" Ich möchte mich, was Himmel und Hölle betrifft, nicht festlegen, habe ich doch da wie dort gute Freunde." Mark Twain
Ich gestehe es fällt mir ein wenig schwer eine Rezension zu Jessica Lukas Roman "Bloody Diamond: Schatten der Ewigkeit" zu schreiben, da ich nach der Lektüre hin und her gerissen bin zwischen der wirklich spannenden Handlung und der interessanten Idee, die dem Buch zugrunde liegen, aber auch einigen Kritikpunkten, die mich persönlich gestört haben....
Inhalt:
Rassenkriege erschüttern England im 19. Jahrhundert und verlangen unzählige Tode. Menschen und Vampire bekämpfen sich bis aufs Blut und fordern die Vorherrschaft des Landes. Inmitten dieser erbitterten Feindschaft findet sich die Königstochter Emily wieder, die ihrer Familie zum Trotz einen Weg sucht beide Rassen zu versöhnen: Nicht nur aus Liebe zu ihrem Vampirleibwächter Ian, sondern auch der Ungerechtigkeit willen, die das Land zerreißt.
Als englische Königstocher hatte Emily ein gutes Leben. Wohlbehütet lebte sie im Schloss, ohne das Morden und Kämpfen auf den Straßen Londons zu bemerken. Doch als sie eines Tages flüchtet und dabei einen geheimnisvollen, verletzten Mann in einer Gasse entdeckt, ändert er ihr gesamtes Leben: Sie kann nicht mehr aufhören an ihn zu denken, auch wenn sie weiß, dass sie ihn vergessen sollte. Denn er ist gefährlich. Als er jedoch zu ihrem Leibwächter gewählt wird, ohne dass jemand von seiner wahren Identität erfährt, findet sich Emily schon bald vor einer folgenschweren Entscheidung wieder: Wird sie sich für ihre Familie oder für ihre Liebe zu Ian entscheiden?
Meinung:
Die Grundidee und die Welt, die Jessica Lukas Werk zugrunde liegen waren für mich zunächst einmal sehr interessant, obwohl ich mir geschworen habe, nach dem ganzen Biss-Hype zunächst keinen Vampir-Roman mehr anzurühren. Aber allein die Tatsache, dass die Geschichte im historischen London des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist, hat mich dann als Historien-Liebhaber sehr neugierig gemacht.
Der englische König ist verbittert aus den Erfahrungen seiner Vergangenheit und überzeugt davon, dass die Rasse der Vampire das absolut Böse verkörpern und ausgerottet werden müssen. Fanatisch und auf absolut grausame Art lässt er die verhasste Rasse verfolgen und massenweise pfählen. Seiner Tochter Emily ist dies nicht erst seit der Vampir Ian in ihr Leben tritt zuwider. Aber die sich entwickelnde Liebe zu ihm lässt sie zu dem Entschluss kommen, gemeinsam ausserhalb der schützenden Mauern des Schlosses nach einer friedlichen Lösung zu suchen, Menschen und Vampiren ein gemeinsames Leben zu ermöglichen.
Zunächst muss ich sagen, das der Schreibstil der Autorin sehr schön ist. In wunderbaren und bildhaften Sätzen, beschreibt sie eindrücklich das Geschehen und versetzt den Leser so glaubwürdig in die damalige Zeit. Ich konnte ob der ausführlichen Beschreibungen Landschaften, Schloss- und Stadtleben, Charaktere und Geschehnisse mit eigenen Augen verfolgen und fühlte mich immer mitten in der Handlung. An einigen Stellen waren mir allerdings die Ausführungen auch ein wenig zu ausführlich, wenn es um die Beschreibung von manch einem Kleidungsstück der Hauptprotagonistin ging. Hier hätten es ein paar Zeilen weniger getan, um den Leser nicht allzu sehr in seinem Lesefluss zu unterbrechen. Die Sprache war der Zeit angepasst und keineswegs zu modern.
Wir erleben die Handlung aus der Sicht Emilys in der ersten Person. Damit gewinnt der Charakter der Hauptprotagonistin an Tiefe. Der Leser kann sich jederzeit in Emilys Gefühls-und Gedankenwelt versetzten, erlebt hautnah jede Handlung mit und ist genau wie Emily verwundert über so manch eine Entwicklung der anderen Charaktere. Ich fand es zum Einen spannend, dass ich mangels der fehlenden Sichtweisen anderer Charaktere nie wirklich wusste, wie sie der Hauptprotagonistin gesonnen waren, noch wie sie wirklich handeln würden. Das war dementsprechend förderlich für den Spannungsbogen der Handlung und hat mich teilweise mitfiebern lassen. Allerdings bin ich ein emotionaler Leser, der gerne mit den Charakteren fühlt. Ich habe hier einfach die Tiefe bei den Figuren vermisst. Vor allem bei Ian, dessen Gefühle für mich fremd blieben. Ein Perspektivenwechsel zwischen Emily und Ian hätte der Geschichte sicher sehr gut getan und mehr Emotionen im Leser hervorgerufen.
So habe ich mit beiden Hauptprotagonisten gehadert.
Emily war zu beginn eine starke Person, die ganz klar zu ihren Handlungen stand und wenn auch teils zu naiv, immer an das Gute in Mensch und Vampir glaubte. Im Verlauf der Handlung hat mich ihre anhaltende Naivität, die sie und Andere immer wieder in schwierige Situationen bringt, dann allerdings immer mehr gestört. Oft habe ich mir gedacht, die Lösung des Problems hat mit mehr Glück als Verstand zu tun. Oft war mir Emily auch zu nah am Wasser gebaut.
Ian hatte am Anfang etwas Mysteriöses an sich. Er wirkte überlegen, sehr durchdacht und schwer zu durchschauen. Das mochte ich an ihm und machte ihn als Charakter sehr interessant für mich. Ab der Häfte der Handlung, als er seine Liebe zu Emily gestand änderte sich sein Verhalten allerdings gravierend. Er schwor zwar immer wieder, Emily zu schützen, verlor aber sein durchdachtes Verhalten. Oft wirkte er planlos auf mich. Es gab auch die ein oder andere Situation in der ich sein Handeln keineswegs nachvollziehen konnte und er Emily durchaus in Gefahr brachte ( Exorzisten ).
Wirklich nah war mir Ian nur in den interessanten Rückblicken, die er Emily aus seinem Leben gewährt und als er gegen Ende um Emily bangen muss.
Die Liebesgeschichte der beiden konnte ich nur teilweise mitfühlen. Emily verliebt sich einfach viel zu schnell und nicht nachvollziehbar. Ians ständige Kosenamen waren mir oft zu viel. Es gab eigentlich nur eine Szene, in der es wirklich geprickelt hat. Hier wäre es sinnvoll gewesen, den Charakteren mehr Tiefe zu geben, Gefühle auch aus Ians Sicht zu schildern, um die Liebe der beiden glaubhaft darzustellen.
Was ich aber positiv erlebt habe, waren die Nebencharaktere. Damen, Alan und David, Emma und Nikolaj waren liebevoll geschilderte Figuren, die mich teils schmunzeln ließen oder sich einfach in meine Herz geschlichen haben, weil sie mich berührten.
Die Handlung baute sich sehr spannend auf. Es gab neben wenigen Längen immer wieder Situationen, die mich dazu brachten die Luft anzuhalten. Manchmal waren die Lösungen zwar zu einfach und hatten auch mit viel Glück der Protagonisten zu tun, aber es gab zwei herausragende Situationen, die mir sehr gut in der Darstellung gefallen haben. Das war zum Einen der Angriff der Rebellen im Schloss und zum Anderen der gewaltige Showdown am Schluss. Beides hat viele Kritikpunkte, die ich habe wieder aufgewogen.
Besonders das spannende und logische Ende hat mich versöhnt zurückgelassen. Hier konnte Jessica Lukas auch die Gefühle der Charaktere greifbar machen und ich auch die ein oder andere Träne verdrücken.
Was den jungen Leser, der nicht an geschichtlichen Hintergründen interessiert ist, nicht stören mag, mich aber als Geschichtsleser ein wenig geärgert hat, sind die Fehler an historisch verbürgten Personen in der Geschichte. Sicher kann man sagen, es handelt sich hier um einen Fantasy-Roman mit künstlerischer Freiheit, aber ich sehe das kritischer. Wenn man Vlad den Pfähler in eine Geschichte einbaut und zum Vampir jagenden König Englands macht, dann stößt mir persönlich das ein wenig auf. Vlad III Draculae lebte 1431 bis 1476/77 und gehört somit nicht in einen Roman um 1810. Geboren wurde er im transsilvanischen Schäßburg/Ungarn und hat sich durch seine grausamen Taten in den Kreuzzügen gegen die Osmanen den Beinamen "Der Pfähler" verdient. Also ganz weit weg vom englischen König. Bram Stoker machte 1897 aus dieser Persönlichkeit schließlich die Figur des Dracula. Eigentlich der Urvater der Vampire....
Dann wird im Roman der Zar Alexander I erwähnt, der zeitlich in den Rahmen der Handlung passt, aber keinen Sohn hatte. Sein Bruder Nikolaus I bestieg nach dessen Tod den Zarenthron. Vielleicht bin ich etwas kleinlich. Weniger geschichtsinteressierte Leser mögen darüber hinweglesen.
An manchen Stellen haben mich auch kleinere Logikfehler in der Handlung gestört, über die vielleicht auch der ein oder andere hinweglesen kann. Ich habe mich vor allem gewundert, wie eine Frau, die an einer starken Immunschwäche leidet, über einen so langen Zeitraum so belastenden Situationen widerstehen kann, ohne Anzeichen von Krankheit und absoluter Schwäche.
Auch gab es die ein oder anderen Parallelen zu "Vampire Diaries" oder der "Biss-Reihe", die ich hier nicht näher erörtere.
Fazit:
Trotz aller aufgeführten Kritikpunkte handelt es sich um eine interessante Geschichte, die besonders für junge Leser mit viel Spannung aufwarten kann. Ich kann mir vorstellen, dass Vampir-Begeisterte Leser, die teils blutige, actionreiche Szenen mögen sicherlich Gefallen an dem Roman finden werden. Auch die Idee einer ungewöhnlichen Liebe hat mir zugesprochen. Mit ein wenig Aufarbeitung kann sicherlich ein gelungener Roman entstehen, der eine große Fangemeinde findet.