Jennie Seitz

Lebenslauf

Jennie Seitz arbeitet seit 2013 als freischaffende Übersetzerin aus dem Russischen. Zu den von ihr übersetzten Autor*innen gehören Nadeschda Tolokonnikowa, Oleg Senzow und Dmitry Glukhovsky. Sie überträgt regelmäßig journalistische Texte für das Russland-Portal Dekoder.org. Für ihre Arbeit an Katerina Gordeevas Nimm meinen Schmerz. Geschichten aus dem Krieg wurde sie für den Preis der Leipziger Buchmesse 2024 in der Kategorie Übersetzung nominiert.

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Nimm meinen Schmerz (ISBN: 9783426279175)
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Rezension zu "Nimm meinen Schmerz" von Katerina Gordeeva

Buecherseele79
Realität aus dem Ukraine-Krieg

"Ich glaube daran, dass diese Geschichte Zeitzeugnisse sind, Dokumente der Kriegszeit, die uns in einer wie auch immer gearteten Zukunft dabei helfen werden, nicht zu vergessen, weder den Krieg noch die Feindseligkeit noch die Gewalt, die uns angetan wurde." (Seite 17)

Katherina Gordeeva erzählt Geschichten aus dem Krieg.

In ihrem Buch geht es um den Kriegsausbruch in der Ukraine. Und hier ist es nun mal wie es ist - die Realität und Ehrlichkeit, der Schmerz um den Verlust von Heimat, Familie, zu Hause und eigenes Leben trifft bei jeder Geschichte wie eine Kugel.

Jede Geschichte ist mit einem Stichwort versehen was sich dann um die Erzählung dreht. Das berührt sehr oft, geht es doch um manch banale Dinge die im Alltag nicht immer die Aufmerksamkeit bekommen.

Die Autorin selbst ist Russin, hat aber auch Bezug zur Ukraine, steht bei den Gesprächen immer unter "Beschuss" durch Worte oder Hass. Selten kann jemand über seinen Schatten springen und Katherine "verzeihen" dass sie Russin ist.

Und für die Autorin ist es schwer zu verstehen, wie für viele andere Menschen auch, warum dieser Krieg angezettelt wurde. Natürlich steht Putin auf der einen Seite und verbreitet seine Rechtfertigung und Propaganda. Aber durch die Erzählungen wird sehr deutlich - alles Lüge. Natürlich ist das Leben in der Ukraine nicht leicht, aber die Menschen waren glücklich und von Nazis und ähnliches - keine Spur.

Auch die Frage welche Soldaten welche Gruppen beschießt war für die Autorin immer wichtig - hier merkt man dass es nicht immer so eindeutig scheint wie vielleicht in den Nachrichten gezeigt. Wir erhalten nur eine Seite der Erklärung mit Bildern und Berichten. Hier, mit diesem Buch, schreibt die Autorin die Erinnerungen und Geschichten von Heldinnen und Helden nieder. Und diese gehören gelesen und gehört!

Nicht nur dass viele Russen dem Krieg zustimmen müssen um nicht in ein Gulag oder Gefängnis zu landen - Nein! Auch (russische) Soldaten haben die Nase voll, beschreiben ihre Fahnenflucht und dass sie keine Lust haben auf Brüder zu schießen. Dass kaum einer einen "Sinn" in diesem Krieg mit seiner Propaganda sieht.

Die meisten sind Heldinnen die ihre Geschichte erzählen. Geschichten die von Mut und Hoffnung, von Wut, Tränen und Verlust erzählen. Jede einzelne Geschichte hat mich geschockt, berührt und mitgenommen. 

Diese Menschen haben soviel, wenn nicht alles, verloren. Für nichts. Für Habgier eines Diktators. Man bekommt beim lesen eine immense Wut mit der ich persönlich kaum umgehen konnte.

Ein unglaublich wichtiges und intensives Buch. Und ein unbekanntes Danke an alle die ihre Geschichte erzählt haben.


Cover des Buches Nimm meinen Schmerz (ISBN: 9783426279175)
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Rezension zu "Nimm meinen Schmerz" von Katerina Gordeeva

Thomas_Lawall
"Was habt ihr nur angerichtet..."

Selten ist mir die Rezension eines Buches so schwer gefallen wie diese hier. Wie oft habe ich angefangen und rein gar nichts zu Papier gebracht. Die auf den schmalen Zettel wie immer notierten Zeilen ergaben einfach keinen Anfang und kein Ende, wohl analog zu den nicht enden wollenden Kriegen auf diesem blauen Planeten.

In den Nachrichten hören und sehen wir täglich Berichte von irgendwelchen Eroberungen, Landgewinnen und Opfern, die nicht selten ein recht diffuses Licht auf das wahre Ausmaß jener kriegerischen Auseinandersetzungen werfen. Jene Opfer, welche sog. Staatsoberhäupter als "Verluste" scheinbar von vornherein eingeplant haben, verschwinden hinter der nüchternen Aufzählung diffuser Zahlenberge und werden nicht Wenigen gar zu viel, denn "man kann es ja schon fast nicht mehr hören"...

Ganz andere Wege geht Katerina Gordeeva, die russische TV-Reporterin und Kriegsberichterstatterin, welche nach der Annexion der Krim 2014 ihre Heimat verließ und nunmehr im Exil in Lettland lebt. "Nimm meinen Schmerz", der nüchterne Buchtitel, verrät kaum etwas über den Inhalt jener "Geschichten aus dem Krieg". Erst jene Zeile, die dem Vorwort vorangeht, und wie eine Warnung klingt, lässt nichts Gutes ahnen.

Die Autorin stellt uns Menschen vor, die sie ihre "Heldinnen und Helden" nennt, welche den Krieg in der Ukraine unmittelbar erlebt haben. Ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten gleichermaßen wie desertierte russische Soldaten, die mehr oder weniger alle etwas gemeinsam haben: Sie alle wollten diese "militärische Spezialoperation" nicht. Die einen hat man überfallen, die anderen am 24. Februar 2022 zu einer "Übung" an die ukrainische Grenze geschickt.

Leserinnen und Leser erleben diesen Krieg in Zeitlupe und in Episoden, die in Nachrichten selten oder nie zu sehen sind. Katerina Gordeevas Fokus liegt auf den Einzelschicksalen ihrer Heldinnen und Helden. Das gelingt nicht immer, da sie als gebürtige Russin keinen leichten Stand hat, aber wenn es gelingt, ist es furchtbar.

Wir lernen Irina kennen, die insgesamt 25.000km unterwegs war, um ihren Sohn zu suchen, einen Mann, der Frauen und Kinder mitten im Gefecht mit seinem Auto in Sicherheit bringt und noch einmal in die "Hölle" zurückfährt, Menschen, die sich einen "Zaubermantel wie bei Harry Potter" wünschen, oder jenen Opa, der in jungen Jahren bei einem Hausbau einen "Erschießungsgraben" fand.

Flüchtlingsfamilien in ihrer "neuen Heimat" begleiten wir ebenfalls, und was es bedeuten kann, am schönsten Platz der Welt aufgenommen worden zu sein. Und wir lernen, was pure Verzweiflung ist, wenn die Menschen einfach nicht begreifen können, was sie verbrochen haben, was man von ihnen will oder von wem oder was man sie "befreien" will.

"Was habt ihr nur angerichtet...
Wir haben doch nur dieses eine Leben."

Katerina Gordeevas "Geschichten" zeigen auf fast unerträgliche Weise das wahre Gesicht des Krieges, der größtmöglichen aller Katastrophen. Reduziert auf entsetzliche Einzelschicksale multipliziert dieses Buch die gewohnte Berichterstattung weit über das gegebene Maß hinaus.

Es gibt deshalb unendlich viele Fragen, die aber ausnahmslos nicht beantwortet werden können. So wird auch "Irynas" Frage unbeantwortet bleiben:

"Was hat man ihnen eingeflößt, was ist in ihnen zerbrochen, dass sie ganz normale Menschen so hassen?"

Cover des Buches Nimm meinen Schmerz (ISBN: 9783426279175)
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Rezension zu "Nimm meinen Schmerz" von Katerina Gordeeva

RenaM
Katerina Gordeeva - Nimm meinen Schmerz

„Aber eigentlich handelt (meine Geschichte) nicht von mir. Sie handelt von den Menschen. Manche verwandelt der Krieg schnell zu Bestien. Ich habe solche gesehen: Man gibt ihnen eine Waffe, und sie verlieren sofort alles Menschliche. Verlieren ihr Gewissen und Mitgefühl. Ich habe gesehen, wie schnell das geht.“ (S. 71).

Solche Geschichten, von Menschen, Frauen, Männern, Kindern, im Krieg erzählt die Journalistin Katerina Gordeeva. Oder vielmehr sie lässt diese Menschen ihre Geschichten erzählen, sie hört zu, stellt manchmal Fragen, manchmal fehlen ihr aber auch die Worte. Und manchmal möchten die Ukrainerinnen gerade mit ihr nicht sprechen, denn Katerina Gordeeva ist Russin.

Sie ist eine sehr einflussreiche, unabhängige Journalistin, die mit Preisen ausgezeichnet wurde und die 2014 ihr Land verließ aus Protest gegen die Annexion der Krim durch Russland. Heute lebt sie in Lettland. Aber Gordeeva hat noch Familie in Russland, Freunde und Bekannte. Und viele ihrer Gesprächspartner, deren Geschichten dieses Buch versammelt, hatten zu Beginn Probleme damit, einer Russin zu vertrauen.

Es sind vor allem Frauen, die in diesem Buch zu Wort kommen. Frauen, die Furchtbares erlitten haben, Frauen, die geflohen sind, nach Polen, nach Deutschland, nach Italien. Und Frauen, die geblieben sind, weil sie eine alte Verwandte pflegen müssen, weil sie ihre Tiere nicht zurücklassen wollten, weil sie nah bei ihren Männern bleiben wollen.

Es sind Frauen, die schwer verletzt wurden, deren Männer umkamen, deren Kinder umkamen. Es sind Frauen, die alles verloren haben.

Die Geschichten sind schwer zu ertragen. Da ist Irma, die ihr Augenlicht und ihre Beine verlor bei einem Angriff, als sie ihre Katze retten wollte. Sie sitzt im Rollstuhl und muss ihr Leben ganz neu lernen. Da ist Inga, für die Bügeln wie eine Therapie ist, nur wenn sie bügelt, kann sie ihr Leben ertragen, nachdem sie Mann und Sohn verlor.

Da ist Yulia, in deren Kopf ein Bombensplitter steckt. Sie lässt sich nicht operieren, weil sie ihre Tochter nicht allein lassen will. Und da ist Taissija, eine alte Frau, verpflanzt gegen ihren Willen aus der Ukraine in ein Lager in Rostow am Don. Dort in dem Lager, das sie nicht verlassen dürfen, wo es den angeblich Geflüchteten angeblich gut gehen soll, wo sie nicht erfahren, was mit ihnen geschehen soll, verkümmert Taissija, wartet auf den Tag, an dem sie zurückkehren darf, der Tag, der nie kommt.

Und da sind die Männer, die erzählen, auch sie und auch Russen lässt Katerina Gordeeva zu Wort kommen. Und auch wenn es beim Lesen schwerfällt, Mitgefühl für die Angreifenden zu empfinden, so ergreifen auch deren Schicksale, sind doch die wenigsten von ihnen freiwillig in diesen Krieg, der nicht so genannt werden darf, gezogen.

Es wird viel geweint während diese Menschen ihre Geschichten erzählen. Auch mir kamen an vielen Stellen dieses Buches die Tränen, denn die Art, wie die Autorin diese Geschichten aufschreibt, mit welchen Worten es ihr gelingt, die Schicksale greif- und fühlbar zu machen, ist aufwühlend, erschütternd und dabei genau richtig.

Dieses Buch muss man lesen.

Einziges Manko: Das Glossar, welches die ukrainischen Ausdrücke und Abkürzungen erläutert hätte besser vorne im Buch gestanden statt ganz hinten, wo man es erst am Ende und eher durch Zufall findet.

Katerina Gordeeva - Nimm meinen Schmerz
aus dem Russischen von Jennie Seitz
Droemer, Oktober 2023
 Gebundene Ausgabe, 349 Seiten, 24,00 €

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