Cover des Buches Es war einmal Aleppo (ISBN: B01M71ZC5U)
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Rezension zu Es war einmal Aleppo von Jennifer Benkau

Aleppo – älteste Stadt der Welt

von JanaBabsi vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Dieses Buch musste geschrieben werden - danke dafür!

Rezension

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JanaBabsivor 7 Jahren
Nach einem idyllischen Familienurlaub in Dänemark, ganz ohne Technik (ohne Handy, Tablet, Laptop und ohne TV), kehren die 16jährige Antonia (Toni) und ihre Familie nach Hause zurück. Der Schock könnte größer nicht sein, denn der alte Tennisclub, der sich genau gegenüber ihres Hauses befindet, wurde zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt. Antonias Familie ist sich einig – das Flüchtlingsheim muss weg. Natürlich muss man diesen armen Menschen helfen, aber doch bitte nicht hier, nicht vor der eigenen Haustüre. Antonias Vater versucht, mit Hilfe einer Unterschriftenliste, Druck auf seinen besten Freund, den Bürgermeister von Hilgesbach, auszuüben, diese Flüchtlingsunterkunft an einen anderen Ort zu verlegen. Genau wie ihr Vater, ihr Bruder Alex und ihre Mutter, setzt auch Antonia ihre Unterschrift auf diese Liste. Als sie kurz darauf ihre Freundin Felicitas in die Unterkunft begleitet und dort den 18jährigen Syrer Shirvan kennenlernt, beginnt ihr Weltbild zu bröckeln …...

Es gibt zu viele Flüchtlinge, sagen die Menschen.
Es gibt zu wenig Menschen, sagen die Flüchtlinge.
(Ernst Ferstl)

Bei „Es war einmal Aleppo“ aus der Feder von Jennifer Benkau, handelt es sich um ein Jugendbuch mit der Altersempfehlung ab 12 Jahren. Wie in vielen anderen Rezensionen erwähnt, würde auch ich das Buch als ein „All-Age-Buch“ einstufen. Der Schreibstil ist einfach gehalten, das ist der Zielgruppe geschuldet, der Inhalt ist jedoch alles andere als einfach.

Die Namen der Protagonisten und der Handlungsort in dieser Geschichte sind fiktiv – alles andere entspricht der bitteren Realität von knapp 800.000 Menschen, die im letzten Jahr in Deutschland Zuflucht vor Krieg, Terror und Zerstörung ihres Heimatlandes gesucht haben.

Für mich stehen Toni und ihre Familie stellvertretend für die Bevölkerung Deutschlands. Während ein Teil der Bevölkerung – Toni – die Angst vor dem Unbekannten nur kurz aufflackern lässt um diese dann in Neugierde und Tatkraft umzuwandeln, versucht ein anderer Teil – Tonis Vater - zu verhindern, dass ein Flüchtlingsheim in direkter Nachbarschaft gebaut/eröffnet wird. Ein dritter Teil wendet sich, wie Tonis Bruder Max, der rechten Szene zu und der Rest, so wie Tonis Mutter, verhält sich eher still und bedeckt und wenn dann doch mal etwas gesagt wird, dann handelt es sich in der Regel um leere Floskeln, die eher einem Nachplappern gleichkommen, als einer eigenen Meinung.

Shirvan steht für ein ganzes Volk von Syrern – aus der Heimat geflüchtet aus Angst vor dem Krieg, mittellos, traumatisiert und ohne Hoffnung in Deutschland angekommen, angewiesen auf die helfenden Hände der Deutschen.

Zu fliehen und Dankbarkeit zu empfinden, seinem Heimatland entkommen zu sein, heilt nicht von Heimweh. Diese Dankbarkeit macht das Leid vielleicht sogar besonders bitter. (Shirvan)

Am Anfang der Geschichte hat Toni Angst vor Shirvan, weil sie vor 3 Jahren von jungen Männern mit Migrationshintergrund belästigt wurde. Eigentlich hat sie Angst vor allen Männern in der Flüchtlingsunterkunft, weil diese anders aussehen, eine andere Sprache sprechen und man hört doch so viel davon, dass sie sich Frauen gegenüber respektlos benehmen. Shirvan ist 18 Jahre alt, spricht 3 Sprachen fließend und arbeitet als Dolmetscher im Camp und so kann er sich mit Toni auf Englisch unterhalten. Da Toni Tag für Tag in der Unterkunft erscheint um dort zu helfen, lernen die Beiden sich näher kennen. Shirvan erzählt Toni von seiner Heimat, zeigt ihr Fotos auf dem Smartphone - die einzige Möglichkeit Bilder seiner Familie und seiner Heimat bei sich zu tragen – er erläutert ihr die politische Lage in Syrien und dass dieser unmenschliche Krieg durch ein Graffiti ausgelöst wurde, das von einem Kind an eine Wand geschrieben wurde.

Ich hatte mir syrische Städte ganz anders vorgestellt.
„Das ist Aleppo?“, frage ich.
„Nein“. Er steckt das Handy wieder ein und senkt den Blick.
„Es war einmal Aleppo“

Während drinnen im Flüchtlingsheim ganz langsam zwischen Toni und Shirvan mehr entsteht als nur Freundschaft, demonstrieren draußen, vor den Toren der Unterkunft, die „besorgten deutschen Bürger“. Letztendlich kommt es, wie es kommen muss; Tonis Eltern erfahren, dass ihre Tochter sich „mit einem von denen herumtreibt“ und nur die direkte Konfrontation zwischen den Eltern, Bruder Max und Shirvan kann jetzt noch helfen die Situation zu entschärfen. Frei nach Oscar Wilde, der sagte, dass ihn nur Essen beruhigt, wenn er völlig erregt ist, kocht Shirvan ein typisch syrisches Essen und stellt sich den Fragen von Tonis Eltern.

Vom ersten Moment an, als Jennifer Benkau dieses Buch auf Facebook angekündigt hatte, wusste ich, dass ich es lesen muss. Ich habe es schon vor einigen Wochen gelesen, es fiel mir jedoch schwer, eine Rezension dazu zu schreiben.

Das, was Shirvan erzählt, über die Flucht, die Zustände in Syrien, insbesondere Aleppo und Damaskus, war für mich kein Neuland. Ich kenne solche Schicksale zwischenzeitlich auch – nicht aus dem Fernseher oder aus den sozialen Medien, sondern aus erster Hand. Von jungen Menschen, die vor Krieg und Tod geflüchtet sind um hier in Deutschland in Sicherheit zu leben.

Ich befürchte, dass dieses Buch nur von den Menschen gelesen wird, die Flüchtlingen generell schon Empathien entgegenbringen. All diejenigen, die dieses Buch eigentlich lesen sollten, werden einen großen Bogen drumherum machen. Ich wünsche mir, dass viele Eltern ihren Kindern dieses Buch schenken oder es sogar gemeinsam mit ihnen lesen um sie für das Schicksal dieser Menschen zu sensibilisieren. Natürlich gibt es auch unter Flüchtlingen Idioten, aber die Mehrzahl dieser Menschen möchte nur eines: Frieden

Danke Jenny, dass Du dieses Buch geschrieben hast.
Die Geschichte von Shirvan steht stellvertretend für hunderttausende Einzelschicksale.
Seit Januar 2016 leben syrische (Flüchtlinge) Freunde in meinem Haus – eine der besten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe.
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