Cover des Buches Des Todes dunkler Bruder (ISBN: 9783426628072)
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Rezension zu Des Todes dunkler Bruder von Jeff Lindsay

Der nette Killer von nebenan

von Stefan83 vor 12 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 12 Jahren
Was habe ich da jetzt eigentlich gerade gelesen? Dieser Satz war wohl der erste, der mir nach der Lektüre von "Des Todes dunkler Bruder" durch den Kopf geschossen ist, denn das auf dem Klappentext als spannender Psychothriller angekündigte Buch, entpuppte sich bei näherem Blick eher als Persiflage dieses Genres. Dexter Morgan, Experte für Blutspuren bei der Polizei von Miami, ist stets einer der ersten an einem Tatort. Oftmals sind es seine Einfälle und Eingebungen, die dabei helfen einen Mord aufzudecken. Was eigentlich auch nicht verwunderlich ist, denn der charmante, höfliche Laborant mit dem Perfekter-Schwiegersohn-Lächeln befasst sich auch neben der Arbeit mit dem Thema Mord. Nachdem er als Kleinkind von seinem späteren Adoptiv-Vater Harry aus einem Hafencontainer voller blutiger Leichenteile gerettet worden ist, hat er einen ununterdrückbaren Drang zum töten entwickelt. Dieser Teil seiner Persönlichkeit, der "dunkle Passagier", kontrolliert nicht selten sein ganzes Handeln. Mussten in seiner Zeit als Teenager nur Hunde aus der Nachbarschaft und entflohene Zooaffen dran glauben, ist er nun als Erwachsener vollends von der Kette gelassen. Nur die Worte Harrys, der so genannte Code, schränken seine Beute ein. Dexter tötet nur jene, die es wirklich verdient haben. Als er erneut zu einem mysteriösen Serienmordfall gerufen wird, an dem unter anderem seine Stiefschwester Deborah arbeitet, gerät der Code allerdings gefährlich ins Wanken. Die Opfer, allesamt Prostituierte, tauchen stets in Einzelteilen hübsch verpackt und blutleer an verschiedenen Orten Miamis auf. Und Dexter, der für Menschen eigentlich weniger übrig hat als für seine Einrichtungsgegenstände in der Küche, verfällt in eine obsessive Bewunderung für diesen tödlichen Künstler. Und wird damit auch bald zur Gefahr für diejenigen, die ihm eigentlich nahe stehen sollten. Jeff Lindsays Debüt um den mordenden Polizisten ist wohl das Bizarrste, was ich in diesem Genre seit Jahren gelesen habe. Das die Veröffentlichung von "Darkly Dreaming Dexter" in den USA für einen Aufschrei der Entrüstung gesorgt hat, ist mehr als nachvollziehbar. Lindsay stellt die Gesetze des Genres nämlich völlig auf den Kopf. Hier gibt es eigentlich keinen "Guten" und selbst die Mitglieder der Polizei, oftmals tumbe Zeitgenossen, vermögen keine Sympathie zu wecken, was zur Folge hat, dass der moralische Kompass des Lesers streckenweise total die Orientierung verliert. Unterstützt wird das durch Lindsays Schreibstil, denn "Des Todes dunkler Bruder" ist ironischerweise trotz blutiger Leichenteile und zersägter Gliedmaßen derart witzig, das man das Dauergrinsen nur schwer aus dem Gesicht bekommt. An anderer Stelle krankt das Buch aber. Von Spannung ist nämlich keine Spur. Das vom Potenzial her mögliche und erwartete Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Mördern, vermag bis zum Ende nicht zu packen und wird leider unsäglich unlogisch und ideenarm ausgearbeitet, was den Gesamteindruck ziemlich trübt. Insgesamt ist "Des Todes dunkler Bruder" ein saumkomischer und extrem kurzweiliger Ausflug zur Dunklen Seite Miamis, der hinsichtlich der Spannung die Erwartungen jedoch nicht erfüllen kann. Weniger wäre hier an manchen Stellen mehr gewesen.
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