Cover des Buches NERVE - Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen (ISBN: 9783641102401)
Rezension zu NERVE - Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen von Jeanne Ryan

Welcome in the world of Thrillers! oder: So sollte ein Thriller aussehen

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren


Eigentlich sind Vee und „Risk“, der Name des neuen Onlinespiele-Hits, keine zwei Wörter, die man im gleichen Satz verwenden würde, so schlecht passen sie zueinander. Denn Vee ist die graue Maus, das fleißige, schüchterne Mädchen, das lieber die Arbeit im Hintergrund verrichtet, anstatt einmal selbst ins Rampenlicht zu treten. So auch bei der Theateraufführung ihrer AG, bei welcher sie eifrig die ganzen Vorbereitungen trifft, die Schauspieler zurecht macht und im Endeffekt nicht mal eine Fingerspitze des Ruhms abbekommt; alle Augen sind nur auf ihre beste Freundin Sydney gerichtet, die als die Hauptrolle des Theaterstücks wie immer im Mittelpunkt steht. Wenn es bei der Sache nur um den Ruhm gehen würde, dann würde es Vee so ignorieren, wie schon ihr Leben lang, aber sogar ihr Schwarm versucht durch sie an Sydney zu gelangen. Aus Frust und Eifersucht entscheidet sich Vee also spontan für das Onlinespiel "Risk", bei welchem man sich an peinliche oder gefährliche Challenges traut, sie filmt und auf die Website stellt. Vee‘s erste Challenge endet in einem Desaster, doch die vielen Fans, die sie allein durch ihr erstes Video gewinnt, treiben sie dazu weiterzumachen. Und schließlich ist ihr Challengepartner der überaus attraktive Ian... warum also nicht? Doch das Spiel wird zur Sucht, der Einsatz steigt in die Höhe und plötzlich findet Vee sich in einem Albtraum wieder, verfolgt von etwas, dass sich hinter der Online-Maske verbirgt. Originalcover
Der Titel, das Cover, und erst recht der Klappentext schreien nach "Thriller", und auch wenn mich diese Tatsache abschrecken müsste, weckte alles an diesem Roman meine Aufmerksamkeit. "Das Spiel ist aus wenn wir es sagen" ist somit eines meiner ersten Schritte in das unbekannte Territorium "Thriller" und erfüllt wirklich jede Erwartung, die man so an einem Thriller hat. Nervenzerreißende Storyline hier, ein paar Psychospielchen dort...
Erst einmal ist die Grundidee dieses Romans ein Treffer ins Schwarze. Es geht sowohl um jugendliche
Gefühle wie Eifersucht, aber auch Liebe, um den Wunsch nach Aufmerksamkeit, um übermutige Entscheidungen und auch last but not least um das Internet, welches sowohl hilfsbereiter Begleiter, als auch Alptraum mit süßem Gesicht sein kann. So strotzt das Grundgerüst des Romans schon von der ersten Seite an mit Authentizität und verpackt die Warnungen über das Internet als spannende Geschichte, erzählt durch die Augen von Protagonistin Vee. Vee ist DER durchschnittliche Teenager; ihr ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit quasi auf die Stirn gedruckt (auch wenn sie es nicht zugeben will) und wenn ihre Gefühle ihren Kopf mal ein bisschen aufmischen wollen, dann hat ihr Verstand auch nichts mehr zu sagen. So wirkt sie zu Beginn ziemlich naiv und auch die "Bist du dumm?! Tu es nicht!"-Momente, bekannt durch die naiven Horrorfilmprotagonistinnen, bleiben einem auch bei Vee nicht erspart.
Niederländisches Cover Trotzdem sind Vee's Schritte meistens nachvollziehbar, da sich "Risk" am Anfang auch dem Leser als ziemlich harmlos zeigt. Auch, dass sich das Spiel immer weiter zuspitzt und die Challenges bald nicht mehr nur ein kleine Mutprobe sind, wird von dem Erfolg und den tollen Preisen, mit denen „Risk“ lockt, überspielt. Jeanne Ryan kann mit dem Spannungsbogen jeden Leser an die Seiten fesseln und zwar so, dass er, ehe er sich versieht, schon auf Seite 300 ist und dem Finale entgegen sprintet. Dieses entpuppt sich als wahres Meisterwerk, denn es weckt gleichzeitig Angst, ist nervenzerreißend und lässt dem Leser tausend Vorahnungen durch den Kopf schwirren, während er trotzdem keine Ahnung hat, was da grade abgeht. Gleichzeitig liefert das Finale das, was der restliche Roman nicht bieten kann: Interessante Charaktere. Vee und Ian sind nämlich beide ziemlich blasse Kandidaten und auch die paar persönlicheren Fakten, die über man über Ian erfährt, konnten mich nicht vom Gegenteil überzeugen, da "ich gehe gerne Wandern" und "ich hätte gerne ein Auto" wirklich keine spektakulären oder gar besonderen Aussagen aus dem Munde des männlichen Protagonisten sind. So sieht auch die Liebesbeziehung der beiden aus.
Dafür kommt mit dem Finale aber eine neonfarbene Palette an verschiedenen Nebencharakteren dazu, für die ich zwar keinen Funken Sympathie empfinden konnte, die aber dennoch sehr interessant sind und dazu beitragen, dass ich gegen Ende keinem mehr über den Weg trauen wollte. Zumindest zum Teil, denn neben ein paar Punks, einem aggressiven Neandertaler und einem mysteriösen Einzelgänger, schafften es auch sieben Pistolen und ein isolierter Raum mit Voiceoff mich davon zu überzeugen, dass ich mich in einem Thriller befinde. Und was folgt auf das Finale? Richtig, die Auflösung. Diese ist neben dem Finale aber eine riesengroße Enttäuschung, und ich habe wirklich das Gefühl, dass Ryan ihr ganzes Pulver schon zuvor verschossen hat. Das konnte leider auch nicht ganz von dem überaus gruseligen Cliffhanger wiedergutgemacht werden, der mich wirklich dann doch zuletzt völlig vom Hocker gerissen hat, und ich einfach keine Ahnung habe, warum Ryan keinen Folgeband schreibt. Sind unbefriedigende, unerwartete Romanenden ohne Folgeband jetzt der neueste Trend?
"Das Spiel ist aus wenn wir es sagen" ist letztendlich ein Roman, der mir die Thrillerwelt von einem ganz schönen Blickwinkel aus gezeigt hat. Der Roman beinhaltet Spannung, eine ausgearbeitete und realistische Grundidee, eine facettenreiche Charakterencrew und einen Bösewicht, dessen Gesicht man bisher noch gar nicht kennt (und wohl auch nicht mehr kennelernen wird). Zwar wurden einige Storylines, wie z.B. die Liebesgeschichte um Vee und Ian nicht richtig zu Ende geführt und ausgearbeitet und auch die Auflösung des grandiosen Finales ist nicht wirklich einen Applaus wert. Dennoch ist der Roman sehr lesenswert und macht einfach Spaß - sogar wenn man, wie ich, kein Freund von Psychospielchen ist. Für alle Cliffhangerfreunde hält Ryans Roman aber einen Cliffhanger der besten Sorte bereit - so unerwartet und gruselig, dass ich den Folgeband genauso gerne verschlingen, wie in die nächste Ecke pfeffern will - wenn sie denn einen schreiben würde!
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