Jeph Loeb

Sowohl in "Das lange Halloween" als auch in "Dark Victory" zeigt Selina Kyle alias Catwoman ein gesteigertes Interesse an der Falcone-Familie, insbesondere an derem Oberhaupt, Carmine "Der Römer" Falcone. Wer sich, wie auch Batman, gefragt hat, woher dies rührt, dem liefert die von 2004 bis 2005 veröffentlichte Storyline "Damals in Rom" (engl. "Catwoman: When in Rome") nicht nur eine Antwort, sondern auch Nachschub aus der Feder des kongenialen Duos Loeb und Sale. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Fortsetzung im klassischen Sinne. Vielmehr spielt sich die Handlung parallel zu den Geschehnissen in "Dark Victory" ab.

Selina Kyle hat die Reise in die ewige Stadt Rom angetreten, um das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften. Seit längerem vermutet sie, dass "Der Römer" ihr leiblicher Vater ist und hofft nun, in dessen Heimat Antworten auf ihre Fragen zu finden. Um das Rätsel zu lösen hat sie sich Verstärkung mitgenommen: Edward Nygma, der Riddler, einziger Überlender der Holiday-Morde, wird von Selina genötigt, seine Fähigkeiten in ihren Dienst zu stellen. Der hat aber selbst ganz andere Pläne und wird der Diebin aus Leidenschaft durch seine übergriffigen Avancen bald überaus lästig, zumal besonders der Dunkle Ritter Gothams einen Großteil ihrer Gedanken in Anspruch nimmt. Eine Ablenkung, die sich als gefährlich erweist, denn die Mafia mag es natürlich gar nicht, wenn man die Nase zu tief in ihre Familienangelegenheiten steckt und macht bald Jagd auf Catwoman. Ihr einziger Verbündeter: Ein kaltherziger, blonder Auftragskiller mit undurchsichtigen Motiven.

Sind wir mal ganz ehrlich: Sehr viel her gibt diese Handlung nicht wirklich, denn erstens ist der Ausgang weitestgehend absehbar und zweitens verrät bereits "Dark Victory", dass Selinas zukünftiger Weg durch die gewonnenen Erkenntnisse nicht großartig beeinflusst wird. Übermäßig lesenswert ist "Damals in Rom" also nicht - daber dafür umso sehenswerter. Dass Catwoman in ihrer hautengen Montur schon grundsätzlich die Blicke auf sich zieht, sollte allgemein bekannt sein. Tim Sale, leider bereits 2022 verstorben, treibt das hier aber nochmal bewusst auf die Spitze(nunterwäsche). Selina Kyle räkelt sich lasziv auf gleich mehreren Seite, was nicht nur den betörten Riddler beeindrucken dürfte und einen eher ungewohnten Schuss Erotik in die Welt von Batmans großer On/Off-Beziehung bringt. Loeb versieht all das aber mit einem derart herrlich trockenen Humor, dass diese Offenherzigkeit nie plump ausfällt, dafür aber stattdessen einen gewissen Charme mitbringt.

In den auf sechs Wochentagen aufgeteilten Kapiteln geben ein paar der üblichen Verdächtigen aus Batmans Schurkenriege ihr Stelldichein, ohne dabei aber wirklich einen Einfluss auf den Ausgang der Handlung zu nehmen. Der weiß tatsächlich zu überraschen. Zumindest mich, der mit der Auflösung, wer hier Selina das Leben so schwer macht, nicht gerechnet hatte. Bis dahin wissen die sehr stimmungsvollen, bewusst in mediterranen Tönen gehaltenen Zeichnungen zu begeistern. Licht und Schatten werden wieder einmal äußerst gekonnt von Sale eingesetzt, wobei er, passend zur femininen Hauptfigur, dem Pinsel diesmal weitaus weicher zum Einsatz bringt, als in dem doch vergleichweise sehr konstrastreichen "Dark Victory".

"Damals in Rom" ist kein Epos wie "Das lange Halloween" oder eben "Dark Victory", will das aber auch gar nicht sein. Als Spin-Off macht es dennoch (im wahrsten Sinne des Wortes) eine gute und ansehnliche Figur. Insbesondere Catwoman-Fans kommen an diesem wirklich kurzweiligen Comic nicht vorbei.

90/100

Original: Catwoman: When in Rome # 1-6, 2004-2005

Als das Duo Jeph Loeb und Tim Sale Ende der 90er Jahre damit begann eine inhaltliche Fortsetzung zu "Das lange Halloween" unter dem Namen "Dark Victory" zu veröffentlichen, lag die Latte verdammt hoch. Der Vorgänger galt schon damals (und heute umso mehr) als ein Höhepunkt im durchaus umfangreichen Comic-Kanon des Dunklen Ritters. Die Story rund um die Jagd nach dem mysteriösen Holiday-Killer und der daraus resultierenden Entstehung von Two-Face hat Maßstäbe gesetzt - inhaltlich und visuell. Und für viele Batman-Fans reicht die daran anknüpfende Geschichte auch an dieses Niveau nicht mehr heran. Für viele, allerdings nicht für mich, denn "Dark Victory" legt meines Erachtens hier gleich nochmal in vielerlei Punkten eine deutliche Schüppe drauf. Insbesondere im Bereich Spannung und Komplexität.

Ein Jahr nach dem das lange Halloween zu Ende gegangen ist und der letzte Mafiosi durch den Serienmörder Holiday sein Leben verlor, hat sich das Antlitz Gothams verändert. Der Preis für den Sieg über die Mafia war hoch, denn zwar sind die alten Verbrecherimperien nun zersplittert und geschwächt, doch dafür nehmen nun nach ihrer Flucht aus Arkham die sogenannten "Freaks" die vakanten Plätze ein. Und auch das aus Captain Gordon, Batman und Harvey Dent bestandene Trio wurde gesprengt.

Dent, einst größte Hoffnung auf ein besseres Gotham und Batmans vielleicht engster Verbündeter, weil er den Kampf gegen das Verbrechen ähnlich rigoros führte, ist nach Sal Maronis Säureattacke nicht nur körperlich für immer entstellt, sondern als Two-Face zwischen zwei Persönlichkeiten gefangen. Hinzu kommt, dass eine neue Mordserie an Feiertagen die Stadt erschüttert. Diesmal sind allerdings ehemalige und aktive Polizisten das Ziel. Und an jedem Tatort finden die Ermittler ein Galgenmännchen-Rätsel.

Steckt der Riddler dahinter, den der Holiday-Killer als einzigen leben ließ? Oder nimmt gar Two-Face selbst Rache an seinen ehemaligen Kollegen?

Loeb und Sale inszenieren hier nicht nur einen unfassbar spannenden Krimi, sondern geben uns tatsächlich alle Mittel in die Hand, um den Fall selbst (noch vor Batman und der Polizei) zu lösen, wozu allerdings nicht nur ein gutes Auge, sondern auch ein gehöriges Wissen über das Universum des Dunklen Ritters (und dessen Feinden) vonnöten ist. In Dark Victory" gibt es so viele Nebenhandlungen und Schauplatzwechsel, dass es mitunter schwer fällt, den Überblick zu behalten. Und wer nicht den Vorgänger kennt, ist hier gleich von Beginn an gänzlich verloren, da auf "Das lange Halloween" immer wieder ausführlich Bezug genommen wird. Wer allerdings all das mitbringt, wird in einen düsteren, kaptivierenden Noir hineingezogen, der so ziemlich alles richtig macht und den Leser emotional auf ganzer Linie abzuholen weiß.

Scheinbar nebenbei erzählt das Duo dann auch die Origin-Story des ersten Robins, Richard "Dick" Grayson, dessen Eltern Opfer eines Anschlags auf den Haly-Zirkus durch den Mob werden, worauf sich Bruce kurzerhand seiner annimmt und dem Jungen vorerst ein Zuhause in Wayne Manor bietet. Dick füllt damit nicht nur die Lücke, die der gefallene Harvey Dent hinterlassen hat, sondern auch die von Catwoman, welche in "Dark Victory" Gotham für eine persönliche Untersuchung in Richtung Italien (mehr dazu bald in "Damals in Rom") verlässt. Anders als in vielen Comics (oder z.B. der 60er Serie mit Adam West) fügt sich der bunte Robin, zu dem der ehemalige Zirkusathlet durch ein intensives Training natürlich wird, hier hervorragend ein, weil er selbst mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Wie Loeb und Sale diese Parallelen zu Bruce hervorheben, ist ganz großes Comic-Kino.

Und das gilt letztlich für das gesamte Werk. Ein in sich stimmiges, fesselndes Meisterstück, das am Ende mit der Auflösung der Mordserie erneut zu überraschen weiß und letztlich auch nochmal verdeutlicht - ohne Verbündete oder einen Partner an seiner Seite, kann auch der fähige einsame Rächer den Schwur an seinen Eltern niemals erfüllen.

97/100

Original: Batman: Dark Victory # 0-13, 1999-2000

Neben Frank Millers "Das erste Jahr" und "Die Rückkehr des Dunklen Ritters" gibt es wohl nur noch einen weiteren Comic, der den gesamten Batman-Kanon (und letztlich auch die filmischen Umsetzungen) derart maßgeblich beeinflusst hat - "Das lange Halloween" von Jeph Loeb und Tim Sale.

Von 1996 bis 1997 in der epischen Länge von insgesamt 13 Kapiteln veröffentlicht, gilt es heute als eines der besten Graphic Novels überhaupt - und das auch vollkommen zurecht. Loeb und Sale fackeln hier nicht nur ein Ideen-Feuerwerk rund um Batmans größte Gegenspieler ab - sie setzen auch visuell Maßstäbe mit ihren Reminiszenzen an den klassischen Film-Noir und verfeinern nochmal den schon in "Nacht des Schreckens" beeindruckenden Erzählstil. Und das in einer Geschichte, die es in sich hat und einen der wichtigsten Momente im Leben des Dunklen Ritters erstmalig in der nötigen Intensität und Breite thematisiert: Den Fall von Staatsanwalt Harvey Dent.

Was Christopher Nolan in bester Besetzung Jahre später mit "Dark Knight" in etwas abgewandelter Form auf die Leinwand gebracht hat, liegt uns mit "Das lange Halloween" als ursprüngliche Blaupause vor: Gordon, inzwischen Captain des Gotham Police Department, Staatsanwalt Harvey Dent und Batman höchstpersönlich, bündeln endlich ihre Kräfte (in "Batman: Das erste Jahr" hat man sich noch misstrauisch beäugt), um ihr gemeinsames Ziel zu erreichen - den Sturz der Mafia in Gotham, verkörpert durch den scheinbar unangreifbaren "Römer" Carmine Falcone. Besonders Dent und Batman sind - aus unterschiedlichen Gründen - besessen von diesem Kreuzzug und zunehmend frustriert, weil sich immer noch viel zu oft Richter und Zeugen finden, die im richtigen Moment geschmiert werden können.

Falcone, der einst im Kontakt mit Bruce' Eltern stand, zeigt sich weitestgehend unbeeindruckt, als plötzlich an Halloween eine Mordserie ihren Anfang nimmt. Die Opfer: allesamt Mitglieder der Mafia. Der Täter: Ein Unbekannter, genannt "Holiday", den Ermittlern stets einen Schritt voraus. Über ein ganzes Jahr lang schlägt er immer wieder an den Feiertagen zu. Die Presse nennt es "das lange Halloween". Während ein Großteil der Öffentlichkeit den Tod der Verbrecher nicht groß betrauert, sieht der Bürgermeister die Ordnung in seiner Stadt gefährdet und verteufelt diese augenscheinlichen Akte der Selbstjustiz. Gordon werden alle Mittel zur Verfügung gestellt, um den Mörder zu stoppen - und dieser bekommt langsam Zweifel. Ist Batman inzwischen zu weit gegangen? Könnte er der Mörder sein?

Gleichzeitig verliert Batman zunehmend das Vertrauen in Harvey Dent, der sich seit längerem auffällig verhält und für einige der Taten nicht nur kein Alibi, sondern durchaus auch Gelegenheit und Motiv hatte.

"Das lange Halloween" hat mit dem Hau-Drauf-Gewitter des Batmans der 60er Jahre soviel gemein, wie eine Wasserrutsche mit einem Leichenschauhaus. Der Plot ist weitestgehend actionarm, nimmt sich viel Zeit in seiner Erzählung, ist düster und schwermütig. Gotham ist eine Stadt der Sünde, in der selbst die Helden eher hässlich daherkommen, sich ihre Hände schmutzig machen und nebenbei auch ihre Ehen ruinieren müssen, um zumindest hin und wieder dem Recht zum Sieg zu verhelfen.

Tim Sale kleidet das in ein paar der schönsten Panels der Comic-Geschichte. Wenn der Mörder - dann immer in Schwarzweiß - sein nächstes Opfer tötet, kommen einem Klassiker wie "Psycho" ins Gedächtnis, hält man augenblicklich inne und packt die Seiten fester. Loebs Figurenzeichnung steht dem wiederum in nichts nach. Auch wenn wir alle wissen, was aus Harvey Dent wird - die Art und Weise wie es passiert, wie sich alles zuspitzt, die Dramaturgie und die Tragik, sie sitzt wie ein Schlag in die Magengrube. So gut Nolan war und ist - das hier ist weiterhin die Messlatte. Und dass Sale und Loeb es zudem schaffen, noch Antagonisten wie den Joker oder Scarecrow mit einzubauen, ohne die Erzählung zu überfrachten, zeugt ebenfalls von der Klasse dieses Duos.

"Das lange Halloween" ist ein Klassiker und für mich nicht nur ein Juwel im Batman-Comic, sondern eins der besten Graphic Novels überhaupt. Wer sich mit dem Dunklen Ritter beschäftigt, MUSS es gelesen haben, werden doch hier nicht nur für den tragischen Helden Gothams die Weichen für seine spätere Entwicklung gestellt, sondern auch eben für viele weitere Charaktere wie Gordon, Harvey Dent/Two-Face und Catwoman. Prädikat: Meisterwerk!

95/100

Original: Batman: The Long Halloween # 1-13, 1996-1997