in dem dunklen Teil ihrer selbst, den Mütter gern verborgen halten, dafür geradestehen. Und das ganze Leben muss sie gegen die dumpfe Angst ankämpfen, die daraus erwächst, ein kleines Wesen der Zeit ausgeliefert zu haben.“


Irènes Innenansicht steht neben der von Étienne, der von Enzo und Jofranka. Selbst zu Emma schwenkt die Autorin in ihrer personalen Erzählperspektive. Das Beziehungsgeflecht der Personen wird von der Autorin genau und sensibel durchleuchtet. Manchmal gerät das ein wenig pathetisch, aber nie kitschig.


Natürlich steht Étiennes Erlebnis und sein langsames Verarbeiten des traumatischen Erlebnisses im Mittelpunkt. Er, den „Frieden nie interessiert“ hat, stellt sich nun quälende Fragen.


„Wie gerät man von der ungezähmten Natur jeder Kindheit zur Barbarei? Wann überschreitet man die Grenze zur Unmenschlichkeit? Was hat das Hirn der Menschen, die gemordet, vergewaltigt oder Massaker veranstaltet haben, in Geiselhaft genommen? Er hat zu viele Horrorszenen gesehen. Er kann sie nicht mehr ignorieren.“


„ Er hat derart viele Leichen fotografiert, hat den Gestank gerochen, hat erfahren, was es heißt, sich anschließend wieder auf den Weg zu machen, ohne unter seiner Machtlosigkeit zusammenzubrechen, weil er mit seinen Fotos diesen Leuten die Chance geboten hat, der Welt zu zeigen, dass sie nicht völlig umsonst, sondern aufgrund rein finanzieller, in fragwürdige Ideale verkleideter Interessen gestorben sind.“


Und auch Jofranka hat als Anwältin für Menschenrechte in Den Haag unmittelbar mit Gewalt zu tun. Sie betreut Frauen, denen in Kriegsgebieten Gewalt angetan wurde und versucht sie zu einer Zeugenaussage zu bewegen. Was ihr nicht immer gelingt.


Durch Étiennes Entführung, monatelange Gefangenschaft und schließlich Freilassung werden nicht nur sein, sondern das Leben aller ihm nahestehenden Menschen durcheinandergewirbelt und ihre Beziehungen zueinander neu verortet.


„Sich erholen…nein, davon wird er sich nie erholen. Von so etwas kann man sich nicht erholen. Die Gräueltaten, die du irgendwo auf der Welt gesehen hast, nehmen dir einen Teil deiner selbst weg. (…) Um weiterzuleben, muss man etwas Neues erfinden. Jetzt muss er die Sanftheit trotz allem, den Frieden trotz allem, die Schönheit trotz allem erfinden. Er muss das neue Gesicht der neuen Tage erfinden.“


Ein intensives, packendes Buch.





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