Cover des Buches Cometh the Hour (ISBN: 9781250061621)
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Rezension zu Cometh the Hour von Jeffrey Archer

Spannend, aber politische Verwicklungen konstruiert und Nebencharaktere eindimensional

von Julia_Kathrin_Matos vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Spannend, aber politische Verwicklungen wirken konstruiert und Nebencharaktere bleiben eindimensional

Rezension

J
Julia_Kathrin_Matosvor 7 Jahren
Band 1 und 2 fand ich exzellent, Band 3 bis 5 nicht mehr ganz so stark. Dieser Band 6 stellt aus meiner Sicht wieder eine Steigerung dar.

Schwächen (Geschmackssache und da Jeffrey Archer Bestsellerautor ist, hier "Meckern auf hohem Niveau"):
1. Dass englische, deutsche und russische Politik der damaligen Zeit in einem bestimmten Umfang platziert werden soll, um die Einordnung in das Genre "Historische Romanreihe" rechtfertigen zu können, ist gut und richtig. Das geschilderte politische Geschehen hat für meinen Geschmack aber falsche Akzente gesetzt. Wie auch schon in Band 3 bis 5 wirken viele Handlungen konstruiert und wenig glaubwürdig, die Darstellungen zu Geheimdiensten und Politik sind zurechtgerückt. Hierbei räume ich ein, dass es nicht leicht ist, das politische mit dem familiären Geschehen ständig in Beziehung zu setzen. Die Ausführungen zur BRD und DDR fand ich natürlich besonders reizvoll. Jedoch fallen für meinen Geschmack eher uninteressante politische Schilderungen zu ausschweifend aus, z. B. beim Wahlkampf von Giles, den man aus vorangegangen Bänden bereits ausführlich und in ähnlicher Form miterlebt hat. Das hätte kürzer gefasst werden können, zumal man den Ausgang der Premierministerwahl kennt. Der Verzicht auf eine unmittelbare Verstrickung der Hauptfiguren und stattdessen zusätzliche Einblicke in andere politische Systeme und andere Gesellschaftsschichten durch eine Nebenfigur hätte hier eher den gewünschten Effekt erzielen können.
2. Ich hätte mir gewünscht, über Sebastians Liebes- und Gefühlsleben mehr zu erfahren. Da geschieht etwas Hochdramatisches und anstatt den Gefühlen textlich Raum zu geben, was auch zu einer höheren Sympathie der Leserschaft für den vergleichsweise kühl agierenden Banker hätte beitragen können, setzt Jeffrey Archer erst Monate und Jahre später wieder ein und widmet dem Trauma nur aus Sicht der Eltern geäußerte Nebensätze. Abgesehen davon, dass dieses Storyelement durchaus spannend und emotional war, leistet dieser anscheinend letztendlich wenig Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und wirkt sich nicht spürbar auf Sebastians nachstehende Handlungen aus.
3. Harry und Emma sind beruflich und finanziell megaerfolreich, moralisch unfehlbar und setzen sich unermüdlich für Schwächere ein. Die bereits bekannten Bösewichte spinnen immer wieder ähnliche Intrigen - denen Freunde und Geschäftspartner von Harry/Emma/Seb in gewohnter Manier entgegentreten - und fallen damit früher oder später auf die Nase. Ich mag die eindeutige Einteilung in Schwarz und Weiß nicht. Ein paar mehr Ecken und Kanten sowie Wendungen im Sinne von "Gutmensch Harry/Emma macht etwas Fragwürdiges/Egoistisches ..." und "Bösewicht reflektiert sein Verhalten und entwickelt sich zum Besseren ..." hätten aus meiner Sicht gut getan. Es wäre zudem glaubwürdiger gewesen, wenn einer der Bösen irgendwann mal ermüdet festgestellt hätte, dass sich nicht das ganze Leben um wenig substantiierte Rachegefühle drehen muss. Zumindest eine Person sorgt im persönlichen und beruflichen Umfeld eines der Hauptprotagonisten für eine interessante Überraschung/Wendung, doch auch hier hätte der emotionalen Ebene mehr Raum gegeben werden können, um der Figur mehr Tiefe zu verleihen.
4. Schon wieder gibt es fiese Cliffhanger, die erneut im nächsten Band schnell abgehandelt werden. Das lässt sich bei Mehrteilern nicht vermeiden, wird aber von Jeffrey Archer in dieser Saga auf die Spitze getrieben. Wer 6 Bände gelesen hat, wird ohnehin den letzten Band auch noch lesen, daher völlig unnötig.

Stärken:
1. Ich habe etwas über Lebensumstände und Politik der 70er-Jahre (lange vor meiner Geburt) dazugelernt.
2. Es werden ständig rund um Harry, Emma, Giles, Sebastian, Virginia und weitere Charaktere neue Spannungsbögen aufgebaut, die mich in ihren Bann gezogen haben, sodass ich das Buch nur ungern unterbrochen habe. Geschickt: Gestaltet sich die eine Handlungslinie nicht so fesselnd, geht es mit einem anderen Protagonisten im nächsten Abschnitt spannungsgeladen weiter (welche das sind, wird sich je nach persönlichen Neigungen unterscheiden), sodass die weniger interessanten Lebensabschnitte des einen Charakters durch einen anderen Charakter problemlos aufgefangen werden.

Trotz einiger Schwächen habe ich mich insgesamt gut unterhalten gefühlt, daher 4 Sterne.
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