"Einsame Weltreise" ist der erste Band einer Trilogie von Alma Karlin, einer der bedeutendsten europäischen Reiseschriftstellerinnen. 1919 begibt sich Karlin auf eine achtjährige Weltreise. Von ihrem Heimatort Celje in Slowenien führt ihre Route über Süd- und Mittelamerika, Kalifornien und Hawaii bis nach Japan und China, wo der erste Teil der Trilogie endet. Ihr ehrgeiziges Ziel: "in Wort und Schrift für den Weltfrieden unter den Völkern zu arbeiten."
Das Unterfangen ist äußerst mutig, da Karlin völlig allein reist, was für eine Frau zu dieser Zeit kaum vorstellbar war. In ihrem Gepäck befinden sich nur ein wenig Geld, ihre Schreibmaschine "Erika" und ihr handgeschriebenes Wörterbuch in zehn Sprachen. Oftmals muss sie Wochen oder Monate an einem Ort bleiben, um durch Sprachunterricht, Dolmetschen und Kunst genug Geld für die Weiterreise zu verdienen (in Panama wird sie die erste vereidigte Dolmetscherin in der Geschichte der Provinz). Dadurch hat sie engen Kontakt mit Einheimischen und erhält tiefe Einblicke in Kulturen und Traditionen ihrer Reiseziele.
Diese Erfahrungen spiegeln sich in ihrem Buch wider. Karlin erzählt mit viel Liebe zum Detail und schafft es, die verschiedenen Orte und Länder lebhaft zu beschreiben. Ihr Schreibstil ist humorvoll, kreativ, künstlerisch und geprägt von einer guten Portion Selbstironie. Neben den Schilderungen der Länder und Menschen liefert sie auch Einblicke in die politische und wirtschaftliche Situation nach dem Ersten Weltkrieg sowie in ihre höchstpersönlichen alltäglichen Erlebnisse und Gefühle, die nicht immer positiv sind. Ständig kämpft sie mit Geldproblemen und Einsamkeit, zudem wird sie als Frau häufig von Männern erniedrigt und gewalttätig angegriffen. Diese Erlebnisse hinterlassen bleibende Spuren und prägen ihre Sicht auf Männer und romantische Beziehungen im Allgemeinen: "auf den tiefsten Tiefen meines Denkens aber lag der angeschwemmte Unrat, der mir zugeworfen worden war, und die Bitterkeit, dass der Mann im Weibe nur den Gegenstand seiner flüchtigen Lust und nicht ein Wesen sieht, dem er sich mitteilt, mit dem er des Lebens Wechselfälle verständnistief miterlebt [...], diese Bitterkeit ist nie wieder von mir gewichen."
Trotz ihres Wunsches, unterschiedliche Kulturen kennenzulernen, zeigt Karlin oft einen eurozentrischen, imperialistischen Blick. In diesem Aspekt ist sie leider Kind ihrer Zeit. Manche ihrer Kommentare sind schwer zu lesen, da sie Ideen der damaligen Rasseideologien widerspiegeln. Im Verlauf ihrer Reise nehmen diese Kommentare jedoch ab. Später wird sich Karlin im Zuge ihres antifaschistischen Engagements für jüdische Flüchtlinge vor und während des Zweiten Weltkrieges einsetzen.
Alma Karlins "Einsame Weltreise" bietet einen faszinierenden Einblick in die Welt der 1920er Jahre durch die Augen einer außergewöhnlichen Frau. Trotz ihrer problematischen Sichtweisen ist das Buch ein wertvolles Zeitdokument, das sowohl die Schönheit als auch die Herausforderungen einer Weltreise schildert.