Ich erinnere mich noch gut an die Spannung, die in der Luft lag, wenn es in der Schule einen Feueralarm gab. Natürlich rechnete man immer damit, dass es sich um eine Übung handelt. Dennoch herrschte jedes Mal eine dezent, aber deutlich aufgeladene Stimmung...

Eine ähnliche, zunächst nur etwas angespannte Stimmung wird zu Beginn von Opfer vermittelt, als die Schüler angewiesen werden, das Gelände vorerst nicht zu verlassen.
Der Schrecken beginnt damit, dass ein Lehrer mit Nasenbluten zusammenbricht. Es ahnt niemand, dass dies kein Einzelfall bleiben wird. Eine Epidemie bricht aus.
Schließlich wird um die Schule ein Zaun gebaut; die Lehrer versuchen die Schüler mit Filmvorführungen und Gesang zu beruhigen. Der Unterricht wird nach Stundenplan fortgesetzt, doch immer mehr Schüler können die Situation nicht ertragen, brechen zusammen vor Angst und Verzweiflung. Die ersten Krankheitssymptome machen sich bemerkbar. Erst sterben die Erwachsenen, dann immer mehr Schüler.

Ein Hubschrauber versorgt die Schule mit Verpflegung, schmerzstillenden Medikamenten und vermeintlichen Regencapes, die sich schließlich als Leichensäcke entpuppen.

Irgendwann beginnt jeder Tag mit Beerdigungen. Es fällt immer schwerer, Ruhe zu bewahren. Ratlosigkeit, Verzweiflung, Wut und Wahnsinn machen sich breit und münden in Bandenbildungen, Selbstverletzung, Aggression und Selbstmorde. Wer versucht, den Zaun zu überwinden, wird vom „mechanischen Vogel“ niedergeschossen, der über das Gelände kreist. Es besteht kein Kontakt zur Außenwelt.

Ein kleines Mädchen stellt sich auf den Schulhof und streckt ein Schild in die Höhe: „Wir sind ihr, ihr seid wir.“ Dieser Appell verweist auf das ethische Problem, um das es hier geht: Darf man eine Gruppe von Menschen ihrer Freiheit und ihres Rechts auf medizinische Versorgung berauben, um das Wohl der größeren Allgemeinheit zu schützen?

Dieses große Thema wird mit einer Kombination aus nüchterner Schreibweise und treffsicheren, lebendigen Vergleichen behandelt. Die oft distanzierte, kalt wirkende Schreibweise versetzt den Hörer in eine Art Schockzustand und Ungläubigkeit.

Atmosphärisch wechseln sich Abgestumpftheit und ein Gefühl der Unwirklichkeit mit intensiven Emotionen wie Wut, Verzweiflung und Angst ab. Grandios feinfühlig gesprochen von Sven Schelker.

Ein absolut packendes Hörbuch, das ganz grundlegende Fragen aufwirft und mit seinem Ende zugleich unbefriedigend und positiv aufwühlend ist.