Rezension zu ""Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind"" von Jens Meyer-Wellmann
Dass alle glücklichen Familien einander ähneln, hat Leo Tolstoi im berühmten ersten Satz von "Anna Karenina" behauptet. Vermutlich hat er Recht, wahr ist aber auch: Familie macht nicht nur glücklich, sondern auch Arbeit und Stress und bisweilen stinksauer. Damit in der Summe das Glück überwiegt, hilft Humor – wie fast immer im Leben. „Schrei mich nicht an, ich bin ein Wunschkind“ versammelt Glossen über den alltäglichen Familien- und sonstigen Wahnsinn, die zwischen 2009 und 2013 in der Tageszeitung „Die Welt“ erschienen sind. Da geht es um einen Vater, der viel zu umständlich erklärt, warum eine nackte Blondine auf dem Kondomautomaten klebt. Um kleine Sprücheklopfer, die sich täglich steigern und ihre Eltern immer eloquenter auf die Palme bringen – etwa bei allabendlichen Ins-Bett-Geh-Streit. Da wird Darth Vader zum Ausmisten abkommandiert. Und ein Fünftklässler findet plötzlich alles "total unnötig". Wenn der erste vollständige Satz des Jüngsten "Papa, das ist unge-echt" lautet, geht es natürlich auch um das große (Geschwister-)Thema Gerechtigkeit. Damit es auch in diesem eBook ge-echt zugeht, dreht es sich aber nicht ausschließlich um Kinder. Sondern auch um die Modernisierung der männlichen Midlife Crisis, um weibliche Küchenversteckspiele, um die Mannwerdung beim Anzugkauf, mitternächtliche Chef-Mails, die aktuelle Sexismus-Debatte, die Aberwitzigkeit des Politik- und Medienbetriebs oder panische Grippe-Ängste. Und um eines der am besten gehüteten Geheimnisse unserer Zeit: Was die Kombination der Schuhgrößen der Ehepartner über ihre Beziehung verrät.
Ein nettes Buch für zwischendurch. Einige Kolumnen sind ganz witzig, andere regen doch etwas zum Nachdenken an. Vom Schreibstil her manchmal recht schwer zu lesen.