In knappen Absätzen und eingeworfenen Nebensätzen handelt Jim Lewis eine zweihundertjährige Familiengeschichte ab. Beinahe wünscht man sich, er möge sich doch länger mit einigen dieser Figuren befassen, möge mehr ins Detail gehen, und uns diese Menschen näher bringen. Zum Beispiel die ehemalige Sklavin, die versucht, sich mit ihrem habweißen Kind in den Norden durchzuschlagen zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges. Doch all diese Schicksale finden Platz in dem Prolog zu The King is Dead. Ins Detail geht Lewis erst bei Walter Selby, einem jungen Mann, der für die USA in der Pazifikarena des zweiten Weltkriegs gekämpft hat, ausgezeichnet wurde, und sich nach einem erfolgreichen Studium in den Fünfziger und Sechziger Jahren in die Politik seines Heimatstaates Tennessee stürzt, und hier setzt der Roman ein. Von seiner schwarzen Vorfahrin wissen weder Selby noch sein Umfeld etwas, und der junge Mann macht als weißer Amerikaner, in Amerikas Süden Karriere.
Selby ist der beste Mann eines Senators für Tennessee. Er schreibt seine Reden, räumt auf, bevor die Presse von Missgeschicken Wind bekommt, und für Sachen, die schief gehen, hält er seinen Kopf hin. Er fühlt sich gut, er fühlt sich mächtig. Besonders, als er privat auch noch die schöne Nicole kennenlernt und sie davon überzeugt, seine Frau zu werden, scheint sein Leben nicht mehr besser werden zu können. Doch dann geschieht etwas, das ihn aus der Bahn wirft. Selby kündigt und fährt nach Hause. Nicole wird ihn aufbauen können, denkt er, doch er wird enttäuscht.
Kurz darauf endet der erste Teil des Buches. Der zweite Teil spielt hauptsächlich vierzig Jahre später, und der Fokus liegt auf Frank, Walters Sohn.
Im Schnelldurchlauf erfahren wir Einzelheiten zu Franks Lebensgeschichte, bis wir ihm dann in der Gegenwart gegenüberstehen. Frank ist zu diesem Zeitpunkt ein ehemals erfolgreicher, nun alternder, Schauspieler, dessen beste Jahre hinter ihm zu liegen scheinen. Er lebt sein Leben gleichmütig vor sich hin, bis eine außergewöhnliche Regisseurin und eine interessante Drehbuchidee ihn wachzurütteln vermögen.
Im zweiten Teil verliert Lewis ein wenig an Tempo und Dichte, doch der erste Teil ist vollgepackt mit Ereignissen und Gedanken, und Lewis versteht sich meisterlich darauf, ein ungutes Gefühl aufkommen zu lassen. Ähnlich wie bei T.C. Boyle, betrachtet der Leser die Figuren der Geschichte, und sieht, viel früher als die Betroffenen selber, wohin die Ereignisse führen werden, wenn sie nicht zur Vernunft kommen. Fast scheint es, als diene der zweite Teil der Versöhnung mit dem Leser. Lewis möchte gerissene Wunden schließen und einige Ecken und Kanten der Geschichte abrunden.
Insgesamt ein packendes Buch, das leider im letzten Viertel etwas nachlässt, aber dafür zuvor mit vielen Ideen und cleveren Sprüchen aufwartet.
Diese Rezension wurde auch auf lesemanie.com veröffentlicht.