Rezension zu "Ein Vampir ist nicht genug" von Jennifer Rardin
Vampirromane gab es in der Hochphase diese Genres (zw. 2005 und 2015) in jeder Variante. Die Reihe um die Heldin Jaz Parks kommt auf den ersten Blick als actiongeladener Agententhriller daher, allerdings mit witzig kaschierten psychologischen Einblicken in die tief traumatisierte Seele der Hauptakteurin. Um den Genre-Mix komplett zu machen, ist Jaz die Hilfskillerin eines mächtigen Vampirs, der für den CIA als Liquidator für seine auf Abwege geratenen Artgenossen arbeitet. Klingt wie eine irre Mischung und das ist es auch: Total abgefahren! Und deshalb für mich apart zu lesen.
Gleich vorweg: Von Jennifer Rardins Jaz-Parks-Reihe (2007-2012) sind lediglich die erste drei Bände auf Deutsch erschienen und derzeit nur noch antiquarisch erhältlich (aber das sehr leicht!). Wer englisch liest kann das Vergnügen bis Teil 8 steigern. Leider ist die Autorin 2011 im Alter von 45 Jahren und damit noch vor der Veröffentlichung des abschließenden Bandes verstorben – unerwartet. Ihre einzige Heldin Jaz war sich dessen immer bewusst, „dass im Leben nichts nach Plan läuft. Gar nichts. Niemals“ (76). Es wäre interessant gewesen, wie Jennifer Rardin ihr Werk fortgesetzt hätte, denn in einem Interview kurz vor ihrem Tod verriet sie, dass sie bereits eine neue Reihe begonnen hat.
„James Bond meets Dracula“ …
… schreibt die Genre-Kollegin Patrica Briggs (auf der Cover-Rückseite). Tatsächlich ist der altgediente CIA-Killer Vayl 1713 in Rumänien geboren und natürlich ein Vampir, nicht im Dienste seiner Majestät, sondern des amerikanischen Geheimdienstes, aber mit der Lizenz, Vampire zu töten. Obwohl er der beste Auftragskiller der Abteilung ist und neben den Bond-Qualitäten auch magische Fähigkeiten besitzt, verlangt er nach einer Partnerin und Jasmine Elaine Parks, genannt Jaz, fällt diese Aufgabe zu. Nach einem desaströsen Auftrag, von dem wir erst später erfahren, ist die Agentin dermaßen draufgängerisch unterwegs, dass der Chef ihr Todessehnsucht unterstellt. Der reflektierte Vayl verlangt Jaz erst einmal viel Geduld ab und holt sie in der Routine zurück. Doch natürlich bleibt es in dieser Konstellation nicht lange beschaulich. Ein typischer Auftrag – auskundschaften, befragen und liquidieren – entpuppt sich als großes Ding.
Der plastische Chirurg Assan sammelt für wohltätige Zwecke, das Geld fließt jedoch in dunklen Kanälen zu der Extremistengruppe „Söhne des Paradieses“, die einem mystischen Kult (Tor-el-Degan) anhängen und menschenverachtende Anschläge verüben. Die Liquidation des scheinheiligen Arztes soll geräuschlos über die Bühne gehen. Doch bereits in der Phase des Auskundschaftens belauschen die beiden Agenten auf einer Charity-Veranstaltung ein Gespräch über Experimente mit einem Super-Virus, was eine Plan-Änderung verlangt. Die Zeit drängt. Und vermutlich steckt hinter alllem der Raptor, „das oberster Angriffsziel“ (31) der Abteilung.
In der weiteren Handlung vermischen sich die beiden Ebenen bunt: Agententhriller und Supernatural, aber der Verständlichkeit wegen will ich ich sie kurz als zwei Stränge nacherzählen.
Agententhriller: Jaz, eine kick ass herorine (wie es im englischsprachigen Raum genannt wird), ist äußerst wehrhaft und waffentechnisch bestens ausgestattet, was ihr permanent hilft, denn auf Vayl und Jaz werden mehrere Mordanschläge verübt, obwohl niemand außer der Abteilung ihren Aufenthaltsort und Auftrag kennt. Es muss einen Maulwurf in den eigenen Reihen geben. Ist es die resolute Chefsekretärin oder einer von drei Senatoren im Aufsichstrat? Der Ex-Marine und miserable Vater von Jaz lässt seine Connections spielen und deckt makabre Verbindungen zwischen Politik und Terroristen auf. Doch auch die tote Ex-Frau von Vayl hat sich zu den Terroristen gesellt und mischt ordentlich mit. Den Anschlag mit einem Killervirus, der die Menschheit reduzieren soll und die Weltherrschaft herbeiführen, können die beiden Agenten nur in letzter Sekunde verhindern.
Supernatural: Jaz riecht seit ihrem traumatischen Erlebnis Vampire und entwickelt einen übersinnlichen Spürsinn, der ihr gegenüber Untoten einen großen Vorteil verschafft. Vayl hat sie nicht zufällig als Partnerin ausgewählt und bittet sie, seine Seelenbeschützerin, seine Avhar, zu werden. Ihre Verbindung vertieft sich weiter, denn Valy muss aufgrund von verdorbenen Vorräten das Blut von Jaz trinken muss. Als sie bei einer hilfreichen Wahrsagerin plötzlich in Trance verfällt, durchlebt sie ihr verdrängtes Trauma und erfährt, dass sie wie ihr ganzes Team tot war und nur durch eine Lichtgestalt wiedererweckt wurde. „Was willst du, Jasmine?“ fragt die Lichtgestalt – „Kämpfen“ (292). Das ist ihr Wille und der himmlische Auftrag. Sich dessen plötzlich bewusst, steigern sich die übersinnlichen Gaben der Agentin. Der Übermacht ihrer Gegner, die sich aus Magiern, Vampiren und einem seelenfressenden Monster-Dämon (Reaver) zusammensetzt, begegnet sie im Showdown nicht nur als Kick-ass-heroine, sondern mehr noch als Körperlose, die an verschiedenen Orten wie ein Geist agiert und ihre Feinde bluten lässt …
Großartig, das fehlt mir gerade noch. Nicht nur, dass ich einen Megaterroristendavon abhalten muss, ein verdammtes Virus zu verbreiten. Jetzt muss ich auch noch ein psychotisches Wesen aus dem Jenseits mit Heißhungerattacken jagen. (158)
Psychologie der Heldin
Die 25-jährige Jaz ist definitiv durchgeknallt. Vorwitzig, derb und trotzdem sensibel. Knallhart und ohne Skrupel befördert sie ihre Zielpersonen in Jenseits (kick-ass-heroine), hadert aber ständig mit ihrem Selbstbewusstsein und kümmert sich rührend um ihre schwangere Schwester und ihren Vater, obwohl sie von diesem als Kind verlassen wurde und ihn für einen egoistischen Narzisten hält. Kommt sie in ein neues Hotelzimmer, stellt sie Couch und Stühle unbewusst immer in eine bestimmte Konstellation. Sie trägt ein Kartenspiel bei sich, die sie zur Zerstreuung mischt. Nachts plagen sie finstere Albträume … Alles Auswirkungen ihres traumatistierten Schuldkomplexes.
Mat, ihr Liebhaber, die Frau ihres Bruders und das ganze Teams sind bei einem Einsatz unter ihrem Kommando draufgegangen, was andeutungsweise durch ihre ganze Erzählung schimmert, bis sie die komplette Szene noch einmal durchlebt und auf diese Weise verarbeitet. Wie die Vampire – nur anders – ist Jaz selbst eine Untote und nutzt diese Chance zum übernatürlichen Kampf. Sie wird nicht ruhen, bevor nicht der letzte Vampir vernichtet ist, der ihr Team ausgelöscht hat.
Thriller, Fantasy oder was?
Jaz Parks ist schräg und lässt sich deshalb schlecht einordnen.
Die inneren Monologe der Ich-Erzählerin sind skurril, cool, aber mitunter auch zu gewollt, davon abgesehen, dass ich einige Anspielungen recherchieren musste, um sie zu verstehen. Dennoch ist die Psychologie der Heldin glaubwürdig gezeichnet und geht in Richtung Psychothriller.
Die Weltrettung ist etwas zu dick auftragen, aber natürlich gehört dies zu jedem älteren Bond (die neueren begnügen sich mit regionalen Konflikten) und bedient ebenso einen Standard des Agentengenres wie auch die Waffengadets und ausführlich geschilderte Kampfszenen.
Vampire, Werwölfe, Magier und seelenfressende Dämonen passen in die Fantasy-Schublade. Eher selten sind dort aber intensiv erzählte Nah-Tod oder Todeserfahrungen und außerköperliche Reisen zu finden.
Esoterik-James-Bond vielleicht …?
Fazit
Die Jaz-Parks-Reihe ist eine sehr nette Abwechslung im Einerlei der Vampir-Romane, aber manchmal auch too much und zu quer.
Es gibt Ähnlichkeiten im Stil zu Jeanine Frosts Cat-and-Bones-Reihe (ab 2006) wie die selbstreflektierenden inneren Monologe, die genauso witzig und sympathisch wirken. Aber es gibt deutlich weniger Erotik, was bei Cat-and-Bones durchaus für ein bisschen mehr Würze gesorgt hat.
Wieder verliert der Roman an Tiefe, weil die Bösen nur als leicht durchschaubare Pappkameraden gezeichnet sind und ein korrupter Senator sein Land aus Machtgelüsten in den Untergang stürzten will. Das ist leider weit von einem interessanten politischen Hintergrund entfernt.
Sehr unterhaltsam, besonders, aber nicht gerade nachhaltig.