Rezension zu "Königsfall – Der Verräter" von Jeff Wheeler
„Ihr habt mir eine Menge zum Nachdenken gegeben“, sagte Owen und versuchte, einen Sinn in all dem zu sehen.
Mehrmals musste ich dieses Buch zur Seite legen, um tief durchzuatmen. Leider nicht, weil es mir auf Grund seiner Qualitäten den Atem verschlagen hat …
Plot (1/5)
Wieder sind einige Jahre seit dem Ende des letzten Bandes vergangen, und wieder stellt uns Jeff Wheeler zum Teil vor vollendete Tatsachen. Vergangene Auseinandersetzungen zwischen Königreichen und deren Auswirkungen auf politische Gegebenheiten finden nur beiläufig Erwähnung. Dies liegt vor allem daran, dass Intrigen und politische Machenschaften zu Gunsten einer bunt zusammengewürfelten Anhäufung von altbekannten Stilelementen weichen mussten.
Das Zitat zu Beginn der Rezension sagt wohl alles. Viel wurde gesagt, aber nichts ist passiert. Und der Sinn dahinter bleibt wohl teilweise ein Geheimnis des Autors. Die Dialoge zwischen den handelnden Personen tragen kaum etwas zur Geschichte bei. Viel mehr wirken sie wie Unterhaltungen zwischen Menschen mit Gedächtnisverlust und dem Bemühen sich gegenseitig an vergangene Ereignisse zu erinnern. Gibt es Ungereimtheiten oder Lücken in der Handlung, wird kurzerhand der Geschichtsschreiber aufgesucht, damit er uns über Prophezeiungen oder Hintergründe aufklärt. Hier hat es sich der Autor meiner Ansicht nach viel zu leicht gemacht. Und es gibt noch mehr: Handlungen, die im zweiten Band ohne ernsthafte Konsequenzen geblieben sind, führen im dritten Band beinahe zum Tod. Entweder geht der Autor davon aus, dass Leser*innen diese Zusammenhänge ignorieren, oder aber die Charaktere machen sich wirklich keinerlei Gedanken über die Konsequenzen ihrer Handlungen. Wer könnte es ihnen allerdings verübeln. Nachvollziehbare Konsequenzen stehen in dieser Reihe nicht gerade auf der Tagesordnung. Vielmehr sind Zufall und Willkür stetige Begleiter durch den Verlauf dieser Geschichte.
All das wäre zu verkraften, wäre da nicht diese von Geschlechterstereotypen triefende Romanze. Der Protagonist, umgeben von drei Frauen, die allesamt um seine Aufmerksamkeit buhlen, als wären sie ohne einen Mann an ihrer Seite nicht überlebensfähig. Hört sich an wie eine Folge Bachelor? Liest sich auch genau so. Für meinen Geschmack hat ein derartiger Handlungsstrang – abgesehen von Büchern mit historisch belegbaren Gegebenheiten – im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen.
Weltenbau (1,5/5)
Hier gibt es im Vergleich zu den ersten Büchern kaum etwas hinzuzufügen. Die Ausnahme bildet ein Wald, der im Laufe der Geschichte kaum eine Rolle gespielt hat, zum Ende hin allerdings auf eine völlig abstruse Weise in den Vordergrund der Geschichte gedrängt wird.
Die Hoffnungen, die ich zu Beginn der Reihe hatte – ich habe eigentlich sehr viel Potenzial gesehen – wurden mir im dritten Band gnadenlos wieder genommen. Nichts von der aussichtsvollen Vielschichtigkeit, die im ersten Band spürbar war, wurde vom Autor aufgegriffen oder umgesetzt. Schade.
Die Charaktere (1,5/5)
Charaktere tauchen auf oder werden entfernt, gerade so wie es für die Geschichte zweckmäßig ist. Hat ein Protagonist seine Aufgabe erfüllt, wird er gnadenlos vom Schachbrett gefegt. Manchmal habe ich mich sogar gefragt, ob Charaktere tatsächlich für den Handlungsstrang relevant waren, oder ob Wheeler einfach all seine Ideen unterbringen wollte, unabhängig davon, ob sie für die Geschichte dienlich sind oder nicht. Darüber hinaus hatte keiner der Charaktere Ecken oder Kanten. Wie mit der Schablone gezeichnet wandeln sie über die Welt und versäumen es dabei mein Interesse zu wecken.
Magie (2/5)
Im ersten Teil kaum relevant – im zweiten Teil ein Hoffnungsschimmer – im dritten Teil einer der größten Schwachstellen, weil zusammenhangslos und übertrieben: Eine Schwertscheide, die nahezu unbesiegbar macht, unsichtbare Diebe und teleportierende Protagonisten. Alles zurückzuführen auf Brettspiel, das irgendwo zwischen Jumanji und Schach einzuordnen ist, und der Macht der Quelle, die plötzlich als Universalheilmittel aller verursachten Probleme innerhalb der Handlung herhalten muss.
Schreibstil (2/5)
Auch im dritten Band wurde die Handlung fast im Minutentakt mit dem Verlauf eines Wizar-Spiels (Schach) verglichen. Dieser Vergleich hat seine Berechtigung, zumal er im dritten Band auch durch die Handlung gestützt wird. Allerding war er in dieser Häufigkeit eher nervig als zweckdienlich.
Fazit (1,5/5)
Ich habe den ersten Band als einsteigerfreundlich bezeichnet. Vor allem deshalb, weil ich viel Potenzial für die nachfolgenden Bücher gesehen habe. Diese Einschätzung würde ich nach dem dritten Teil der Geschichte gerne wieder zurücknehmen. Das hat folgende Gründe: Zum einen sehe ich die Gefahr, dass Leser*innen, mit hohen Erwartungen an das Genre, nach dem Lesen dieser Reihe die Lust an Fantasy verlieren könnten. Zum anderen werden einsteigerfreundliche Bücher teilweise jungen Leser*innen empfohlen, und ich denke nicht, dass eine Romanze wie sie in diesem Buch beschrieben wird, einer Beseitigung längst überholter Geschlechterrollen dienlich sein kann.