Der slowenisch-italienische Historiker Joze Pirjevec hat nach 30 Jahren Forschungsarbeit eine umfassende Biographie Titos zusammengestellt, beginnend mit Josip Bros Geburt am 7. 5. 1892 bis zu seinem Tod am 4.5.1980. Auf 580 Seiten berichtet er detailiert und facettenreich über verschiedene Phasen seines Lebens, ob als Gefangener, Partisan, Revolutionär, Staatspräsident Jugoslawiens oder Verbündeter anderer FreieBlockstaaten und Entwicklungsländer.
Für mich war die Lektüre dieser außergeöhnlichen Biographie äußerst spannend; Pirjevec schildert Titos Zeit, seiner Weltsicht samt persönlicher Veränderungen sowie denen im Weltgeschehen so anschaulich und nachvollziehbar, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte.
Gerade die Darstellung seiner eigenen, persönlichen sowie politischen Entwicklung, seiner Ängste, Träume und Einsichten mit zunehmendem Alter, in wieweit diese realisierbar wären, lassen ein sehr umfassendes und vielseitiges Bild Titos entstehen, das mich sehr beeindruckt hat. Auch wenn Joze Pirjevec zwischendurch immer wieder Annekdoten eingeflochten hat, merkt man, wie wichtig ihm sachliche, korrekte und ausgewogene Darstellung war; soch alleine die 100 Seiten im Anhang, die Anmerkungen und Quellen auflisten, zeigen diesen Anspruch deutlich auf.
Sehr interessant waren auch die Aufzeichnungen aus dem Privatleben, wie die über Titos Frauen.
Ich muß gestehen, dass mir viele der im Buch aufgeführten Namen unbekannt waren und ich über etliche online nachgelesen habe, was mir noch zu zusätzlichen Informationen zu den entsprechenden Zeiten verholfen hat.
Insgesamt hat dieses Buch mir äußert spannend, detailreich und vielseitig über Titos Leben, seinen politischen Weg, seine Versuche Jugoslawien vereint zu lassen und welche Ursachen die Trennung in die einzelnen Staaten hatte, aufgezeigt; ich kann dieses Buch nur weiterempfehlen.
Jože Pirjevec
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Jože Pirjevec
Tito
Neue Rezensionen zu Jože Pirjevec
Tito. Die Biografie - Joze Pirjevec (Autor), 600 Seiten, Verlag Antje Kunstmann GmbH; Auflage: 1 (25. Mai 2016), 39,95 €, ISBN-13: 978-3956140976
Seit 36 Jahren ist er tot. Und doch scheint er nicht zu sterben. Jahr für Jahr pilgern 20000 Besucher zum Sarkophag einer der schillerndsten politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Er scheint tief im kollektiven Gedächtnis der Menschen, vor allem in Ex-Jugoslawien verankert zu sein. Viel wurde über ihn geschrieben. Sein Lebenslauf ist allen Interessierten bekannt.
Und jetzt legt der slowenisch-italienische Historiker Joze Pirjevec eine neue, fast enzyklopädische, monumentale Biographie über Tito vor. Das Buch erzählt nicht nur die 35 Jahre Herrschaft von Marschall Tito, sondern auch die epische Geschichte eines ohne die Hilfe der Verbündeten befreiten Landes. Es ist der gelungene Versuch, umfassend das Leben des Marschalls darzustellen, als Staatsoberhaupt und als Kämpfer. Vor allem erfüllt Joze Pirjevec sein Versprechen aus seinen einführenden Worten: „Versuchen wir, ihn in rembrandtschen Farben zu porträtieren.“ (Seite 7)
Joze Pirjevec baut seine Biographie ganz klassisch auf. Sechs große Kapitel, chronologisch gruppiert und lediglich einen Exkurs „Tito und die Frauen“
Für mich sehe ich drei Schwerpunkte des Buches
Die Geschichte des Partisanenführer Tito, bei der Organisation des Widerstands gegen die Invasion der Achsenmächte im Frühjahr 1941. Hier geht er gegen die Weisung aus Moskau direkt zum Angriff über, davon überzeugt, dass der Krieg auch eine Chance für die Umwandlung der Gesellschaft in eine sozialistische Richtung ist. Er sieht nicht nur die nationale Befreiung, sondern auch die Möglichkeit, die bestehende Gesellschaft radikal zu verändern. „Verordnung über die Aufstellung einer regulären Armee.“ (Seite 115) und „Einberufen des Antifaschistischen Volksbefreiungsrates Jugoslawiens (ANVO) um eine neue Regierung zu bilden, das ein Gleichgewicht zur Exilregierung in London darstellen und eine Wiederherstellung des alten Regimes verhindern sollte.“ (Seite 314/315)
Den zweiten Schwerpunkt sehe ich in dem Teil, der sich mit Stalin, mit der Spaltung innerhalb des kommunistischen Lagers und dem jugoslawischen nationalen Weg zum Sozialismus beschäftigt, als Tito zum Hauptförderer des Projekts der nicht paktgebundenen Länder wird. „Es handelte sich […] um eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte des Kommunismus. Zum ersten Mal eröffnete sich die Möglichkeit einer Häresie, die eine territoriale Basis hatte.“ (Seite 348/349)
Der dritte Schwerpunkt ist Tito als Mensch ….
Auf der einen Seite der charismatische Führer und Politiker, der in den großen historischen Situationen richtig handelte wie z.B. seine Siege über Hitler und sein Widerstand gegen Stalin.
Auf der anderen Seite die der grausamen Beseitigung aller politischen Gegner und die ethnische Säuberung gegen Nicht-Slawen, die er nie bereute. (Ganz nach stalinistischer Art ließ Tito gleich nach dem Krieg Zehntausende kroatische und slowenische Kollaborateure ermorden.) Machtgier, und Rücksichtslosigkeit, aber auch viel Charme und Charisma vereinigen sich zum Markenzeichen von Tito.
Und des weiteren zeigt er Tito als „Mensch von großen Leidenschaften, in seinen persönlichen Wünschen und seinem Hunger auf alles, beim Essen und Trinken, in Liebe und Feindschaft, bei der Übernahme wichtiger Entscheidungen und in den Beziehungen innerhalb der Familie, gegenüber seinen Mitarbeitern und dem Personal:“ (Seite 540)
Er wusste darüber hinaus sehr genau um die Fragilität dieses ethnischen und nationalen Konglomerats Jugoslawien. Schon 1971 sagte er zu Mitarbeitern: „Wenn Sie wüssten, wie ich die Zukunft Jugoslawiens sehe, wären Sie schockiert.“ (Seite 580)
Es gibt dutzende Bücher über Tito. Aus all diesen sticht das vorliegende von Joze Pirjevec besonders hervor, nicht nur wegen des Umfangs, sondern vor allem auf Grund der reichhaltigen Quellen, auf die der Autor zurückgreift und es sind nicht nur jugoslawische Quellen. Und vor allem zeigt Joze Pirjevec beide Seiten von Tito, die helle und die dunkle.
Insgesamt zeichnet Joze Pirjevec ein endgültiges Bild der Figur Titos, seiner Zeit und seiner Welt. Wir finden wenig von der Legende Titos sondern mehr Wirklichkeit. Ausgewogen, umfassend und extrem gut lesbar. Der Autor moralisiert nicht, im Gegenteil, Pirjevec behält eine distanzierte, bisweilen auch leicht ironische Sichtweise.
Das Buch, die bisher umfangreichste und gründlichste Darstellung von Leben und Werk des Josip Broz Tito, ist ein Muss für jeden Fan der Zeitgeschichte, vor allem für Liebhaber des Balkan und Jugoslawien, Slawophilen oder Nostalgiker jeder Couleur sollten diese neue Biographie von Jože Pirjevec nicht verpassen. Vor allem aber für jene geeignet, die auf Vollständigkeit, Tiefe und wissenschaftliche Strenge Wert legen.
Hier geht es direkt zum Buch auf der Seite des Antje Kunstmann Verlages
http://www.kunstmann.de/titel-0-0/tito-1172/
Fragen Sie in Ihrer örtlichen Buchhandlung nach diesem Buch. Wenn Sie in meiner Gegend „Landkreis Merzig-Wadern“ leben, dann wenden Sie sich an die Rote Zora: http://www.rotezora.de
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