Cover des Buches Der Gesang des Windes (ISBN: 9783426656686)
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Rezension zu Der Gesang des Windes von Jill A. Möbius

Rezension zu "Der Gesang des Windes" von Jill A. Möbius

von rumble-bee vor 14 Jahren

Kurzmeinung: Hm, ich weiß nicht. auf den ersten Blick würde ich sagen: eine dreiste Kopie des "Alchemisten"...

Rezension

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rumble-beevor 14 Jahren
Diese Rezension fällt mir, zugegeben, sehr, sehr schwer. Denn einerseits habe ich dieses Buch "als Leser" gelesen, andererseits aber auch als "Insider", als Mensch, der selber viel mit Spiritualität und diversen Praktiken befasst ist. Der Insider urteilt anders als der Leser, und somit muss ich versuchen, die beiden Perspektiven irgendwie unter einen Hut zu bekommen... Fangen wir fairerweise damit an, was mir an diesem Buch gut gefallen hat. Die Aufmachung hat zweiffellos zur schönen Atmosphäre beigetragen! Ein stimmungsvoller Schutzumschlag, sehr einfühlsam ausgesuchte Farben. Ein Lesebändchen hätte allerdings den Eindruck noch vervollständigt! Zweitens haben sich gottlob Autorin oder Verlag dazu entschieden, das Ganze eben nicht als "Roman", sondern als "Parabel" zu bezeichnen, und es auch nicht in den belletristischen Teil des Verlagsprogramms aufzunehmen, sondern es in der Reihe "Mens Sana" zu veröffentlichen. Das muss ich ihnen wahrlich zugute halten. Denn es ist eben kein Roman, nicht einmal eine stringente Erzählung. Es vermischt viele Ansätze, Themen, Erzähltechniken und Erkenntnisse, die schon von anderen Autoren her bekannt sind. Wäre es als Roman veröffentlicht worden, hätte man zweifelsohne nicht immer schmeichelhafte Parallelen zu bekannten Büchern gezogen. So hat man diese Klippe taktisch umschifft. Drittens. Ich muss zugeben, dass viele der Abschnitte (es sind nämlich auch keine "Kapitel" im eigentlichen Sinn) sehr poetisch auf mich wirkten. Naturschilderungen nehmen einen breiten Raum ein, ebenso wie die Gepflogenheiten von Nomaden und Bewohnern arabischer Länder. Man kann den Tee, die Salben, Kräuter und Gewürze fast riechen! Für die Atmosphäre allein würde ich eine "Eins" verleihen. So, und nun kommen wir zum etwas "unwegsameren" Teil der Rezension... Worum geht es eigentlich? Ort und Zeit spielen in diesem Buch eine bemerkenswert geringe Rolle. Auch werden die Charaktere nicht wie in "Romanen" üblich eingeführt; es sind eher Ankerpunkte als Personen, an denen sich die Handlung entlang voran arbeitet. Vorrangig geschildert wird Omar, ein armer Hirtenjunge, der schon immer den Wunsch nach "mehr" in sich verspürte, mehr Weisheit, mehr Liebe, mehr Wissen. Er begegnet in seinem Dorf einem wandernden Mystiker, und in ihm wächst der Wunsch, sich diesem anzuschließen. Eines Tages ist es soweit. Der Mystiker akzeptiert Omar als seinen Schüler, und beide begeben sich auf eine Reise durch die Wüste, die eigentlich eher eine "spirituelle Ausbildung" für Omar ist. So weit, so gut. Doch, wie schon gesagt, man sollte keine eigentliche Geschichte erwarten. Zunächst einmal ist die Chronologie am Anfang sehr "aufgebrochen". Die Autorin springt etwas hin und her zwischen Omar früher, und Omar in Begegnung mit dem Mystiker. Erst nach einigen Abschnitten wird klar, dass die beiden nun unterwegs in der Wüste sind. Was nun folgt, nimmt den breitesten Raum des Buches ein. Omars spirituelle Ausbildung wird geschildert, die das ganze Buch über andauert, um in einem bemerkenswert kurzen Epilog zu enden. Die "erzählte Zeit" ist nahezu aufgehoben, man wird als Leser von Episode zu Episode versetzt, ohne genau zu wissen, wie lange das alles dauert. Omar lernt immer wieder Neues, unter anderem tiefgehende Meditationspraktiken, heilige Orte, Rituale, Beschwörungen, und allerlei mehr. Zum Schluss schließt er seine Ausbildung ab, und wird selber Mystiker. Und genau hier beginnen sich in mir der "Leser" und der "Insider" zu streiten. Für einen reinen "Leser", so könnte ich mir das durchaus vorstellen, ist das ganze Buch wunderschön. Immer wieder werden neue Erkenntnisse vermittelt, die aus allen möglichen Traditionen und Religionen stammen. Alles ist leicht verständlich, und leitet sich unmittelbar aus Omars persönlicher Erfahrung her. Sicher ist in der heutigen Zeit religiöse Toleranz wichtiger denn je, und es gibt keine an sich "richtige" Religion oder Praktik. Aber, aber, der "Insider" erhebt seine Stimme... wie soll ich nur sagen. Was mich an diesem Buch ein wenig stört, ist nicht die Vielzahl der erwähnten Einsichten und Praktiken, sondern der Eindruck der Beliebigkeit, der dadurch entsteht. Der Leser könnte den EIndruck gewinnen, alle Religionen seien sowieso "gleich", oder zumindest "gleich richtig und wichtig". Was sie defintiv nicht sind! Oh weh, hoffentlich versteht man mich nicht falsch... Natürlich bin ich nicht der Meinung, die Wahrheit gepachtet zu haben, oder dass es überhaupt so etwas wie "die richtige" Religion gäbe. Aber alles, was hier geschildert wird, stammt aus derart unterschiedlichen Richtungen (Sufismus, Schamanismus, Druidentum, Wicca, Buddhismus, Bön, etc.), dass dabei leider völlig unter den Tisch fällt, dass eben jede geschilderte Praktik oder Methode in ihrer eigenen Tradition einen ganz bestimmten Sinn, ein Ziel hat! Und dass sie eben nicht nur dazu dient, die persönliche Weisheit oder den "Sinn des Lebens" zu finden. Und das finde ich einfach sehr, sehr schade! Ein Beispiel möchte ich nennen. Omar bekommt im Laufe des Buches von einem Handlungsreisenden eine offenbar sehr wertvolle tibetische "Mala" geschenkt, eine Gebetskette, die wohl einmal einem hohen Lama gehört haben muss. Anhand der Andeutungen (ein weiterer Punkt, es sind nur Andeutungen!), konnte ich das "Om" als Anhänger zweifelsfrei identifizieren. Und da sträubt sich in mir einfach etwas! Eine solche Mala würde niemals einfach verschenkt, ohne dass der Betreffende ein wirklicher Schüler innerhalb genau dieser tibetischen Tradition gewesen wäre! Und sie dient auch nicht nur dazu, "glücklich zu machen" oder "geheime Einsichten" zu ermöglichen. Natürlich führt das hier alles viel zu weit, und es tut mir leid, falls ich den Leser verwirren sollte. Aber mein Ansatz sollte klar geworden sein: Micht stört, dass so Vieles aus dem Zusammenhang gerissen und völlig verkürzt dargestellt worden ist. Es wird wieder einmal, wie so oft, darauf hinaus laufen, was man von diesem Buch erwartet hat. Bleibt man "Leser", dann ist es wunderhübsch, sehr atmosphärisch und poetisch. Ist man jedoch "Insider", dann wird man mehr als einmal ein Auge kräftig zudrücken müssen.
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