Wie würde man reagieren, wenn ein Traum, der zum Greifen nahe ist, zerplatzt, weil plötzlich alles anders verläuft, als man geplant und erhofft hat?
Genau so erging es Leni, die schon in jungen Jahren aufgrund des Todes ihrer Eltern in die Mutterrolle für ihre kleine Schwester Ria schlüpfen und sich nebenbei um den Haushalt für ihren Bruder Benno und den besten Freund der Familie, Viktor kümmern musste. Sie sparen jede Mark, um den Traum ihrer Eltern, nach Amerika auszuwandern, zu erfüllen.
Doch dieser Traum scheint wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Durch die ärmlichen Zustände ist das Verhältnis zwischen Leni und Ria sehr angespannt, da die Kleine nicht verstehen kann, warum es diese Unterschiede gibt. Die Vorbereitung auf die Reise, die Abwicklung in den Auswandererhallen und der Verlauf der Reise samt all den Vorkommnissen machen aus einem Traum einen Albtraum.
Ich war sofort mitten im Geschehen. Wer die Bücher der Autorin kennt, weiß, dass man mit Spannung, Dramatik und unerwarteten Wendungen rechnen muss. So auch hier.
Die angespannte Stimmung, das Gefühlschaos, die Angst vor der ungewissen Zukunft und auch die Herausforderung, immer die beste Entscheidung für alle gemeinsam zu treffen, machen Leni schwer zu schaffen und dieser Konflikt ist deutlich zu spüren. Sie reagiert oft impulsiv, emotional und überängstlich, was das Verhältnis zueinander noch erschwert und zu ungeahnten Folgen führt.
Oft hätte ich sie gern geschüttelt und besonders der treue, liebenswerte Viktor hat eine Engelsgeduld mit ihr, was ich zutiefst bewundert habe.
Ich war einige Male erschüttert, was für eine Kettenreaktion Rias nörgelige, aufmüpfige und ablehnende Art und Lenis Reaktion darauf auslöst, besonders weil es teilweise so widersprüchlich ist und doch lernt man nach und nach beide Seiten besser kennen und verstehen. Immer wieder taucht die Frage auf: Was hätte ich getan?
Die Geschichte muss man wirken lassen. Ich hatte so viel Gefühlschaos beim Lesen, sämtliche Emotionen kamen auf.
Für alle bedeutet dieser Traum etwas anderes, weil sie alle unterschiedliche Vorstellungen von der Freiheit in Amerika haben. Deswegen erscheinen ihre Reaktionen im ersten Moment merkwürdig, doch je mehr man sich in jeden einzelnen hineinversetzt, versteht man ihre Gefühle, ihren Kummer, ihre Gedanken. Nicht zuletzt war es auch den Klassenunterschieden geschuldet, dass daraus arge Probleme entstanden.
Insgesamt ein dramatischer, historischer Roman über eine junge Frau, der das Leben vieles abverlangt und die auf ihre Weise alles tut, um mit der verbliebenen Familie sowohl den Traum der Eltern zu verwirklichen als auch in New York ihre Liebe zum Tanzen endlich umsetzen zu können. Doch diese Reise wird sie auf eine harte Probe stellen.
Fazit: Fasziniert vom Cover und der Vorschau wollte ich gern mehr lesen und war über die Entwicklung der Geschichte sehr überrascht. Die Handlung nimmt ordentlich an Fahrt auf und fordert den Leser regelrecht heraus. Dennoch gab es Situationen, die ich trotz aller Bemühungen nicht nachvollziehen konnte und zeitweise etwas zu viel von allem wirkten und leicht kitschigen Touch hatten, weshalb ich eher mit gemischten Gefühlen zurückbleibe. Es fehlte mir diese Wärme, die vielleicht dafür gesorgt hätte, dass es nicht so kühl und sprunghaft wirkte und die Charaktere noch nahbarer und authentischer gewesen wären.